Fernsehen und Film Der Vorleser

Mareike
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Re: Der Vorleser
geschrieben von Mareike
als Antwort auf clara vom 30.07.2012, 12:59:20
Diesen preisgekrönten Film nach einem Roman von Bernhard Schlink (s. auch Thema Beschneidung im Literaturforum) bringt die ARD heute Abend um 20:15 Uhr. Ich denke, es könnte sich lohnen, ihn anzusehen.

"... dies ist ein Film über Wahrheit und Versöhnung" meint der Theater-und Filmregisseur Stephen Daldry.

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Clara



Wahrheit und Versöhnung?


Dieser Film hat mich berührt aber im nachhinein auch sehr nachdenklich gemacht.
Das Nachdenken wurde ausgelöst, durch die Frage der Jüdin Ilana Mather:"Sind Sie sich bewußt, was diese Frau Ihnen angetan hat?"
..................



Auch bei Wiki wird von einer Liebesbeziehung gesprochen.

wikipedia.org/wiki/Der_Vorleser

clara
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Re: Der Vorleser
geschrieben von clara
als Antwort auf Mareike vom 31.07.2012, 09:13:58
Der Film fand ja in der Kritik ein geteiltes Echo, wie man auch dem Link entnehmen kann. Das Buch habe ich nicht gelesen, aber ohne diese Liebesgeschichte als Aufhänger wäre der große Filmerfolg wohl nicht möglich gewesen. Der Hauptvorwurf besteht darin, dass die Protagonistin eher die lebenslängliche Haftstrafe auf sich nimmt, als ihren Analphabetismus zuzugeben, der ihr ein milderes Urteil beschert hätte. Man kann dies aber auch als Schuldeingeständnis auslegen.
Die Szenen im Gerichtssaal mit den fast unbeteiligten Rechtfertigungsversuchen Hannas waren für mich sehr eindrucksvoll.

Clara
canello
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Re: Der Vorleser
geschrieben von canello
als Antwort auf Mareike vom 31.07.2012, 09:13:58
Auch zum letzten Punkt von Mareike werde ich noch kommen.
Zunächst.....habe das Buch nicht gelesen...
Über eine Sache im Film,die ja sozusagen den " Clou " dar-
stellt,kann ich ,trotz längerem Nachdenken,keine Erklärung
finden..
Die " Hanna " kann nicht lesen und schreiben...Damals ging
sie zu den KZ-Wachmannschaften...Glaubt denn jemand allen
Ernstes,daß man da nicht,wie überall in dieser überbürokra-
tisierten NS-Zeit ( gibts noch genügend Zeit-Zeugen )nicht
einen Hand-geschriebenen Lebenslauf gefordert hätte ? dann
Formulare ausfüllen ? ( evtl.jüdischer oder kommunist.Hin-
tergrund ).Diese " Handchriftlichen " dienten ja nicht nur
zur Informations-Gewinnung.Man prüfte dabei auch ,über Recht-
schreibung,usw.,den geistigen Status von Jemand (macht man j
ja heute auch noch...)
Weiterhin wäre das in den Wachmannschaften aufgefallen.Da gab
es ja Dienstpläne ,BERICHTE,usw, von der "Kolleginnen-"Seite
mal ganz abgesehen.
Die zweite Frage ergibt sich aus dem Prozeß-Vorgang,als sie
dann beschuldigt wird,den " Bericht " abgefaßt zu haben,usw.
Nun ist Jedem bekannt,der auch nur im geringsten mit Dienst-
Strukturen bei Polizei,Armee ,usw.zu tun hatte,daß derjenige
der den Bericht machen muß,ja fast nie der (oder die )ist,
die die Befehle gibt.das machen Andere.Sonst hätte man klar-
stellen müßen,daß eben sie die Vorgesetzte war ( die nicht
mal schreiben kann! ) Dann stimmt die Anklage natürlich.
Der letzte Punkt ist der von Mareike..."Was hat sie Ihnen
denn angetan ? ...Ja gar nichts ,das ist doch eine Love-
story...
P:S.Im Film arbeitet sie ja zunächst als Schaffnerin....
im allgemeinen können die lesen,wie sollen sie denn sonst
Fahrkarten kontrllieren...

