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Innenpolitik Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems

Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf ehemaligesMitglied24 vom 24.06.2016, 09:38:30
Hallo,

Und es liegt daran, dass es im Schulsystem um die Zurichtung der Zöglinge auf Herrschaftsverhältnisse geht.
geschrieben von dooscastle


Ich bin mir da gar nicht so sicher. Mit Sicherheit war das mal so, aber ich habe eigentlich manchmal den Eindruck als wäre hier unser derzeitiges Schulsystem zu einer Art "Selbstläufer" geworden. So nach dem Motto: ich habs überlebt und aus mir ist was geworden also wird das für unsere Kinder nicht anders sein...

Und das Schulsystem wirklich (!) zu reformieren, das wäre ein unglaublicher Kraftakt, zu betoniert und zu eingefahren ist das. Da haben wir vielleicht andere Probleme, denken wir zumindest?

- Einer deiner Lehrer schlug "nur Jungen": Beiläufige Einübung der Geschlechterrollen (dem Schläger womöglich gar nicht klar).
geschrieben von dooscastle

Nun ja, das ist ja jetzt auch schon 45 Jahre her, von daher würde ich dem nicht mehr so grosse Bedeutung zumessen. Dieser Lehrer (der übrigens "eigentlich" pensioniert war, nur unsere Klasse übernommen hatte wegen Lehrermangels während der geburtenstarken Jahrgänge) war eigentlich ein wunderbarer Lehrer (dem ich auch "nur" diese Jungenschlägerei vorwerfen kann), er hat auch Mädchen sehr gefördert, ich weiss noch, wie er mir ganz begeistert ausmalte ich würde bestimmt einmal Bürgermeisterin meiner Stadt, so schlau wie ich sei .
Das war damals doch ziemlich unwahrscheinlich, muss ich mal sagen. Aber für ihn im Rahmen des "möglichen" obwohl ich ein Mädchen war...

Das "Asi"- Viertel inklusive des letzten Satzes: Die Asozialen waren diese Lehrer, die (bewusst oder nicht: das bleibt sich gleich!) mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bei "ihren" Zöglingen ein Gefühl von Zweitklassigkeit (gepaart mit einem Schuldgefühl) implantiert haben.
geschrieben von dooscastle


Nein, das war an der Grundschule nicht so. Wir kamen ja alle aus dem gleichen Viertel. Das war eigentlich ganz OK so, auch der Lehrer wohnte "um die Ecke". Das, was du beschreibst, das habe ich aber genau so später dann am Gymnasium erleben dürfen. Das war so schlimm, dass ich irgendwann tatsächlich meinen Eltern vorgeworfen habe dass sie mich dorthin geschickt hätten - obwohl sie sich doch hätten denken können, dass das unzumutbar sei...
Aber meine Erlebnisse von damals habe ich, denke ich doch, überwunden in der Zwischenzeit - ich glaube das habe ich schon als Schülerin getan (ICH bin tatsächlich zweimal sitzengeblieben und 1,5 Mal von der Schule geflogen, anders als du scheinbar, irgendwie habe ich am Ende aber doch noch ein Abi gemacht...). Dieser letzte Satz war eher ein Witz hier aufs Forum bezogen (meine Tochter würde jetzt wieder mit den Augen rollen und mir vorhalten dass niemand meine Witze versteht - was nicht ganz unwahr ist). Aber er bezog sich auf diesen Thread hier: Thread übers Schimpfen)


Es geht um Herrschaft, anders ist es nicht zu erklären, dass jede Menge wissenschaftlicher Erkenntnisse (in Pädagogik, Psychologie, Hirnforschung ...) in Hochschule und Schulalltag unbeachtet bleiben. Auf der anderen Seite besteht das eben zitierte Grauen unter anderem darin, dass sich Herrschaft und ihre Vorbereitung (besser: Einübung) unter modischer Verkleidung in die Schulen schleicht (wenn sie jemals auch nur ein Stückweit zurückgedrängt war).
geschrieben von dooscastle


