Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie

Innenpolitik Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie

Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ingo vom 30.08.2010, 16:53:57
Ich hatte sorella so verstanden, dass Arbeitsagentur/Jobcenter diese Einarbeitung finanziell unterstützen sollte. Korrekt, sorella?



nein Ingo, so hatte ich es nicht dargestellt und bin auch nicht dieser Ansicht,
da ich Langzeitarbeitslosigkeit für ein gesellschaftliches Problem halte,
an dessen Lösungsversuchen sich durchaus auch neue Arbeitgeber (vor allem im Hinblick auf eine zu erwartende Zukunft der immer weniger vorhandenen Fachkräfte!) beteiligen sollten.

Olga,
da ich Betriebsleiterin bin, stellt sich mir nicht in erster Linie die Frage nach der Sichtweise als Kollegin.
In zweiter Linie jedoch kann ich berichten, dass unsere Mitarbeiter sehr bereitwillig sind bei der Unterstützung neuer Kollegen, die Eingewöhnungsprobleme haben.

Wir sind ein Betrieb, der seit ca. 3 Jahren Arbeitslose ab 50 bei der Stellenbesetzung bevorzugt.
Da sich dies inzwischen bis zur ARGE herumgesprochen hat (obwohl wir nicht übers Jobcenter Stellen ausschreiben), bewerben sich bei uns überdurchschnittlich viele (auch Langszeit-)arbeitslose dieser Altersgruppe.

Ich könnte nun seitenlang über unsere Erfahrungen in diesem Zusammenhang berichten - möchte mich aber darauf beschränken nur kurz den wesentlichen Aspekt anzureißen:

Wie schon erwähnt wird die Wiedereingewöhnung in den Berufsalltag häufig unterschätzt.
Das mag auch daran liegen, dass Produktionsbetriebe (wie wir es sind) immer härteren Leistungsanforderungen ausgesetzt sind, um einen Betrieb wirtschaftlich erhalten zu können.

Diesen Leistungsanforderungen können Mitarbeiter, die schrittweise tagtäglich fortgebildet und steigend gefordert werden, besser standhalten, als jemand, der (meistens) seinen Arbeitsplatz verlor, weil er in einer Firma arbeitete, in der wirtschaftliche Produktion nicht (mehr) gelang und die aus diesem Grunde entweder Mitarbeiter abbaute oder gänzlich in die Insolvenz verschwand.

Es geht nicht nur darum, neue Programmversionen zu beherrschen, sondern vor allem auch, diese Werkzeuge immer effizienter einzusetzen (und hier liegen in der Regel die größten Defizite).

Wir nehmen die gebotenen finanziellen Leistungen der ARGE in der Regel nicht in Anspruch (dafür haben wir unsere eigenen Gründe).
Wir schalten stattdessen ein 1- bis 2wöchiges Praktikum vor die Einstellungsentscheidung, in dem ich die Bewerber im Wesentlichen mit verschiedenen Aufgaben auf ihre Flexibilität und Lernfähigkeit hin teste.

Die Erfahrung zeigt, dass anschließend ca. 1/2 Jahr benötigt wird, bis der neue Mitarbeiter die volle nötige Leistungsfähigkeit erreichen kann (Konzentrationsfähigkeit, Kondition, Arbeitseinteilung, Arbeitstechniken, fachliches KnowHow und Einarbeitung in firmeninterne Workflows).
Jeder Mitarbeiter bekommt jedoch von Anfang an das volle Gehalt.
Defizite bei den ersten 3 Punkten in der Klammer oben sind das Resultat längerer Arbeitslosigkeit. Zu einem hohen Prozentsatz natürlich auch Mängel bei Arbeitstechnik und fachlichem KnowHow.

Wir können unsere Leistungsanforderungen aus den angesprochenen wirtschaftlichen Gründen nicht herunterschrauben, aber wir geben den eingestellten Mitarbeitern jede uns mögliche Hilfe und Unterstützung, das notwendige Niveau zu erreichen.

