Innenpolitik Arm aber sexy: Das neue Berliner Millionengrab Stadtschloss

Doch, der Wahnsinn hat Methode ! Wo einst in Berlin der Kaiser residerte, soll nun in einem neu erbauten Stadtschloss ein Haus für die Kunst entstehen. Für die Rekonstruktion des Schlosses stellt der Haushaltsausschuss des Bundestages rund 590 Mio Euro zur Verfügung, 478 Mio kommen vom Bund , 32 Mio vom Land Berlin und mit 80 Mio Euro Spenden für die Fassade wird zusätzlich gerechnet. Ebenfalls durch Privatspenden sollen Kuppel und Innenportale finanziert werden.
Aber bereits der Spendenplan weist Lücken auf. Niemand von den Verantwortlichen kann bis heute sagen, ob diese Spenden überhaupt eintreffen, sicher scheint aber zu sein, dass es längst nicht bei den veranschlagten Kosten bleiben wird. Wie beim Flughafenfiasko scheint auch beim Stadtschlossbau wieder gemauschelt, vertuscht und Unfähigkeit verschleiert, was dann wieder vom Steuerzahler "ausgebügelt" werden darf.

Das kokette Wortspiel des Berliner Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit " arm aber sexy" kann aber nicht vertuschen, wie es tatsächlich im restlichen Land aussieht. Wo marode Straßen und Brücken, Schulen mit unhaltbaren Zuständen, fehlende Kitaplätze, Billiglöhne etc. vorherrschen, ist so ein Schritt "in die "kaiserliche Vergangenheit" verantwortungslos und kaum zu verstehen. Um nicht missverstanden zu werden: Kultur in allen Bereichen verdienen Förderung und Platz- auch für die fernere Zukunft.
Aber muss dafür der Pomp des "alten Kaisers Wilhelm" wieder aufleben? Oder ist Karneval mit dem Liedchen "Wer soll das bezahlen..?" angesagt?

Bundespräsident Gauck hatte nun wenigstens bei der Grundsteinlegung Grund zur strahlenden Freude und nannte das Bauwerk einen "Ort der Weltkulturen".

Aber die selbsternannten Bauherren zeigen schon jetzt, dass sie in jeder Hinsicht unfähig sind- sei es mit ihren großartigen, in den Sand gesetzten Baustellen oder mit ihrem politischen Gewissen.

Luchs

Zwei Drittel der Deutschen sind laut Forsa gegen diesen Unsinn.

Warum wird er dann gebaut?

Weil zwei Drittel der Deutschen nicht zählen.
Es wird doch immer über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden.
Nur wenns ans bezahlen geht sind sie gefragt.

Die Kosten werden sich mindestens verdreifachen, das kennt man ja schon.

" Kultur in allen Bereichen verdienen Förderung und Platz- auch für die fernere Zukunft.
Aber muss dafür der Pomp des "alten Kaisers Wilhelm" wieder aufleben?"

Die Innenausstattung und Nutzung des Schlosses hat ja nun mit "Pomp des "alten Kaisers Wilhelm" nichts zu tun.
Es wird ein Ort der europäischen und außereuropäischen Künste und Kulturen sowie der Wissenschaften werden. Und das im Zentrum von Berlin. Quasi eine Ergänzung der prall gefüllten Gebäude der Museumsinsel.
Dazu gehören als Schwerpunkt Ausstellungen, die die Arbeit Humbolds verdeutlichen.
Untergebracht werden große Teile des Ethnologischen Museums mit den Künsten und der Volkskunde Afrikas, der beiden Amerikas und Ozeaniens und das Museum für Asiatische Kunst. Die Ausstellungsstücke gehören zum Weltkulturerbe. Sie kommen damit ins Zentrum Berlins (Teile davon waren bisher - wenig besucht - in Dahlem 16 Km v. Mitte entfernt.
Große Teile der wissenschaftlichen Sammlungen Humbolds, die bisher in Kellern der Humbold-Uni lagerten werden aufgearbeitet und ausgestellt.

Es ist also überhaupt kein Schritt in die kaiserliche Vergangenheit, sondern ein Schritt das Kulturerbe weiter im Zentrum der Stadt zu etablieren.
Alle Großstädte Europas (siehe Paris, London) haben diese Konzentration seit Jahrzehnten und niemand käme auf den Gedanken, sich darüber aufzuregen, sondern finden das völlig richtig.
Dass deutschlandweite Umfragen zum Berliner Schloss das v. dutchweepee angedeutete Ergebnis bringen, wundert mich nicht.

Es ist zu hoffen, dass die finanziellen Planungen bei diesem Großprojekt eingehalten werden.

Gegen den Bau eines der Bundeshauptstadt Berlin adäquaten Kunsthauses haben sicher die wenigstens etwas einzuwenden. Was auf Widerstand und bei der Bevölkerung auf Unverständnis stößt, sind die drei Barockfassaden. Hier müssen u.a. rund 3000 Einelstücke mühsam rekonstruiert und nachgebaut werden, von anderem (teuren) Schnickschnack ganz abgesehen.

Löwenköpfe, Wappen,Säulenkapitelle etc. aus der wilhelminischen Zeit als Fassadenschmuck sind nicht nur arbeitstechnisch enorm, sondern auch finanziell. Eine moderne und schlichtere Bauweise, die evtl. auch als ein späteres Zeugnis der heutigen Zeit gelten könnte, wäre auf weniger Widerstand gestoßen und wäre in einem übersichtlicheren finanziellen Rahmen geblieben.