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clara
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Re: Der Vorleser
geschrieben von clara
als Antwort auf canello vom 31.07.2012, 13:00:35
Darin gebe ich Dir Recht, canello! So etwas wäre in der Realität nicht möglich gewesen, gerade bei den akribisch bürokratischen Nazis (wie in allen Diktaturen üblich). Aber Buch sowie Film verkaufen sich halt besser, wenn spektakuläre Inhalte vorkommen.
Mich hat z. B. auch gestört, dass die Briefe Hannas in Englisch erschienen. Als deutscher Text wären sie authentischer, eventuell mit englischen Untertiteln.
Manch Anderes war zu glatt, insgesamt hat mich der Film aber beeindruckt.

Clara
Klaro
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Re: Der Vorleser
geschrieben von Klaro
als Antwort auf canello vom 31.07.2012, 13:00:35
...tja, das ist aber bei den "Tatort"-Filmen nicht anders, jeder Kommissar wird dir bestätigen, dass es so nicht im wirklichen Polizeiberuf zugeht.

Ich denke, man darf Filme nicht realistisch sehen, sondern auch die Illusion, die dabei verbreitet werden soll, mit einbedenken.

Aber ich kann dich verstehen, ich sitze oft auch auf der Couch und denke "nee...also wirklich, was soll denn dieses unrealistische Zeugs...das stimmt doch hinten und vorn nicht".

Davon abgesehen fand ich den Film - trotz vieler Ungereimtheiten - wirklich spannend und auch sehr emotional.

Klaro
canello
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Re: Der Vorleser
geschrieben von canello
als Antwort auf Klaro vom 31.07.2012, 13:18:52
Da stimme ich Dir zu...auch schauspielerisch sehr gut...

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silhouette
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Re: Der Vorleser
geschrieben von silhouette
als Antwort auf canello vom 31.07.2012, 13:00:35

Der letzte Punkt ist der von Mareike..."Was hat sie Ihnen
denn angetan ? ...Ja gar nichts ,das ist doch eine Love-
story...

Wie? In einer Love-Story ist es erlaubt, dass man so mit dem anderen umgeht? Ohne ein Wort ihn sitzen lässt? Und damit, wie angedeutet, ihn für den Rest seines Lebens voller Schuldgefühle und bindungsunfähig zurücklässt?

Gut, Story, Aber worüber sollen wir dann diskutieren als über eine große, dreiteilige Story?
Mareike
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Re: Der Vorleser
geschrieben von Mareike
als Antwort auf canello vom 31.07.2012, 13:00:35
Der letzte Punkt ist der von Mareike..."Was hat sie Ihnen
denn angetan ? ...Ja gar nichts ,das ist doch eine Love-
story...


Ich werde das Buch lesen müssen ...

Mein Gedankengang jetzt ist: Wir sehen, was wir sehen wollen oder was uns irgendwie vertraut ist oder was uns vorgegeben wird.

Hätte ich den Film betrachtet mit der Vorgabe: "Minderjähriger Junge von KZ-Aufseherin missbraucht", hätte ich mich nicht in einer Love-Story gewähnt ...

Bei der Befragung von Hannah kam mir Hannah Ahrendts Buch " Eichmann in Jerusalem mit dem Untertitel Ein Bericht von der Banalität des Bösen" in den Sinn: Linktip wikipedia.org/wiki/Hannah_Arendt

Und so könnte man auch über die Banalität des Guten nachdenken.

Und last but not least: "Die Lager geben keine Antwort. Beschäftigen Sie sich mit dem Schönen. (Dies sagt die Jüdin Ilana Mather)

Mareike

silhouette
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Re: Der Vorleser
geschrieben von silhouette
als Antwort auf Mareike vom 31.07.2012, 13:41:15

Ich werde das Buch lesen müssen ...

Unbedingt!
Bilder haben es so an sich, zu vereinfachen, ohne viel eigene Fantasie zu fordern.
Lies es, und du kommst auch noch in den Genuss einer schönen Sprache und meisterlichen, "lyrischen" Prosa.
pippa
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Re: Der Vorleser
geschrieben von pippa
als Antwort auf Mareike vom 31.07.2012, 13:41:15
Ich habe das Buch vor einiger Zeit gelesen und hatte ganz andere Bilder im Kopf.
Der Film hat mich trotzdem berührt und die alten Bilder ausgelöscht.

Ich halte nichts davon, Literatur oder Kunstfilme dahin gehend zu prüfen, ob sie der Realität entsprechen.

Eines war jedoch komisch, den Missbrauch des Schülers habe ich erst durch die Frage der Jüdin erkannt. Vorher war es für mich eine von beiden Schauspielern gut gespielte Liebesgeschichte.

Das Buch muss ich nun wohl noch einmal lesen.

Pippa

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