Forum Politik und Gesellschaft Diskussion historischer Ereignisse 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang

Diskussion historischer Ereignisse 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang

hugo
hugo
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von hugo
als Antwort auf simba vom 05.10.2008, 19:25:20
ob es nicht besser gewesen wäre zu bleiben,,,hat sich wohl spätestens schon im Oktober bzw Anfang Nov. 1989 geklärt,

,,da gab es schon zugelassene neue Parteien und Organisationen wie, Demokratie jetzt, Neues Forum, Bündnis 90. Demokratischer Aufbruch usw.,,waren Honecker und die SED abgemeldet,

der gesamte Ministerrat mit Ministerpräsident Stoph an der Spitze hatte seinen Rücktrittgingen erklärt, in Leipzig gingen etwa 300.000 zur Montagsdemonstration und fordern "Reisefreiheit ohne Einschränkung", "freie Wahlen" "Wir sind das Volk" und "Wir bleiben hier"
und Christa Wolf richtete im DDR-Fernsehen einen dringenden Appell an ihre Mitbürger, um sie zum Bleiben zu bewegen.

Naja dieser Schwund, dieser Exodus hält ja irgendwie immer noch an und die Gründe dafür sind unendlich andere -leider- heute gehts längst nicht mehr um die DM an sich, die Reisefreiheit, das politische Nichtunterdrücktsein sondern fast ausschließlich um die noch ausstehende materielle Angleichung,,,andere Gründe kann ich kaum noch erkennen.

Zwischen 1991 und 2003 sind damit mehr als zwei Millionen Ostdeutsche nach Westdeutschland gezogen,,denen dauert der von Dir angesprochene Umbau und der Neuanfang sicherlich auch vel zu lange,,??

neuerdings kippt dieser Trend allerdings endlich etwas um,,zumindest statistisch gesehen,,


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hugo
luchs35
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von luchs35
als Antwort auf hugo vom 05.10.2008, 20:22:51

Ich habe mal eine Frage, die sicher nicht einfach zu beantworten ist, aber vielleicht kann es trotzdem jemand erklären, denn es ist wohl das dunkelste Kapitel in der Geschichte der DDR.

300 000 demonstrierten um Reisefreiheit, riefen "Wir sind das Volk" und "Wir wollen hierbleiben"! So habe ich es auch stets gehört, "wir wollten ja gar nicht weg, nur reisen, wohin wir wollen".

Aber wurde jemals gegen den Schiessbefehl an der Mauer demonstriert? Und wie dachten die Menschen in Ostdeutschland darüber, dass sie Gefahr liefen, erschossen zu werden oder in einem Zuchthaus zu landen, wenn sie bei einem Fluchtversuch erwischt werden, denn das blieb doch nicht verborgen? Wurde darüber zumindest insgeheim gesprochen?

Vor allem könnte vielleicht das jemand beantworten, der den Mut hatte für die Reisefreiheit auf die Strasse zu gehen. Warum nicht gegen die Morde an der Mauer? Bewegte das weniger als das freie Reisen?



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luchsi35
hafel
hafel
Mitglied

Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von hafel
als Antwort auf luchs35 vom 05.10.2008, 22:15:39
Deine Wahrnehmungen sind leider nicht ganz korrekt: ""Wir sind das Volk" und "Wir wollen hierbleiben"!".
Eine Zeitlang lautete die Losung auf dem Montagsring und da gibt es Fotodokumente : "Kommt die DM nicht zu uns, dann kommen wir zur DM". Was dann auch in der Tat geschah. Der Westen wurde von (meist jungen Leuten) regelrecht überrannt. Leider wird das gerne vergessen.... ist aber eine historische Tatsache und erklärt die hektische Folge.
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hafel

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luchs35
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von luchs35
als Antwort auf hafel vom 05.10.2008, 22:24:15

Hafel, ich habe das nicht selbst gehört, war ja nicht dabei. Aber so wurde es mir immer wieder erzählt -in Varianten, aber dem Inhalt nach so, wie ich es sagte.