Eigentlich neige ich, siehe oben, zu meiner Trägheitstheorie. Aber vielleicht ist da ja was dran. Seit so viele "Unterklassenkinder" auch Abi machen, dass man sich vor lauter Abiturienten und Studierenden aus der Unterschicht kaum mehr retten kann ist ja das Studium deutlich "reformiert" worden (angeblich um die Qualität der Lehre zu verbessern). Wie "verschult" aber diese Bachelor-Studiengänge sind und wie die Kinder da durchgehetzt werden, das sehe ich grade bei meiner Tochter. Ist man, wie sie, auf BAFÖG angewiesen, dann hat man auch gar keine andere Chance als sich da durchhetzen zu lassen. Das bleibt für "kritische" Betätigungen echt keine Zeit mehr (so hat meine Tochter sich über quasi ihre gesammte Schulzeit bei "Greanpeace" engagiert aber hat dazu jetzt einfach keine Zeit mehr...).

Vielleicht hast du und hat auch sittingbull Recht bei euren "grosspolitischeren" Ansätzen.
Wobei ich tatsächlich eigentlich ebenfalls der festen Überzeugung bin dass unsere Welt von den 10% der Menschen mit den 85% des Weltvermögens regiert wird und wir hier alle in Wirklichkeit nur ein bisschen Demokratie spielen dürfen so lange sie uns lassen.
Nur durchblicke ich das, glaube ich, nicht alles - bzw. ich vergesse das bisweilen bei meiner "Draufsicht"...

liebe Grüße
Andrea
ehemaligesMitglied24
ehemaligesMitglied24
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaligesMitglied24
als Antwort auf Elmos vom 25.06.2016, 08:29:27
Hallo Andrea,

ich habe in einem anderen Thread ("Unternehmen Barbarossa") versucht anzureißen, warum wir keine andere Chance haben, als aus dem Widerspruch heraus zu leben. Das ist nix Neues, der alte Voltaire soll als letzte Worte "Im Gegenteil ..." geäußert haben. Man kann dazu Marcuse lesen, aber eigentlich reicht es auch, bei youtube Georg Schramms Auslassungen über "Volksverblödung" und/oder "Wir leben in einem großen Krieg" anzuschauen. Ich habe dass schonmal geschrieben: In dieser Sorte Kabarett verquicken sich sehr gute Recherche und messerscharfe Sprache mit heller Empörung. Schramm zitiert Papst Gregor den Großen: "Die Vernunft kann sich dem Bösen mit größerer Kraft entgegenstemmen, wenn ihr er Zorn dienstbar zur Seite steht!" - Ich glaube in der Tat, dass wir mit Zorn und Verstand Widerstand formulieren müssen.

Zum Schulalltag und der m. E. notwendigen Spurensuche nach Herrschaftsmechanismen: M. Hartmann hat dargelegt ("Der Mythos von den Leistungseliten", dass es für die Karriere förderlicher ist, bei einem Tässchen Tee mit der Gattin des Chefs über Vivaldi parlieren zu können als eine womöglich hervorragende Promotion abgelegt zu haben. Das heißt, dass "herrschende Kreise" nach wie vor einen eigenen Code haben, an dem sie erkennen, wer dazu gehört und wer nicht. Das ist der Trend, Ausnahmen gibt's natürlich.
Dann eins der für mich unbegreiflichsten Phänomene: Die Notengebung.
Du wirst KEINE belastbare pädagogische Begründung für diesen Stuss in der Fachliteratur finden, sondern immer nur das Gegenteil: Zensuren sind ein Selektionsinstrumentarium, das dazu dient, dem Absolventen das System von Aufstieg, "Es geschafft zu haben" (oder eben nicht), Einsicht ins eigene Mittelmaß, von der Existenz einer an Ziffern ablesbaren "Gerechtigkeit" usw., usf. einzuschreiben. Was geade noch fehlt, wäre die Inschrift auf dem Grabstein: "Hier liegt F. L. Sein Leben: 3-"
Ein Drittes, blind aus der Menge der zu nennenden Beispiele gegriffen: SOL. Das ist so eine hochmodern-bunte Verkeidung, unter der HEUTZUTAGE die Gewalt (der Verhältnisse) lustwandelt. "Selbst organisiertes Lernen" Klingt super. Dahinter versteckt sich: Die Kultusbürokratie schreibt nach wie vor vor, WAS gelernt werden soll, die Youngster können sich aussuchen, WIE sie es in die Birne kriegen. Und - schwupps - wieder sind die bevorteiligt, deren Elternhäuser in der Gehaltsstatistik weiter oben angesiedelt sind.
Das ist der eigentliche Grund, warum die wirklich FÜR die Kinder und Jugendlichen gedachten Gedanken (mit Ausnahme Maria Montessoris, aber auch da gäb's Kritik anzubringen) wenig Chancen hatten und haben: W. v. Humboldt, Herbarth, Dewey, Leontev, Holzkamp, um nur einige zu nennen. Deren aufklärerische Pädagogik scheint herrschenden Kreisen Angst zu machen.