"Zeitzeugen" in Form von Schlössern hat Deutschland wahrhaftig genug.

Und offensichtlich wollen jetzt vor den Wahlen auch die Politiker nicht unbedingt im Zusammenhang mit dem Stadtschloss in Erscheinung treten, den entsprechenden Wahlkandidaten ist offenbar nicht sehr wohl bei dem Gedanken, zu eng mit den Finanzierungskosten verbunden zu werden.

Luchs

Wenn dieser protzige Kasten dann doch wenigstens eine Augenweide wäre.

Du hast völlig Recht, Luchs, Zeitzeugen in Form von geschmacklosen Protzes haben wir genug.

Dass Thierse so vehement für diesen Kasten gekämpft hat, kann ich mir nur mit der Verachtung für die ehem. DDR-Regierung erklären, denn ansonsten ist er doch ein eher besonnener Politiker, oder irre ich mich.

Sogar die Berliner selbst sind mehrheitlich gegen eine Neuauflage.

Wer soll diese verbohrten Politiker eigentlich noch verstehen?

Pippa

Die Bedeutung dieses Schlosses ist ja doch ein wenig größer, als nur das Domizil eines Kaisers Wilhelm, wie hier nachzulesen ist.

Es geht beim Wiederaufbau auch nicht um Kleinkleckersdorf, sondern um "unsere" Hauptstadt, die sicher dadurch noch schöner wird, als sie ohnehin schon ist! Den vorgesehenen Zweck finde ich gut.
Wenn sich Hamburg eine der Milliarde-Euro nähernde Konzerthalle als Neubau "leistet", gibt es für ein geschichtsträchtiges Bauwerk auch Gründe des Wiederaufbaus. An anderer Stelle könnte ja eingespart werden, Beispiele sind reichlich vorhanden.

Clara

Und wie woanders eingespart wird, Clara! Ich habe es erwähnt.

Denk an die Milliardenlöcher nicht nur der Hamburger Philharmonie, auch Flughafenkatastrophe Berlin, ebenso Bahnhof Stuttgart - alles war "gründlich geplant und finanziert" und wurde buchstäblich zu Fässern ohne Boden.

Und sonst fehlt überall das Geld. Deutschland "zerbröselt" langsam, aber bei solchen Prachtsideen darf der Geldmangel nicht stören. Wozu hat man denn Steuerzahler?

Aus Deinem Link hast Du sicher auch dieses entnommen :

Unmittelbar vor der Grundsteinlegung im Juni 2013 berichtete Der Spiegel unter Berufung auf interne Unterlagen des Bundesbauministeriums, dass der Haushaltsausschuss das Ministerium bereits im Oktober 2012 ermächtigt habe, bei noch fehlenden Spenden die barocke Fassade auf öffentlichen Mitteln vorzufinanzieren, obwohl die vollständige Finanzierung der rekonstruierten Fassaden durch Spenden zuvor noch Voraussetzung für die Finanzierung durch den Bund gewesen war .
Von den notwendigen 80 Millionen Euro waren bis Anfang Juni 2013 rund 10,4 Millionen Euro als Spenden eingegangen

Mit solchen Hinweisen begannen auch die anderen versenkten Finanzierungspläne.

Luchs

Luchs und Pippa,

außer Zustimmung zu euch fällt mir nix ein.
Wie sagt doch immer so schön eine Freundin von mir: Wat weg iss, iss weg.

Aber nein, die Wiederauferstehung wird dann demnächst mit viel erlesenen Gästen und Laudatoren und Hoch-leben gefeiert.

Na ja, Berlin hat's ja. Ist ja bekanntlich die reichste Stadt der Welt, Und die BRD hat's ja auch. Ist ja angeblich das reiche Land der EU. Wir bezahlen gern mit unseren Steuern (zum Glück nicht mehr mit meinen) auch noch für diesen Statusprotz, auch wenn er angeblich kein Prunk und Protz sein soll.
Und wo Millionen für einen Flughafen oder eine Elbphilharmonie versenkt werden dürfen, darf ja wohl auch noch was für ein Schlösschen übrig sein.
Auf die paar Mark, äh, Euronen soll es nun auch nicht mehr ankommen.

Wir versaufen unser Omma ihr klein Häuschen.
Oder: Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben. Tätertätä! Dschingderassabum!

Luchs,

ich gebe zu, dass ich historische Gebäude gern erhalten sehe. Gerade beim Berliner Stadtschloss, das durch Beschluss der SED gegen den Willen der Bevölkerung abgetragen wurde, tendiere ich zum Wiederaufbau. Es war damals eine Willkürmaßnahme, die auf keinerlei Proteste Rücksicht nahm.

Natürlich weiß ich, dass Geld an allen Ecken und Enden für soziale und andere wichtige Zwecke fehlt, vielmehr nicht dafür verwendet wird. Es wäre in der reichen BRD nämlich möglich, wenn z. B. an Militärausgaben gespart würde oder eine Reichensteuer für die wirklich Reichen eingeführt würde (Bravo, Partei Die Linke!). Beides könnte sich die BRD leisten: Soziale Ungerechtigkeit lindern oder beseitigen und Kulturgüter erhalten!

Clara