Aber das ist auch nebensächlich, meine Frage ging in eine andere Richtung.
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luchsi35
hafel
hafel
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von hafel
als Antwort auf luchs35 vom 05.10.2008, 22:31:07
Nein Luchsi, diese Aussage ist eben nicht unwichtig, ob die Leute der DM nachreisen oder lieber da bleiben wollten. Das hat den weiteren Lauf der Geschichte sehr verändert.
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hafel
hugo
hugo
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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von hugo
als Antwort auf hafel vom 05.10.2008, 22:24:15
hallo hafel, luchsi hat das gut beobachtet,,ich möchte Dich hier ungern berichtigen, aber soviel mir bekannt ist, soviel wie ich mich erinnere und -ich habe gegoogelt- soviel da unter diesem Schlagwort, dieser Losung zu finden ist, hat es sie tatsächlich und das nicht nur einmal gegeben gegeben und sogar vor und nach Deiner -ebenfalls bestens bekannten Losung ( “Kommt die DM bleiben wir, kommt sie nicht, gehn wir zu ihr”.)

aber das sind ja auch nur unwichtige Streitpunkte im Nachhinein,,,also was solls,,

interessant und nicht so einfach zu beantworten, finde ich luchsis Frage. Ich versuchs mal trotzdem auf die Schnelle.

Nee luchsi ich denke das die fehlende bzw stark eingeschränkte Reisefreiheit zwar ein wichtiger aber nicht der Einzige Aspekt ostdeutscher Befindlichkeiten war.

wenn ich von mir ausgehe, dann hat mich auch gestört
-das es Leute gab die Westgeld hatten und solche die es nicht hatten,,Stichwort Forumschecks, Genexkataloge usw,,)
-das es Leute gab, die Reisen durften (und da meine ich nicht die Rentner)
-die einfacher und durch Beziehungen an Waren und Produkte kamen und andere nicht
- die sich anderweitige Vorteile zubilligen konnten usw.

das mal Wahlen getürkt wurden, das ich mal Schlange stehen musste, das mal knappe Waren rationiert waren, ich auf den Trabbi lange warten musste, das es überzogene politische nichtssagende Reclame gab, das nicht jeder in die Partei durfte, das es (neben unwahrscheinlich umfangreichen Einsparprogrammen z.b Sekundärrohstoffen usw.) unverhältnismäßig unverschämte Vergeudungen von Ressourcen gab ( Trinkwasser, Energie, Wohnungsheizungen fast kostenlos, bzw saubillig und Subventionen auf alltägliche selbstproduzierte Produkte))
ok das Alles war bekannt, man hatte sich darauf eingestellt, schüttelte mal den Kopf und ärgerte sich, aber das war für mich nicht überlebenswichtig,,

nicht mal die Mauer hat mich persönlich sehr erschüttert,,ich dachte tatsächlich das von nun an das Ausbluten unserer Wirtschaft etwas nachlassen würde und es dadurch schneller für uns viel besser werden würde,,das dies ein Irrtum war und der kalte Krieg (der dadurch noch mehr angefacht wurde) die Militärausgaben in die Höhe trieb und Embargolisten der Nato für noch mehr Engpässe sorgen würden,,,,hm das kam dann noch dazu,,

auch die Mauer war ein Thema, wurde aber sicher nicht so eindeutig abscheulich gesehen wie von Westseite aus,,
es war ja freiwillig, sich in diese Gefahr zu begeben, ebenso wie von einem Schiff zu springen, mit einem selbergefertigtem Ballon zu fliegen, mit ner Luftmatratze über die Ostsee zu paddeln,

ich war froh, nicht an dieser Grenze dienen zu müssen, hatte auch kein Verständnis für Familienväter die ihre Kinder mit ins Schussfeld nahmen,,mir taten die armen Schweine von Grenzern mindestens so leid wie diejenigen, welche sie durch ihre Fluchtversuche in Gewissenskonflikte brachten,,,,was sich die Russen und unsere Regierung dabei dachten,,,darüber hab ich mir weniger den Kopp gemacht, zumal ich nicht besonders mit Westfernsehempfang gesegnet war (die Berliner waren da besser dran) und hatte demnach keine Westbeschallung aber auch wenig Informationen von mißglückten Grenzdurchbrüchen usw.

