Forum Gesundheit und Fitness Gesundheit Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)

Gesundheit Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)

Karl
Karl
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Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von Karl

Das Arzneimittel "Zolgensma" ist das teuerste der Welt. Eine Dosis Zolgensma kostet mehr als 2.000.000 US-$. 

Zolgensma hilft bei der spinalen Muskelatrophie (SMA), die etwa ein Neugeborenes unter 10000 betrifft. Die Krankheit ist tödlich, wenn sie unbehandelt bleibt. Sie wird durch ein einziges verändertes Gen namens SMN1 ausgelöst. Dieses Gen produziert ein für Motoneurone lebenswichtiges Protein. Ohne dieses arbeiten Motoneurone im Rückenmark, die die Muskeln innervieren, nicht richtig. Daraufhin degenerieren die Muskeln (Muskelschwund).

Eine Zolgensma-Spritze befördert nun über ein virales Shuttle (eine Genfähre) das gesunde SMN1 Gen in die Körperzellen ein. Das modifizierte Virus integriert sich in das Genom der Zellen (auch in die Motoneurone) und "heilt" diese dauerhaft. Deshalb soll eine einzige Spritze hinreichend sein, um einen betroffenen Säugling dauerhaft zu heilen.

Es gibt aber auch eine alternative Therapie, nämlich Spinraza. Das ist ein Wirkstoff (er basiert auf der antisense RNA-Technologie) der Firma Biogen, der auf ein weiteres Gen wirkt, SMN2, welches das gleiche Protein herstellt wie SMN1, normalerweise aber nicht in genügender Menge. Das Mittel Spinraza stimuliert SMN2 und erhöht so die Konzentration des notwendigen Proteins zum Überleben der Motoneurone. Auch Spinraza ist nicht billig. Die Behandlung kostet 750.000 $ im ersten Jahr und 375.000 $ in den Folgejahren (Quelle), so dass langfristig Zolgensma sogar Kosten sparen sollte, wenn es nur einmalig gegeben werden muss.

Die Verlosung des teuren Mittels durch Novartis ist umstritten. Ist dies in euren Augen nur ein Werbegag, um Gentherapie salonfähig zu machen, oder ein ethisch positiv zu bewertendes Verhalten, das auch armen Menschen eine Chance gibt?

Übrigens in Deutschland ist das Mittel noch nicht zugelassen, aber sollten deutsche Kinder an der Verlosung teilnehmen, wird es keine Sanktionen geben.

Karl
 

olga64
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RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von olga64
als Antwort auf Karl vom 04.02.2020, 18:54:26

Die Südd. Zeitung brachte vor kurzem einen langen Artikel über diese Angelegenheit. Geschildert wurde der Fall einer verzweifelten Familie mit einem Kind, das schwer krank ist und wo die Eltern hofften, mit diesem Medikament Hilfe zu bekommen.
Sie sammelten dann auch mehr als 1 Mio Euro über Crowdfunding; aber auch die Krankenversicherung bezahlte letztendlich und die Eltern spenden nun das eingesammelte Geld.
Zu Spinraza wurde geschildert, dass die Spritzen mehrfach gesetzt werden müssen und auch starke Nebenwirkungen hätten.
Die Eltern versuchen alles, um ihrem Kind helfen zu können, wissen aber auch, dass das Medikament von Novartis noch zu wenig ausgetestet ist, um irgendeine Garantie zu geben.
Ich finde auch den Aspekt nachdenkenswert, dass grosse Pharma-Unternehmen wie Novartis die nötigen Langzeit-Tests und Studien auf die Patienten verlagern und sich somit, insbesondere bei diesen sehr seltenen Krankheiten diese SChritte (und Kosten) sparen. Aber wenn es hilft oder helfen sollte - wird es immer ein Segen und Gewinn sein, oder? Olga

Via
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RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von Via
als Antwort auf Karl vom 04.02.2020, 18:54:26

AveXis hat im Oktober 2018 die Zulassung von Zolgensma in den USA beantragt, eine Entscheidung wird für Mai 2019 erwartet. In Europa steht ein Antrag auf Zulassung noch aus.

Kurz nach der US-Zulassung wurde bekannt, dass Wissenschaftler Daten aus Tierversuchen manipuliert hatten. Novartis hatte den Herstellungsprozess von Zolgensma verändert, und die Versuche sollten den Vergleich beider Produkte ermöglichen. Laut der US-Arzneimittelbehörde hat diese Manipulation aber keine Auswirkungen auf die Sicherheit und die Wirksamkeit des zugelassenen Medikaments 

Quelle: 7 N. Pagliarulo, Novartis used manipulated data in winning Zolgensma approval, FDA says, BioPharmaDive, 6. August 2019 (Link)

Hat einen unschönen Beigeschmack.

Bei knapp 800.000 Geburten in Deutschland pro Jahr kommen rein statistisch 80 Fälle vor, das entspräche Kosten von 160 Mio €. Wäre das nicht irgendwie anders finanzierbar in einem Land mit einem Bruttosozialprodukt von ca. 3,7 Billionen US-$?

Die Krankenkassen gehören auch nicht zu den ärmsten Vereinen.

Eine Verlosung ist nach meinem Gefühl so ziemlich das Grausamste, was veranstaltet werden könnte. Ich stelle mir die immense Hoffnung und die abgrundtiefe Enttäuschung der betroffenen Eltern vor.

Eine Lotterie um Leben und Tod - darf es so etwas überhaupt geben?

VG - Via

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dutchweepee
dutchweepee
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RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf Via vom 04.02.2020, 19:39:13

Kapitalismus ist niemals schön -- schon gar nicht Big Pharma.

