Forum Kunst und Literatur Fernsehen und Film Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"

Fernsehen und Film Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"

olga64
olga64
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von olga64
als Antwort auf Federstrich vom 02.02.2017, 08:29:10
Ich danke allen für ihre sensiblen Beiträge zu diesem Film,die ich ganz ähnlich so fühle.
SEhr beeindruckt hat mich auch die Szene, wo er - zurück aus China und versuchte, sein Berufsleben wieder in Ordnung zu bringen - am Tisch derer sass, die ihm Unterkunft gewähren (mussten). Da fragte dann eine Frau: was, Sie waren in Kuba, immer in der Sonne und keine Bombenangriffe? Wie gut Sie es doch hatten.
Da ist sie wieder die Verdrängung und nur die Betrachtung des eigenen Leidens, obwohl man dieses als deutsche Nation sich selbst zuzuschreiben hatte, weil gerade wir Deutschen ja diesen Krieg und die industrielle Tötung von Menschen, die anders glaubten, aussahen oder lebten, so perfekt betrieben haben.
Und dann fordert diese Nation Mitleid von anderen und dies oft bis heute, wenn das Leid der damaligen Flüchtlinge beweint wird, die ihre Heimat verlassen mussten.
Solange ein solches Denken in einem Volk vorhanden ist und über Generationen weiter gepflegt wird, kann es wieder zu einer Auferstehung dieser damaligen "Werte" kommen.
Es dürften auch heute noch in vielen, deutschen Haushalten Möbel stehen, die damals den deportierten Juden weggenommen wurden. Werden dann heute als Antiquitäten mit Wertzuwachs gehandelt (aber man hat ja von nichts gewusst!).
Aber auch die Person des Dr. Kornitzer fand ich gut gezeichnet: letztendlich ging er doch immer seinen Weg. Dies zeichnete sich auch in seinen sicher nachvollziehbaren Verhältnissen zu Frauen aus. Sehr gut hier die Szene als seine Frau ein Kino eröffnen wollte und er ihr juristisch die Grenzen setzte. DA haben sich wohl die Zeiten seitdem sehr geändert; es dürfte (hoffentlich) nicht mehr viele Frauen geben, die sich ein solches Verhalten ihres Mannes gefallen liessen.
Ein beeindruckender Film, über den ich sicher noch lange nachdenken werde. Olga
Roxanna
Roxanna
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf olga64 vom 02.02.2017, 14:02:46

Da ist sie wieder die Verdrängung und nur die Betrachtung des eigenen Leidens, obwohl man dieses als deutsche Nation sich selbst zuzuschreiben hatte, weil gerade wir Deutschen ja diesen Krieg und die industrielle Tötung von Menschen, die anders glaubten, aussahen oder lebten, so perfekt betrieben haben.
Und dann fordert diese Nation Mitleid von anderen und dies oft bis heute, wenn das Leid der damaligen Flüchtlinge beweint wird, die ihre Heimat verlassen mussten.
Olga


Mich erschüttert das auch immer wieder aufs Neue, was den jüdischen Menschen damals und auch noch nach dem Krieg angetan wurde. Wenn ich mir solche Filme anschaue, kommen mir die Tränen. Aber Olga, muss man deswegen den Menschen, die einen Teil der Rechnung mit dem Verlust ihrer Heimat bezahlt haben, absprechen, dass auch sie das "Recht" hatten darunter zu leiden und zu trauern? Halten sie das für die gerechte Strafe, die verdient war? Sie sprechen von "wir Deutschen", glauben sie wirklich, dass alle das gewollt haben?