Das gibt allerdings Hoffnung.

Heiter bleiben!

Friedhelm
ehemaligesMitglied24
ehemaligesMitglied24
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaligesMitglied24
als Antwort auf Elmos vom 25.06.2016, 08:29:27
Hallo Andrea,

da sich diese Bebatte offenbar dem Ende zuneigt, vielleicht noch eine Bemerkung zu deinem letzten Beitrag. Ich glaube auch, dass eine Revolution des Schulalltags (Reförmchen helfen in der Tat nicht) eine große Kraftanstrengung brauchte. Aber ich denke, sie könnte sich lohnen, aus zwei Gründen:

Die Schülerinnen und Schüler könnten eine sehr große Unterstützergruppe in ihren Eltern und anderen Interessierten haben; denn fast jeder war ja mal in der Schule. Und viele könnten lernen, die richtigen Fragen zu stellen. Das wäre schon ein Wählerpotenzial, das man parteipolitischerseits kaum übersehen könnte.

Und zweitens wäre das eine Investition in die nähere und weitere Zukunft dieser Gesellschaft, in der es ja Menschen gibt, die die SPD für eine Partei halten. Irgendwo habe ich gelesen, dass jeder in die Bildung investierte Euro sich binnen kurzem vervierfacht. Der Haken ist, dass schulische Veränderungen erst mit einer Verzögerung von etwa 7 - 8 Jahren sichtbar werden. Das aber ist länger als eine Legislaturperiode: !!

Nichtsdestoweniger sollten unsere Youngster uns allen die Anstrengung wert sein.

Liebe Grüße

Friedhelm

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Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf ehemaligesMitglied24 vom 06.07.2016, 15:06:59
Hallo Friedhelm,


Die Schülerinnen und Schüler könnten eine sehr große Unterstützergruppe in ihren Eltern und anderen Interessierten haben; denn fast jeder war ja mal in der Schule.
geschrieben von dooscastle


ich fürchte, dass die Schüler/innen kaum in ihren Eltern/Grosseltern/anderen interessierten Erwachsenen Verbündete finden werden.

An der Schule meiner Kinder hatte ich damals sehr häufig das Gefühl, dass die Lehrer (!) die engeren Verbündeten der Kinder waren, die, die darauf vertrauten, dass die Kinder ihr Leben richtig machen würden und alles wichtige lernen würden, wenn man ihnen nur den Raum dazu gibt. Für viele (nicht alle) der Eltern war das eher alles etwas suspekt, auch wenn sie sich "eigentlich" ja nun bewusst (?) für eine freie Schule entschieden hatten.

Und wenn ich noch weiter gehe, und an Erwachsene denke, die ihre Kinder auf Regelschulen schicken/schickten, da habe/hatte ich eigentlich den Eindruck, als sei das noch extremer. Ich glaube den Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder in bilingualen Kindergärten "gefördert" werden (meine Kinder waren in so einem "Elterninitivativ-Kindergarten" und schon dort schienen die Erzieher die einzigen zu sein die wussten wie wichtig freie, selbstbestimmte Beschäftigung der Kinder ist).
Sie sind stolz, wenn sich ihre Kinder durch Eliteschulen quälen, später dann Elite-Unis besuchen und überhaupt "Elite", nach dem herkömmlichen Drillsystem sind.

Jedenfalls ist das mein Eindruck, und auch wenn diese eine ausgepreiste Grundschule ein grosser Lichtblick ist, so hat auch sie nicht deswegen den Preis bekommen, weil die Kinder dort frei über ihr Leben entscheiden können, sondern weil die "Leistung stimmt".

Von daher...