Meine Westkontakte (nach dem Mauerbau)beschränkten sich auf die lang-jährigen wochenlangen Urlaubsbesuche meiner Westverwandtschaft und für die war die Zoll-, und Grenzübergangssituation zusammen mit der geforderten umständlichen Umtausch-, und Meldepflicht das beeindruckendste Erlebnis der Ostbesuche,

Meine Mutter, meine Tanten, meine Großeltern waren -soweit ich mich erinnere- sehr oft zu Verwandtenbesuchen im Westen und,,,sie kamen alle, alle immer, immer wieder zurück,, ein Grund mehr für mich, den Westen als gar nicht so erstrebenswertes Ziel zu sehen und schon gar nicht, ihn unter Lebensgefahr zu erreichen.
Immerhin hatte ich meinen Lebensmittelpunkt (sehr gute Arbeitsstellen, tolle Kollegen, ausreichendes Einkommen usw.) meine Familie mein neues Heim usw ja hier im Osten, war -nach der Umsiedelung 1945 und saumäßig schwierigem Neuanfang- doch auch etwas stolz auf das geschaffene,,,hatte -wie es in der Bibel steht- Haus gebaut, Bäume gepflanzt Sohn geboren usw, also aus meiner Sicht vergleichbar mit meiner Westverwandtschaft,,

also Luchsi, im alltäglich praktisch gelebten Ostleben gab es reichlich Probleme davon viele lösbar, einige schwer lösbar, einige unlösbar (wie überall auf dieser Welt) und ich war kein Held, kein Robin Hood, ein Selbstmörder
unsere Schwerpunkte waren anders als Du Dir -nach all dem was an Nachrichten in den Westen gelangte und dort anderer Wertigkeit zugeordnet wurde- wohl vorstellen magst.

Auch wenn es heute viele Exossis gibt, die im Nachhinein vielmehr Negatives herausfinden (ist ja auch nicht schwer bei den jetzigen Vergleichsmöglichkeiten) und dieses Negative rückprojizieren,,,,,es gibt eben auch Leute deren Projektion eine andere ist,,und das werden vorrangig die Luser sein, diejenigen die die Nieten gezogen haben, die es massenweise zur Wendezeit (Glücksritterzeit) überall zuhauf gab.

ps, entschuldige wenn ich nicht immerzu wo es erforderlich gewesen wäre, Gänsefüßchen gesetzt habe,,


--
hugo

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Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf hugo vom 05.10.2008, 23:37:24
@hugo,
von wenigen Ausnahmen abgesehen entspricht das, was du hier aufgeschrieben hast, auch meinen Empfindungen zum Leben in der DDR und - wie ich weiß auch der Mehrheit der DDR-Bürger.

Kleine Ergänzungen von mir.
-"das mal Wahlen getürkt wurden" -
Das war eigentlich egal, da es in der DDR keine wirklichen WAHLEN gab.


-"auch die Mauer war ein Thema, wurde aber sicher nicht so eindeutig abscheulich gesehen wie von Westseite aus,,es war ja freiwillig, sich in diese Gefahr zu begeben" -

Ich fand die Mauer immer abscheulich, war ja nicht weit weg davon und hatte bis 1961 viel Zeit bei Verwandten in West-Berlin verbracht. Ich habe sie auch immer gesehen als das, was sie war - eine Mauer zur Verhinderung der Flucht der DDR-Bürger in den Westen. Sie war ja auch technisch nur auf diese eine Funktion ausgerichtet.
Das mit der "Freiwilligkeit" lasse ich mal unkommentiert. Möchte aber darauf hinweisen, dass es viele gab, die in der DDR keinen Fuß mehr auf die Erde bekamen, weil sie zu stark opponiert hatten. Ich kenne einige, die seelisch kaputt gingen.
Natürlich war das trotzdem eine Minderheit.

--
klaus
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 06.10.2008, 09:16:43
@luchsi + klaus

ich bin 1962 geboren und somit war "die mauer" für mich immer eine tatsache. es war sozusagen für mich das normalste von der welt, daß für mich "am kanten" die welt zu ende war und wir halt nur regelmäßig besuche unserer westverwandten bekamen.

auf der anderen seite beschäftigte ich mich in der zeit zwischen 1968 und 1989 überwiegend mit lernen und studieren. das gab mir die option später doch zu studienaufenthalten und montagearbeiten in ansonsten für mich abgeschlossene länder zu gelangen. sooo selten war das nämlich garnicht. ein lebens-schwerpunkt war das reisen für mich jedoch nie und ist es auch heute nicht. ich verreise nur, wenn ich von meiner partnerin dazu gezwungen werde.

ansonsten bin ich jedes jahr durch den balkan getrampt. tschechien, ungarn, rumänien, bulgarien und zurück in zwei monaten. danach hatte ich erstmal wieder für 10 monate die nase voll vom reisen. die mauertoten habe ich mit einem gewissen maß schulterzucken registriert, nach dem prinzip: wer sich in gefahr begibt, kommt darin um. außerdem gab es auch ein gerüttelt maß tote grenzsoldaten, die von flüchtlingen umgebracht wurden.

