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Fernsehen und Film Tod nach Abschiebung - Wadim

mane
mane
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Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von mane


Hier ist eine bemerkenswerte Dokumation, die mich sehr berührt hat.
Es ist die Geschicht einer Familie, die 1992 nach Deutschland kommt. Sie gehörte zum russischem Bevölkerungsteil Lettlands und fühlte sich nach der Unabhängigkeit des Landes chancenlos. Der Sohn Wadim war zu der Zeit 6Jahre alt.
Der Asylantrag wird 1995 abgelehnt und Lettland weigert sich jahrelang, die Familie wieder aufzunehmen und in Hamburg droht die Abschiebung. 2005 stehen mitten in der Nacht Mitarbeiter der Ausländerbehörde vor der Tür. Der Vater wehrt sich und kommt in Abschiebehaft, die Mutter schneidet sich die Pulsadern auf und wird in die Psychiatrie eingewiesen. Der mittlerweile 18jährige Wadim wird in ein Flugzeug nach Riga gesetzt, wo er in ein Obdachlosenasyl abgeschoben wird.
Wadim hält es dort nicht aus und reist immer wieder illegal nach Deutschland ein, Seine Eltern haben mittlerweile eine Aufenthaltsgenehmigung, doch Wadim wird erneut abgeschoben. 2010 nimmt er sich aus Verzweiflung in Hamburg das Leben.
Mane
Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf mane vom 16.01.2016, 15:00:03
Den Film, liebe Mane, habe ich heute zufällig auch gesehen und er hat mich etwas irritiert.
Der Asylantrag ist nach drei Jahren abgelehnt worden. Die Eltern klagen das unmenschliche System hier in Deutschland an.
Vielleicht nicht ganz zu Unrecht.
Aber was ich bei den Eltern vermißt habe, das ist die Eigenverantwortung und die Verantwortung ihren Kindern gegenüber.
Sie haben sich weder um Sprache bemüht, um ihre Kinder auf eine evtl. Rückkehr vorzubereiten, noch darum, nachdem der Antrag abgelehnt wurde, um einen Aufenthalt in einem anderen Land, wo sie hätten für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen können.
Erstmal ein schlechtes Vorbild für die Kinder und dann auch dem deutschen Sozialsystem gegenüber etwas unfair.
Ich denke, man kann nicht nur fordern und die deutsche Gesellschaft für etwas verantwortlich machen, was nicht in ihrer Verantwortung liegt.
Kein Wort des Bedauerns über eigenes Versagen, das kam mir mehr als merkwürdig vor.
Selbstverständlich habe ich Mitleid mit diesen beiden Kindern.
Aber in erster Linie - soweit irgendwie möglich - tragen doch die Eltern eine Verantwortung, die gegebenen Umstände zu akzeptieren und ihren Kindern so eine große Enttäuschung zu ersparen.
Was die Eltern von Beruf waren - ob sie überhaupt einen hatten - hat man auch nicht erfahren.
Bei der schon lange voraussehbaren Abschiebung sich mit einer abgebrochenen Flasche die Pulsadern aufzuschneiden, empfinde ich erpresserisch . Und so den Sohn allein nach Lettland zurückgehen zu lassen, in ein Land, dessen Sprache die Eltern ihm nicht beigebracht haben, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Es ist ja auch ungeklärt, ob nicht eine genetische Disposition, eventuell eine Depression oder anderes, mit zu dem Suizid führte.
Nun wird die restliche Familie über Jahrzehnte von Deutschland alimentiert und hat nur Vorwürfe (?).
Nein, ich habe Mitleid mit den Kindern, aber nicht mit den Eltern.

Vielleicht hört sich das hart an, aber ich denke, es ist auch eine Frage der eigenen Position. Ist man relativ wohlhabend, hat man eine andere Sicht auf die Dinge als wenn man selbst auch immer relativ wenig Geld hatte und so wie ich, mehr als vierzig Jahre lang als Alleinerziehende Vollzeit gearbeitet, seinen Kindern das Studium finanziert, sich selbst wenig gönnen konnte und brav seine Steuern gezahlt hat.

Gruß von Elbstromerin
chocolat
chocolat
Mitglied

Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von chocolat
Samstag-Nachmittag.
Draußen ist es kalt und schneit. Alle Arbeiten sind erledigt und gemütlich auf dem Sofa sitzend, das Laptop mit dabei, registriere ich mich im ST. Einfach ein bisschen Freizeit genießen.
Schaue durch die Foren und entdecke dabei die Einstellung des Films "Tod nach Abschiebung".
Schaue in den Film hinein und. . . . bleibe still sitzen, während dieser Film läuft.
Ein Kaleidoskop von Eindrücken und Gefühlen - und tausend Gedanken, die erst einmal sortiert werden müssen.

Erster spontaner Gedanke: DANKE - für das Einstellen des Films.