...glaube ich persönlich ganz ehrlich, dass dies Träume von "Alt-68ern" sind, die wir da hegen. Auch wenn ich kein 68er bin, und erst Recht nicht alt, du wahrscheinlich auch nicht. Aber die Zeiten in denen Eltern sich zusammenschlossen um freie Schulen und alternative Kindertagesstätten zu gründen, die scheinen mir vorbei zu sein. Das ist nicht "der Trend".

Etwas hoffnungsvoll stimmt mich, dass mein Sohn, meine Tochter, deren Freunde und Freundinnen das anders sehen (obwohl sie schon fertig sind mit der Schule) und es für sie wichtig ist. Aber natürlich kennen sie alle das aus eigener Anschauung.

Liebe Grüße
Andrea
ehemaligesMitglied24
ehemaligesMitglied24
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaligesMitglied24
als Antwort auf Elmos vom 06.07.2016, 20:44:27
Hallo Andrea,
ich würde (als alter Blochianer) lieber von Utopien sprechen.

Und: Wir haben kein Recht auf Pessimismus!

Dooscastle
olga64
olga64
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von olga64
als Antwort auf Elmos vom 06.07.2016, 20:44:27
Ich lese das mit Interesse, was Ihr hier fachsimpelt. Aber jetzt auch noch die "68er" ins Rennen zu führen, die längst ihre hochdotierte Beamtenpension kassieren? Passt dies wirklich?
Die Reformschulen (wie z.B. die früher renommierte Odenwald-Schule) haben spätestens dann ihr Ende herbeigeführt, als herauskam,dass dort jahrelang Kinder sexuell von Reformpädagogen missbraucht wurden.
Wenn heutige Eltern ihre Kinder bilingual erziehen lassen wollen, ist dies nur vernünftig. Auch Internate sind ein guter WEg, wenn die Eltern beruflich stark eingespannt sind und ihre Kinder nicht verwahrlosen lassen wollen.
Wir haben am Ort ein gutes Internat (das man sich natürlich leisten können muss). Dort gehen die Kinder oft schon in der 3. Generation in die Schule. Es gibt hervorragende Lehrkräfte, liegt am See mit eigenem Bootsanleger, eigenem Fussball- und Tennisplatz, hoher sportlicher Focus. Die Kinder machen nicht den Eindruck als würden sie leiden. Sie integrieren sich seit längerer Zeit auch in die Flüchtlingsproblematik und machen mit diesen Sport oder organisieren Feste.
Man kann mit Sicherheit nur etwas beurteilen, das man kennt, das trifft auch für sog. Eliteschulen zu; aber auch für die Montessori und Waldorf-Pädagogik. Es gibt viele Möglichkeiten für Eltern, heute für Kinder etwas Passendes zu suchen und zu finden. Olga

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Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf olga64 vom 07.07.2016, 16:50:22
Hallo Olga,

also hm. Natürlich ist es nett wenn Kinder früh eine Fremdsprache lernen - aber alle Dinge sollten ihre Zeit haben. Wenn ein Kind zu Hause, weil seine Eltern verschiedene Muttersprachen haben, gleich verschiedene Sprachen lernt: wunderbar. Aber wozu sollen sie im Kindergarten Englischunterricht bekommen? Wozu grade schneiden üben, wozu auf "Schulfähig" getrimmt werden, stillsitzen üben etc?
Ich bin mir ganz sicher, dass "freies Spielen" die beste Form ist in der ein Kind seine Kindergartenzeit verbringen kann.

Über Internate kann ich nichts sagen, ich persönlich finde es sehr traurig, wenn Eltern so wenig "Rücksicht" darauf nehmen dass sie Kinder haben, dass sie es nicht einrichten können ihre Kinder zu Hause leben zu lassen ohne dass die deswegen der Verwahrlosung anheim fallen. Aber natürlich passt das zu der heutigen Arbeitswelt in der von allen Menschen die im Beruf "vorwärts" kommen möchten erwartet wird dass sie zeitlich und räumlich ziemlich unbegrenzt flexibel sind (natürlich).

Alle Reformschulen als "durchgefallen" anzusehen, weil es in einer zu Missbrauchsfällen kam, das ist Unsinn. Muss ich mal so sagen. Meine Kinder sind beide vollkommen unmissbraucht da durchgegangen. Und du kämest ja auch nicht auf die Idee alle Internate, alle staatlichen Regelschulen, alle christlichen Angebote für Kinder nun pauschal als schlecht zu bezeichnen, nur weil es auch dort natürlich Fälle von Misshandlung und Missbrauch gegeben hat, man muss das nur weit genug fassen...

