Fernsehen und Film Sonntag 3. Januar ARD (und alle 3. Programme) 20.15 Uhr - Feinde
Das nur mal so als Gedankenspielerei.
Roxanna
Eine alte römische Spruchweisheit heisst: Vor Gericht und auf hoher See sind wir allein in Gottes Hand. Anwälte verdienen sich in der Regel ihr Honorar damit, dass sie alle Register ziehen, um ihren Mandanten vor einem harten Urteil zu bewahren.
In diesem Fall hier bewundert man zwar die akribischen Winkelzüge des Verteidigers, hat aber das sichere Gefühl, der Gerechtigkeit wurde mit dem erkämpften Urteil nicht Genüge getan. Bleibt noch die Schuld, mit der der Entführer ein Leben lang zurechtkommen muss, das kann ein hartes Brot sein.
In Anlehnung an den Fall Gäfgen:
Anders als der Angeklagte im Film wurde Markus Gäfgen zu lebenslanger Haft verurteilt. Das hatte einen konkreten Grund. Gäfgen hatte im Gerichtssaal nach einer ausdrücklichen Belehrung darüber, dass sein ursprüngliches Geständnis nicht verwertbar sei, aus freien Stücken noch einmal gestanden. Dieses Geständnis durfte das Gericht dann verwerten. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Den zweiten Teil habe ich nur zum Teil gesehen. Meine Frau hat mir hinterher von dem Freispruch des Angeklagten berichtet, und dass schließlich der "Zeuge" zum Angeklagten wurde.
Bei vielen Gerichtsprozessen gibt es die Möglichkeit der Revision in einer höheren Instanz. Denn so, wie der Prozess ausgegangen ist, muss man sich nicht wundern, wenn bei den Betroffenen und den Zuschauern dieser Fernsehsendung ein starkes Gefühl der Unzufriedenheit und der "Ungerechtigkeit" bleibt.
Das war wohl auch beabsichtigt.
jacaré4
Ein brisantes Thema sehr gut umgesetzt in einen TV-Film, den jeder sicher mindestens einen Tag danach noch innerlich beschäftigt. Sowas gibts ja in der großen Auswahl von Krimis nicht mehr, die auch keine Botschaft haben.
Ich fand diesen Film aus beiden Perspektiven (des ermittelnden Polizeibeamten und des Verteidigers des mutmasslichen Entführers) sehr, sehr gut und auch spannend. Der Inhalt wird mir noch lange durch den Kopf gehen, zumal alles auf einer wahren Begebenheit beruht. Nur, dass damals bei dem entführen Bankierssohn der Ermittler nicht gefoltert hatte und der Angeklagte lebenslänglich bekam (und übrigens auch Jurastudent war).
Nur weil Ferdinand von Schirach das Thema gebracht hat, sah ich mir den Film an und ich alle Filme von ihm kenne.
Dass Folter eines Gefangenen verwerflich ist, wird klar sein, das war auch sehr krass dargestellt. Es gibt sicher in der Realität andere Foltermethoden, die sich nicht nachweisen lassen. Mit einem guten Anwalt erst recht nicht. Man könnte diese Geschichte noch weiterspinnen, dann wird es noch schwieriger mit dem Thema Gerechtigkeit. Vielleicht macht ja Schirach noch was draus. Ich bin gespannt.
Man sieht aber an so einem Film, wenn man sich auf ihn einlässt, sehr gut ,dass Emotionen und Gefühle in der Rechtssprechung keine Rolle spielen (dürfen), sondern nur das Recht, das auf Gesetzen beruht, die sich demokratische, rechtsstaatliche Gesellschaften selbst erarbeiten und geben.
Was wäre das z.B. für ein Rechtsstaat, wenn Folter evtl. unter medizinischer Aufsich legitim wäre, d.h., wenn man einen Finger abhakt und dann noch einen usw. und der Arzt die Wunde verbindet.
Ausserdem bleibt ja immer die Tatsache bestehen, dass ein Gefolterter irgendwann alles "gestehen" wird, das der Folterknecht hören möchte - dies also auch kein garantierter Weg zur Wahrheit ist.
Ich schätze Herrn von Schirach auch sehr und kenne alle seine Bücher und viele seiner Aussagen. Etwas humorig gesagt, ist er für mich allmählich ein "Ein-Mann-Ethik-Rat" im deutschen Fernsehen: zuletzt wurden die Themenkomplexe Terror, Sterbehilfe und Folter aufwühlend bearbeitet. Bin auch gespannt ,was er als Nächstes in diesem Stil plant. Olga
. . allmählich ein "Ein-Mann-Ethik-Rat" im deutschen FernsehenIn die Gefahr, mehr und mehr weiter in eine solche Rolle hinein zu wachsen und darauf festgelegt zu werden, gerät er tatsächlich.