Roxanna
olga64
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von olga64
als Antwort auf Roxanna vom 02.02.2017, 15:27:49
Jedem Menschen sollte sein Leid zugestanden werden, allerdings sollte dieser Leidende es selbst auch in einen Zusammenhang bringen und ich sträube mich nach wie vor, dass Deutsche sich wieder mehr als Opfer stilisieren, obwohl sie eindeutig die Täter waren.
Ob alle Deutsche das Nazitum wollten? Rein wahltechnisch war es die Mehrheit und wenn man die Ja-Brüllerei, die dokumentarisch belegbar ist, ob Deutsche den totalen Krieg wollen, als eine solche Zustimmung wertet, kann ich nur mit Ja antworten.
Irgendwann erkannten dann wohl einige Deutsche, dass dies alles nicht so richtig ist und erklärten später, sie haben von nichts gewusst. Also auch nicht, wenn aus Wohnhäusern Menschen abgeführt wurden, um ihrer Vernichtung entgegenzugehen. Das ging ja sicher nicht ohne Geräusche ab und anschliessend waren es oft die Leute, die aus den leergewordenen Wohnungen das mitnahmen, was sie gerne wollten.
Und irgendwann gab es eine Frau Erika Steinbach, die als oberste Flüchtlingsbeauftragte jahrzehntelang agierte, dann aber entschieden dagegen kämpfte, dass Menschen, die unseren Schutz benötigen, zu uns kommen.
Man könnte seitenlang diese Dramen aufzeichnen, was ich mir aber ersparen möchte. Es geht heute auch mehr darum, dass unsere Nation nie aufhört, aus diesen Verbrechen zu lernen, auch unter Einschluss der Konsequenzen, die kommen könnten, wenn wir es doch wiederholen sollten .Olga

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Federstrich
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von Federstrich
als Antwort auf mane vom 02.02.2017, 11:09:57


mittlerweile glaube ich immer weniger daran, dass die Deutschen zum größten Teil nur Mitläufer waren. Es war nicht Angst und mangelnde Zivilcourage, die die Menschen daran hinderte, sich gegen das NS-Regime aufzulehnen, sondern sie profitierten von den Umständen.
geschrieben von mane

Liebe mane,
es war wohl beides, wobei der Terror, der nicht die Masse der Deutschen traf, sehr wohl einschüchternd wirkte. Hingegen darf nach den Traumata von Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise die rüstungsbedingte Senkung der Arbeitslosigkeit, der korrumpierende Effekt des daraus folgenden allgemein steigenden Wohlstandsniveaus bis Kriegsbeginn, die Verbesserung der eigenen Umstände mit Massentourismus, bezahltem Urlaub, KdF-Fahrten ins Ausland, und gar etwas, was der Einzelne als sozialer Aufstieg wahrgenommen hat, und das alles landläufig Hitler zugeschrieben wurde, nicht unterschätzt werden. Auch mein Onkel ließ sich mit zwanzig in Wehrmachtsuniform und der roten Armbinde der NSDAP ablichten, bevor er in den Kaukasus zu seinem Tod aufbrach.
Das alles heute als Nachgeborene zu analysieren und zu bewerten ist die eine Seite. Der Lackmustest für die Zivilgesellschaft ist, wie bestimmte Entwicklungen heute bewertet und angegangen werden.

@olga: Wir sollten nicht vergessen, dass die Sportpalast-Rede zum totalen Krieg eine Propagandaveranstaltung mit ausgesuchtem Publikum war. Als Gradmesser für die wirkliche Unterstützung des NS-Regimes taugt sie nur bedingt.
Federstrich
pippa
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von pippa
als Antwort auf Federstrich vom 02.02.2017, 16:47:26
Dabei hätte es doch jeder wissen können, wenn er das Buch, das in fast jedem Haushalt zu finden war, auch gelesen hätte.

Wirklich gelesen haben es offenbar nur die Leute, die sowieso gegen RECHTS waren.

Ist das heute eigentlich anders? NEIN

Kritische Bücher/Filme usw werden auch jetzt nur von den sowieso kritischen Menschen gelesen/gesehen.
Pippa
Federstrich
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von Federstrich
als Antwort auf pippa vom 02.02.2017, 16:59:30
Es zu wissen, heißt ja nicht zwingend es auch abzulehnen. Die Unterstützer des Regimes, wenn sie es tatsächlich gelesen haben, waren nicht kritisch. Sie haben sich am Inhalt des Buches meist nicht gestört. Diejenigen, die diese Programmatik abgelehnt haben, waren in der Minderheit.

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