Zweiter Gedanke: Ende des Films - Wadims Bruder wird sinngemäß zitiert, dass die Menschen den Film sehen und wieder in ihr Alltagsgeschäft zurückkehren.
Ja, vielleicht.
Vielleicht aber auch - angesichts der aktuellen Situation in unserem Land - fangen Menschen gerade durch einen solchen Film an,sensibler zu werden.
Nicht mehr nur schwarz/weiß zu sehen, sondern sich auf andere Möglichkeiten zu besinnen und neue Lösungen zu finden.
Lösungen im Sinne der Menschlichkeit - und nicht nach von wem auch immer gemachten Gesetzen - und nur, um diese Gesetze unreflektiert umzusetzen.

Diese Geschichte hat tief berührt und mich wird sie noch ein Weilchen beschäftigen. . . .

DANKE!

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mane
mane
Mitglied

Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von mane
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 16.01.2016, 18:45:26
Hallo Elbstromerin,

es ist sicher so, dass jeder eine Geschichte unterschiedlich bewertet, je nach eigener Situation und Geschichte. Ich kann verstehen, wenn man wie Du, kein einfaches Leben hatte und sich trotzdem durchgekämpft hat, nicht einsehen mag, wenn andere, wie es erscheint, wenig Einsatz zeigen.

Diese Familie aus Lettland gehörte dort einer russischen Minderheit an und sind in dem Land unerwünscht. Ebenso ergeht es ihnen in Deutschland, wo sie nur geduldet werden.
Ich habe schon den Eindruck, dass diese Familie sich integrieren will, die Behörden lassen dies, unter Berufung auf die gesetzlichen Bestimmungen nicht zu. Den Eltern ist es nicht erlaubt arbeiten zu gehen und sie müssen damit leben, jederzeit abgeschoben zu werden, was sie zunehmend krank macht. Die Duldung gilt immer nur kurz, so dass sie fast jede Woche um Verlängerung zum Amt müssen.
Auch die Versuche in ein anderes Land auszureisen, um woanders arbeiten zu können, wird ihnen nicht gewährt. Ihre Staatsangehörigkeit ist ungeklärt, da ihre russischen Pässe nicht mehr gültig sind. Trotz mehrerer Anfragen stellt ihnen kein Staat neue Papiere aus. Hast Du das anders verstanden?

Ich habe nicht nur Mitgefühl mit den Kindern, sondern auch mit den Eltern und empfand es quälend ihre Verzweiflung mitanzusehen.
In Gesprächen mit Lehrern und Sozialarbeitern berichtet der Film vom Integrationswillen der Familie, die jeden Tag mit ihrer Abschiebung rechnen musste.
Trotzdem wurden sie von den Sicherheitskräften überrascht und wehrten sich gegen die Abschiebung. Besonders tragisch war dies für Wadim - ich weiß nicht, ob die Eltern in diesem Moment überhaupt fähig waren, ihm zu helfen. Sie haben, neben Depressionen noch andere schwerwiegende Erkrankungen, was dazu führte, dass sie später Aufenthaltsgenehmigungen bekamen.
Gruß Mane
rehse
rehse
Mitglied

Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von rehse
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 16.01.2016, 18:45:26
Danke für Deinen Beitrag.
Gruß rehse
Karl
Karl
Administrator

Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von Karl
als Antwort auf mane vom 17.01.2016, 18:24:46
Diese Familie aus Lettland gehörte dort einer russischen Minderheit an und sind in dem Land unerwünscht. Ebenso ergeht es ihnen in Deutschland, wo sie nur geduldet werden.
Ich habe schon den Eindruck, dass diese Familie sich integrieren will, die Behörden lassen dies, unter Berufung auf die gesetzlichen Bestimmungen nicht zu. Den Eltern ist es nicht erlaubt arbeiten zu gehen und sie müssen damit leben, jederzeit abgeschoben zu werden, was sie zunehmend krank macht. Die Duldung gilt immer nur kurz, so dass sie fast jede Woche um Verlängerung zum Amt müssen.
geschrieben von mane
Liebe Mane,

wir haben dies seit den 90er Jahren am Beispiel einer befreundeten Familie aus Georgien (sie) und Aserbaidschan/Bergkarabach (er) erlebt, mit der wir auch schon gemeinsam Amtsgänge gemacht haben. Beide Kinder sind in Deutschland geboren und gehen hier zur Schule. Unter dem jahrelangen Verbot arbeiten zu dürfen und der Drohung eventuell bald abgeschoben zu werden, haben die Eltern extrem gelitten, was auf Kinder abfärben muss. Als die Oma aus Georgien einmal zu Besuch war, haben wir für die Kosten bürgen müssen, weil ihr sonst die Einreise nicht genehmigt worden wäre. Wegen der anhaltenden Spannungen in der Bergkarabachregion wurde die Duldung immer wieder verlängert.