@hafel

ich war schon monate vor den ersten montags-demos an deren organisation in chemnitz und dresden beteiligt. keiner von uns wollte die DM haben. wir wollten die DDR reformieren und zu einem demokratischen, sozialistischen staat umbauen, mit freiem informationszugang für alle. die ersten demos waren noch richtig gefährlich und keiner von uns wusste, ob er abends wieder nach hause kommt. immerhin standen die ordnungskräfte ja nicht zum spaß mit ihren AK-47 am straßenrand.

zu diesem zeitpunkt saßen die meisten DDR-bürger noch im warmen zimmer und haben vor der glotze beim bier "demonstriert". erst als schon entscheidende veränderungen herbeigeführt worden waren, keine wasserwerfer die demonstranten von der straße schoben, und die polizei nur noch den verkehr geregelt hat, kamen diese "helden" mit ihren plakaten "Kommt die DM nicht zu uns, dann kommen wir zur DM" auf die straße.

der zeitpunkt für reformen war wohl schon um 10 jahre überschritten, oder das westkapital einfach zu gierig und zu schnell.
hafel
hafel
Mitglied

Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von hafel
als Antwort auf dutchweepee vom 06.10.2008, 10:49:47
Klar dutch, das glaube ich Dir auch so. Ich kann aber doch nur meine subjektiven Wahrnehmungen hier weitergeben..... aus der Ferne. Ich habe auch nur an EINER Montagsdemo teilgenommen.... ziemlich am Schluss, die mit den brennenden Kerzen (falls Du Dich daran erinnerst).

Ich weiß aber aus eigener Anschauung, dass kurz nach der Wende unsere nordischen Städte Hamburg, Lübeck und Kiel BRECHEND voll waren, von JUNGEN Leuten, die einfach sagten: "wir bleiben hier bei der DM".

Und es ist eben auch verbürgt, dass die Bundesrepublik ein 10-Punkte-Programm bei einem Besuch Kohls in Dresden vorgelegt hat, "beide Staaten" über eine lange Zeit zusammen zu bringen. Sie wurde dann von den Ereignissen überrollt.
--
hafel
EehemaligesMitglied58
EehemaligesMitglied58
Mitglied

Re: 18 Jahre deutsche Einheit: Erinnerungen an den Anfang
geschrieben von EehemaligesMitglied58
als Antwort auf luchs35 vom 05.10.2008, 22:31:07
Na für alle hier der originaltext Demo leipzig.
Kommt die D Mark bleiben wir,
kommt sie nicht, gehn wir zu ihr!

Als diese losung und auch die sprüche "Wir bleiben hier"
gerufen wurden, ging es nicht mehr um den erhalt einer ddr oder das bleiben in einem hermetisch durch eine mauer und stacheldraht abgeriegelten staatselend.
Die meisten menschen wollten nur unter den bedingungen von demokratie und freiheit und annähernd westlichem lebensstandard an ihren wohnorten, bei ihren familien bleiben.
Zu der zeit war eigentlich nicht mehr rückgängig zu machen, daß zu mindest eine staatengemeinschaft bei offenen grenzen nach allen seiten in form einer wirtschafts-und währungsunion kommen wird.
Was aber in der euphorie der wende von vielen nicht bedacht wurde, daß die marode ddr wirtschaft nur unter der bedingung einer mangelwirtschaft im abgeschotteten, von wettbewerb befreiten raum existieren konnte.
Mit einführung der DM und vereinigung mußte sich der trabbi, der fernseher aus staßfurt, die DDR mikroelektronik, die edv, die textilindustrie.....und und und plötzlich dem wettbewerb mit dem weltmarkt in punkto modernität, dessein, qualität und preis stellen.
Daß das mit zusammenbruch und arbeitslosigkeit verbunden sein mußte haben viele damals nicht wahrhaben wollen, zumal auf der anderen seite eine hochmoderne industrie in einer überflußgesellschaft stand, die durch mehrarbeit und erweiterung auch kurzfristig in der lage war, die paar 18 mio menschen mit zu versorgen und besser zu versorgen als vorher die mangelwirtschaft.

--
gram

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