Im Fall Magnus Gäfgen gab es im weiteren Verlauf noch mehreren Gerichtsverfahren.
Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Magnus Gäfgen
@olga64 -
kann Deinem Beitrag nur zupflichten. Themen, die Herr Schirach für das TV einbringt, brodeln doch schon sehr lange in unserer Gesellschaft, besonders wenn es um Gerechtigkeit geht in der Gerichtbarkeit. Mir hat der Film etwas gebracht, dass man solche Vorkommnisse immer mit Distanz betrachten muss. Nicht dass ich das nicht täte, aber wenn Emotionen einer Vorkommnis meinerseits dazu kommen, wird es immer schwierig bleiben. Solche Gewissenskonflikte wie im Film wollte ich nicht täglich bewältigen müssen. Normalerweise sind Juristen geschult darin, wie man damit umgeht. Genau da können sie froh sein, sich nach den Gesetzen halten zu können - zu müssen. Schirach - Einethikrat, da ist was dran...
sorry, etwas kurz, mein Laptop kann zurzeit nicht mehr hergeben.
Gruß Lorena
Ich kann iHnen nicht zustimmen, dass der "Anwalt" bei der Zeugenbefragung denselben "nöigte". Da haben Sie vermutlich missverstanden, dass es die Augabe eines Anwaltes ist, zum Gunsten seines Mandaten einen Zeugen intensiv zu befragen, um die Wahrheit herauszufinden. Denn, auch Zeugen lügen!
Ich habe gestern Abend nach alternativen Programmen gesucht, habe dann später doch dieses spannende Gerichtsverfahren gesehen, hauptsächlich die Befragung durch den Verteidiger. Es war schon interessant zu verfolgen, wie der Anwalt den Zeugen zu Antworten nötigte, die dieser wider seine Überzeugung, geben musste und sich dabei selber immer mehr in Schwierigkeiten brachte.
jacaré4
Der Zuschauer wusste es ja besser: dieser ermittelnde Beamte hatte gefoltert und den Gefolterten dann auch noch drohend aufgefordert, darüber nie zu sprechen.
Bei der Befragung durch den Anwalt log der BEamte dann so lange, bis er für sich keinen Ausweg mehr fand und die Wahrheit gestand (die der Zuschauer und natürlich auch der Angeklagte wusste und dieser seinem Anwalt schon mitteilte).
Da der Zeuge auch vor der Befragung vom Gericht aufgeklärt wurde, dass er die Wahrheit zu sagen habe, weil er sonst mit entsprechenden Strafen zu rechnen hat, war ihm dies alles bekannt - da brauchte es keinerlei "Nötigung durch einen Anwalt".
ES gehört zum Handwerkszeug eines guten Anwaltes, zielsichere und gute Fragen zu stellen, denn die Prozessordnung in einem Rechtsstaat sieht vor, dass ein Anwalt fragt, selbst aber keine Fragen des Zeugen beantworten muss.
Was Sie mit "wider seine Überzeugung" meinen, kann ich nur so interpretieren, dass dieser Beamte Folter als legitimes Mittel seiner Arbeit ansah - und genau deshalb war er am falschen Platz in seiner Berufsausübung in einem Rechtsstaat, wo Folter verboten ist. Olga
Vielen Dank, Lorena für Ihre Antwort.
Ich bin ja seit sehr vielen Jahren mit einem Juristen liiert und wir sprechen natürlich oft über diesen Fachbereich (und auch ausführlich über diesen Film, der uns beide aufgewühlt hatte). Uns war auch der reale Fall des Bankierssohn bekannt, wo der ermittelnde Beamte ja Folter "nur" angedroht hatte und der Täter lebenslang ins Geängnis musste.
Ich persönlch finde mit den Einblicken, die ich in die Juristerei habe, diese sehr, sehr spannend, auch deshalb, weil sachliche Kriterien angewandt werden müssen und eben nicht Urteile auf Gefühlsbasis erfolgen. Damit wurde schon zu Nazizeiten grosses Unheil angerichet als der damalige Richter Freisler,der so viele in den Tod schickte, die sich der Naziherrschaft nicht beugen wollten, keifend und brüllend seine Verhandlungen abhielt und eben nicht das Gegengewicht eines Anwaltes hier zum Gunsten eines Mandanten mitwirken konnte. Olga