Eine ganze Reihe von länger Arbeitslosen kommen speziell aufgrund der Folgen ihrer Depressionsproblematik nicht durch das Praktikum. Da wir keine therapeutische Einrichtung sind, kann ich dies nur als eine der Ursachen feststellen, aber nicht ändern. Mitleid kann für uns kein Einstellungskriterium sein, da letztendlich die Arbeitsplätze aller Mitarbeiter gefährdet sind, wenn unsere Firma nicht funktioniert.


Sorella






arno
arno
Mitglied

Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 30.08.2010, 22:08:01
Hallo, sorella,

...da ich Langzeitarbeitslosigkeit für ein gesellschaftliches Problem halte,...
geschrieben von sorella


ich halte die Langzeitarbeitslosigkeit auch für
ein seit Jahrzehnten bestehendes gesellschaftliches
Problem, welches politisch schnellstens angegangen
werden sollte.

Die Wirtschaft kann dieses Problem nicht lösen!

Es ist ein gutes Recht der Unternehmen, wenn diese
sich aus dem riesigen Heer der Langzeitarbeitslosen
die brauchbarsten herauspicken.

Viele Grüße
arno
Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf arno vom 31.08.2010, 11:47:04


arno, deine Ansicht kann ich nicht teilen.

So kann nur denken, wer Gesamtzusammenhänge zugunsten von Einzelinteressen negiert.

Der Ruf nach der "politischen" Lösung heißt im allgemeinen, persönliche Mitverantwortung zu verweigern.

Es sind nicht die großen Lösungen, die weiterbringen, sondern das Engagement kleiner Gruppen,
die Werte in einer Gesellschaft verschieben (sowohl im positiven als auch im negativen).

Arbeitsplätze werden von Klein- und Mittelständischen Betrieben geschaffen,
während Großkonzerne nach wie vor Arbeitsplätze abbauen.

Unsere Politiker sind Marionetten der Wirtschaft -
von da ist keine Lösung zu erwarten.

Auch sehe ich eine Gesellschaft, die nur noch das Recht des Stärksten gelten lässt, als soziale Bankrotterklärung.
Dein Statement in dieser Hinsicht ist mir aus diesem Grunde zu undifferenziert.

Sorella



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Felide1
Felide1
Mitglied

Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von Felide1
als Antwort auf arno vom 31.08.2010, 11:47:04
Arno,
Du schreibst:
es ist ein gutes Recht der Unternehmen, wenn diese sich aus dem riesigen Heer der Langzeitarbeitslosen die Brauchbarsten herauspicken.

Wenn dies nur so wäre.

Ich finde ein Langzeitarbeitsloser mit Qualifikation bekommt gar keine Chance, vorgezogen werden Menschen mit Vitamin B(bei uns heißt dies Protektion) und Billigarbeitskräfte, Arbeiter die sich für einen Tinnef viel gefallen lassen.

Bei genaueren hinschauen immer wieder im täglichen Verlauf zu sehen.

LG Felide
arno
arno
Mitglied

Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 31.08.2010, 13:01:22
Hallo, sorella,

was Du als persönliche Mitverantwortung bezeichnest ist
der reine Eigennutz.
Der Mittelstand profitiert vom Heer der Arbeitslosen
ungemein und will auch, dass die Situation so bleibt
und nicht verändert wird.
Der Mittelstand sucht sich aus einem immer größer werdenden Fundus die Besten aus, und bezahlt sie nach
Gutdünken!

Es ist schon ein sehr schlimmes Zeichen, wenn Du unsere
Politiker als Marionetten der Wirtschaft bezeichnest.

Und genau das, was Du als Fakt ansiehst, muß dringend geändert werden!

Die Politiker müssen die Arbeitsorganisation so verändern, dass die Zunahme der Langzeitarbeitslosen verschwindet.