Klara39
Klara39
Mitglied

RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von Klara39
als Antwort auf Via vom 04.02.2020, 19:39:13
Dazu fällt mir nur der Spruch ein: "Weil du arm bist, musst du früher sterben"!
Ich finde, bei der Lebensrettung dürfte es nicht um Gewinn gehen, wobei
ich nicht weiß, wie teuer die Herstellung dieser Einmal-Dosis für Novartis ist.
Ich bin der gleichen Meinung wie Via.
Klara
olga64
olga64
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RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von olga64
als Antwort auf Via vom 04.02.2020, 19:39:13
 
Die Krankenkassen gehören auch nicht zu den ärmsten Vereinen.

Eine Verlosung ist nach meinem Gefühl so ziemlich das Grausamste, was veranstaltet werden könnte. Ich stelle mir die immense Hoffnung und die abgrundtiefe Enttäuschung der betroffenen Eltern vor.

Eine Lotterie um Leben und Tod - darf es so etwas überhaupt geben?

VG - Via
geschrieben von Via
Ich sehe Krankenkassen nicht als Vereine oder auf der Ebene eines Zusammenschlusses von Hasenzüchtern o.ä. Es ist eine Solidargemeinschaft von Menschen in welche einbezahlt wird und wovon Entnahmen erfolgen, wenn sie von Kranken benötigt werden. Wie soll das auch anders gehen? Keine "Vereine" und jeder zahlt für sich selbst, was dann bedeutet, dass die meisten (also die Armen) keinerlei Zugang zu Medizin haben?
Ob es so etwas überhaupt geben kann? WEr soll es denn verbieten? WEr soll - auch wenn es "nur" 80 Fälle sind - diesen verzweifelten Eltern ihre letzte Hoffnung nehmen? Würden Sie sich das zutrauen und könnten Sie damit gewissenstechnisch jemals fertigwerden? Olga

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olga64
olga64
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RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von olga64
als Antwort auf Klara39 vom 04.02.2020, 19:47:49

Wäre es dann Ihr Wunsch ,dass solche Firrmen geschlossen werden? Dass parallel dazu auch die kostenintensive Forschung für neue innovative Medikamente gestoppt wird? Oder wie stellen Sie sich das vor (unabhängig vom verbrecherischen Kapitalismus an sich.....).
Soll das dann auch ausgedehnt werden auf teure Chemotherapien bei Krebskranken, die in den nächsten Jahren mit steigenden Raten zu rechnen haben? Olga

Karl
Karl
Administrator

RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von Karl
als Antwort auf dutchweepee vom 04.02.2020, 19:42:39

@dutchweepee,

dass es Medikamente gibt, die helfen können, verdanken wir aber "big pharma".

Ich sehe die Verlosung allerdings auch vor allem als einen Werbegag an. Letztlich wird es Novartis darum gehen, auch in Europa die Gentherapie populär zu machen.

Karl


P.S..: @Klara39

Die Herstellung des gentechnischen Mittels dürfte Hunderte von Millionen gekostet haben - vor allem, weil es noch keine Routine, sondern Neuland ist.

Via
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RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von Via
als Antwort auf olga64 vom 04.02.2020, 19:47:54

Ich sehe Krankenkassen nicht als Vereine oder auf der Ebene eines Zusammenschlusses von Hasenzüchtern o.ä. Es ist eine Solidargemeinschaft von Menschen in welche einbezahlt wird und wovon Entnahmen erfolgen, wenn sie von Kranken benötigt werden. Wie soll das auch anders gehen? Keine "Vereine" und jeder zahlt für sich selbst, was dann bedeutet, dass die meisten (also die Armen) keinerlei Zugang zu Medizin haben?
Ob es so etwas überhaupt geben kann? WEr soll es denn verbieten? WEr soll - auch wenn es "nur" 80 Fälle sind - diesen verzweifelten Eltern ihre letzte Hoffnung nehmen? Würden Sie sich das zutrauen und könnten Sie damit gewissenstechnisch jemals fertigwerden? Olga

"Verein" im übertragenen Sinne, das ist doch wohl offensichtlich!

Und diese "letzte Hoffnung der verzweifelten Eltern" wird den Verlierer dieser Lotterie – und das sind die meisten – eben dadurch genommen.
Via
 
 
olga64
olga64
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RE: Novartis verlost 100 Gentherapie-Spritzen für spinale Muskelatrophie (SMA)
geschrieben von olga64
als Antwort auf Karl vom 04.02.2020, 19:51:47

Wenn es bei diesen seltenen Krankheiten nur sehr wenige Patienten gibt, würde dies im Umkehrschluss bedeuten ,dass "Big Pharma" hier keinerlei forschungstechnische Anstrengungen unternimmt und diese kranken Patienten von vornherein zum Tode verurteilt sind, bzw. zu einem qualvollen, kurzen Leben.
Als die Bayer AG Aspirin erfand und sich dies zum weltweiten Massenartikel ausweitete mit vielen, verschiedenen Anwendungsbereichen, amortisierten sich die Kosten sehr schnell.
Bei seltenen Krankheiten dürfte eine Amortisation nie erfolgen; aber die Erforschung bringt meist auch weitergehende Aspekte mit Auswirkungen für andere Krankheiten usw.
Aber es ist auch kein Wunder, dass solche Innovationen von weitreichender Bedeutung eigentlich nur noch in den USA oder China entwickelt werden (und mittlerweile sogar noch produziert werden)  - und m.W. schon lange nicht mehr in Deutschland. Auch die Bayer AG ist hier nicht mehr so führend wie zu Zeiten von Aspirin. Olga


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