Karl

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olga64
olga64
Mitglied

Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von olga64
als Antwort auf chocolat vom 16.01.2016, 19:36:09
Dieser Film lief schon vor einiger Zeit spätabends im TV - ich habe ihn auch gesehen und tagelang darüber nachgedacht. Jeder Flüchtling, der zu uns kommt - sei es aus Kriegsgründen oder weil er sich und seinen Kindern den Hunger und die Armut nicht länger zumuten möchte, ist ein Einzelschicksal. DAs wird oft vergessen, wenn geifernd und hasserfüllt "über die Flüchtlinge" und ihre masslosen Ansprüche (und auch VErbrechen) gesprochen wird. Es sind Menschen. Olga
mane
mane
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Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von mane
als Antwort auf chocolat vom 16.01.2016, 19:36:09
Liebe chocolat,

die Dokumentation ist zu Recht mehrfach ausgezeichnet worden und ich freue mich, dass Du sie Dir angeschaut hast. Sie hinterfragt unser starres Aufenthaltsrecht und die Bürokratie, in der der Einzelne wenig zählt. Es stehen Menschen und ihre Schicksale dahinter und der Film
schafft es, sich annähernd in deren Lage zu versetzen. Wenn man Menschen plötzlich gewaltsam aus ihrem Leben herausreißt, wie Wadim, der alleine mit 18 Jahren in ein Land abschiebt, ohne Sprachkenntnisse, welches ihn nicht als Staatsbürger anerkennt.
Das Tragische ich auch, dass bereits gut integrierte Kinder von Asylbewerbern in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, die sie gar nicht mehr kennen. Sie waren noch zu klein, als ihre Eltern mit ihnen geflüchtet waren

Auf der anderen Seite - der Leiter der Ausländerbehörde:
"Wir haben zu vollziehen. Wir dürfen die Drecksarbeit machen. Die anderen lehnen sich zurück. So ist die Arbeitsteilung, seit vielen Jahren und daran ändert kein Politiker der Welt irgendwas."
Da ist auch was Wahres dran.

Mane
mane
mane
Mitglied

Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von mane
als Antwort auf Karl vom 17.01.2016, 20:12:57

Liebe Mane,
wir haben dies seit den 90er Jahren am Beispiel einer befreundeten Familie aus Georgien (sie) und Aserbaidschan/Bergkarabach (er) erlebt, mit der wir auch schon gemeinsam Amtsgänge gemacht haben. Beide Kinder sind in Deutschland geboren und gehen hier zur Schule. Unter dem jahrelangen Verbot arbeiten zu dürfen und der Drohung eventuell bald abgeschoben zu werden, haben die Eltern extrem gelitten, was auf Kinder abfärben muss. Als die Oma aus Georgien einmal zu Besuch war, haben wir für die Kosten bürgen müssen, weil ihr sonst die Einreise nicht genehmigt worden wäre. Wegen der anhaltenden Spannungen in der Bergkarabachregion wurde die Duldung immer wieder verlängert.
Karl
geschrieben von karl


Hallo Karl,

mittlerweile ist es für geduldete, gut integrierte Menschen einfacher in Deutschland zu bleiben.
Nach der Neuordnung des Ausweisungsrechts ist auch das Bleiberecht reformiert worden. Nach acht Jahren der Duldung wird mittlerweile ein Bleiberecht gewährt. Für Familien mit minderjährigen Kindern gilt das bereits nach sechs Jahren. Voraussetzungen sind, dass der Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist, mündliche Deutschkenntnisse vorhanden sind und die Personen nicht straffällig geworden sind.

Auch die Möglichkeiten für einen legalen Aufenthalt gut integrierter jugendlicher Ausländer sollen erweitert werden. Dafür wird das Bleiberecht für jugendliche und heranwachsende Geduldete nochmals gelockert: Schon bei vier (bisher sechs) Jahren Voraufenthalt und in der Regel vier Jahren erfolgreichen Schulbesuchs in Deutschland bestehen künftig gute Aussichten auf ein Bleiberecht. Besonders integrationsfähigen jungen Menschen wird die Bundesregierung so besser gerecht.
geschrieben von Bundesministerium des Inneren

Aufenthaltsrecht
Gruß Mane
olga64
olga64
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Re: Tod nach Abschiebung - Wadim
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 18.01.2016, 19:45:24
Den Kommentar des Leiters der Ausländerbehörde finde ich schon ziemlich grenzwertig: keiner hat ihn gezwungen, diesen Job auszuüben - er hat sich vermutlich hochgearbeitet vom früheren Sachbearbeiter. Wenn solche Menschen mit so einer Einstellung dort arbeiten, kann man sich einiges ausmalen.
Das Gleiche trifft ja auch auf MitarbeiterInnen der Job-Center zu. Sie haben in der BEvölkerung aufgrund der Thematik ihrer Tätigkeitsbereiche nicht viele Fans - aber die Entscheidung, den Job auszuüben, fällt jeder Einzelne. Wenn es dann doch nicht seiner inneren Kraft und Einstellung entspricht, wäre es besser, wenn diese Leute die Stellen freimachten für andere, die dies anders sehen. Olga

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