Viele Grüße
arno
arno
arno
Mitglied

Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von arno
als Antwort auf Felide1 vom 31.08.2010, 13:14:49
Hallo, felide1,

den Unternehmen geht es nur um die Rendite.
Die Beschäftigten sind Mittel zum Zweck und beliebig
austauschbar. Es gibt ja genug!
Leiharbeit, Zeitverträge, Bagatellkündigungen, Abbau der
betrieblichen Sozialleistungen, Abhör- und Schnüffelaktionen, usw, usw. sprechen eine klare Sprache!
Es ist so wie Du schreibst.
Ohne Beziehungen hat man schlechte Karten als Langzeitarbeitsloser und auch als Arbeitsloser!

Viele Grüße
arno


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Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf arno vom 31.08.2010, 13:37:12


Arno, du siehst die Dinge sehr pauschalisiert.

Ich habe dir unten anhand unserer Firma (die kein Einzelfall ist) beschrieben,
dass "der Mittelstand" nicht einfach über einen Kamm geschoren werden kann.

Es ist jedoch vollkommen uninteressant, auf der Basis von Stammtischparolen
solch ernste Dinge zu diskutieren,
deshalb möchte ich mich zu deinen Statements nicht weiter äußern.

Sorella

arno
arno
Mitglied

Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 31.08.2010, 14:04:03
Hallo, sorella,

zu Deinen ständig über das Fernsehen verbreiteten
Parolen der Lobbyisten des Mittelstandes möchte ich micht auch nicht mehr äußern.
Ich kann sie nicht mehr hören!

Viele Grüße
arno
olga64
olga64
Mitglied

Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von olga64
als Antwort auf arno vom 31.08.2010, 13:45:26
[quote=arno]Hallo, felide1,

[/indent]den Unternehmen geht es nur um die Rendite.

Ohne Beziehungen hat man schlechte Karten als Langzeitarbeitsloser und auch als Arbeitsloser![indent]



Es ist richtig, dass die Unternehmen keine Sozialeinrichtungen des deutschen Staates sind, sondern ihre Arbeitsplätze nur dann sichern können, wenn sie Geld verdienen. Wenn es sich um Aktiengesellschaften handelt, sind sie ihren Anlegern gegenüber (Aktionäre) verpflichtet, da diese einen return of invest sehen wollen (auch verständlich, oder - auch diese sind keine Sozialarbeiter).
Wenn dies nicht so gehandhabt wird, ergeht es Ländern wie der Ex-DDR - sie gehen Pleite.
Und ein Arbeitsloser braucht weniger Beziehungen denn eine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung, ein hohes Mass an Flexibilität und Mobilität und den lebenslangen Willen, zu lernen. Dass sich dies noch immer nicht rumgesprochen hat bei den Älteren (für die es ja auch nicht mehr wichtig ist). Olga
arno
arno
Mitglied

Re: Das angenehme Leben der Arbeitslosen....die Marienthaler Studie
geschrieben von arno
als Antwort auf olga64 vom 31.08.2010, 15:23:54
Hallo, olga64,

da läuftst Du bei mir öffene Türen ein.

Ich bin dagegen, dass die Wirtschaft glaubt,
- wie sorella schreibt - soziale Probleme
lösen zu können. Die Politiker dürfen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden.

Alte Arbeitnehmer und auch Langzeitarbeitslose
sind für jeden Betriebsprozeß ein Auslaufmodell,
ein Fossil. Die Weiterbildung dieser Menschen liegt nicht im Focus der Betriebe.
Flexibilität, Mobilität, usw. sind doch nur Schlagworte
ohne Inhalt für Ausgrenzungen!
Alte Menschen sind immer mehr im sozialen Bereich eingebunden als junge. Denke mal an die Pflege von Angehörigen, usw..

Sozialpolitische Probleme hat die Politik zu lösen und nicht der Mittelstand.

Viele Grüße
arno


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