Friedhelm. OK, wo du Recht hast hast du Recht. Aber mal bei Tageslicht betrachtet, siehst du denn irgendeinen "Hebel"?
Ich bin ja gar nicht vom Fach, daher kann ich mir da kaum vorstellen wo man ansetzen könnte um "allgemein" die Situation der Schüler zu verbessern.

Vielelicht sollte man zuerst mal die Schulpflicht abschaffen
(aber ich gebe zu, da bin ich auch etwas zwiegespalten).

Liebe Grüße
Andrea
ehemaligesMitglied24
ehemaligesMitglied24
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaligesMitglied24
als Antwort auf Elmos vom 07.07.2016, 21:16:28
Hallo Olga,

"gefachsimpelt haben wir erstmal noch kaum, sondern eher einige Grundannahmen resp. -befürchtungen angesprochen. Das hat mit '68 nur am Rande zu tun, weil in der Tat viele aus dem Dunstkreis den wärmenden Ofen vorgezogen haben. Aber es sind doch etliche Menschen unterwegs, die begreifen, warum Schule scheitert: Sie MUSS vom Schüler her gedacht werden. Sie wurde es bislang vom Stoff her und seiner Vermittlung via Nürnberger Trichter. (Ich höre jetzt viele Lehrerinnen und Lehrer aufschreien, weiß aber, wovon ich rede.)

In der Kürze der Zeit (Ich fahre morgen für ein paar Wochen zu Bergsteigen) nur ein paar Thesen:

- Schülerinnen und Schüler (S) brauchen Zeit, kluge Begleitung psychologisch ausgebildeter Lernmoderatoren, um ...

- ... ihre Lernentscheidungen treffen zu können (das kann und muss man lernen, denn sonst bleibt man in der Regel sein Lebtag ein Empfänger von Anordnungen.

- Das Gespräch zwischen Lehrern und Schülern hat auf Augenhöhe zu geschehen, nicht nach dem Motto: Ich frage, du antwortest, dann sage ich, ob's richtig war.

- Das ganze Zensurengedöns ist überflüssig, ja gefährlich: Abschaffen und ...

- ... ersetzen durch Entwicklungsgespräche.

- Der Kanon der Fächer muss revolutioniert werden: Was soll Englisch in der Oberstufe? Wieso sind Bio, Chemie, Physik, Erdkunde VIER verschiedene Fächer? Wieso gibt's überhaupt Haupt- und Nebenfächer?

- Kunst, Musik und Sport gehören ganz nach vorn.

- Auf das Aushandeln von Konflikten (und zwar inhaltlich) ist verstärkt Wert zu legen.

So weit erstmal einige Grundzüge, die die Kinder aus der Kolonie der Erwachsenen befreien helfen könnten. Erst danach, Olga, kämen Überlegungen zur Organisation zum Tragen, Überlegungen, die gemeinsam mit den Fachleuten fürs Lernen, nämlich den Jungen und Mädchen anzustellen wären.

Wenn du diese wenigen Gedanken sine ira et studio mal durchdenkst, siehst du, dass du mit deinem letzten Beitrag an der Oberfläche bleibst, was aber kein Vorwurf ist, weil schon einiges an Mut und Informationen dazu gehört, dem Mainstream zu widerstehen.

Nebenbei: Das sind praktische Erfahrungen, von denen ich hier rede, die ich, weil mich das "Sowas-geht-doch-nicht"-Gerede genervt hat, theoretisch unterfüttert habe.

Liebe Andrea: Es gibt mehr Menschen, die für sowas zu haben sind als man glaubt. Also müsste es funktionieren, Banden zu bilden (Man redet heute von "Vernetzung"). Es gibt viele Fachleute, die gern zu Veranstaltungen kommen und hochinteressante Dinge zum Besten geben. Und wenn man einmal begriffen hat, wo der Hase im Pfeffer liegt, werden Diskussionen zum Selbstläufer. Und schließlich: Die Youngster! Die spüren ja ggfs. den Unterschied am eigenen Leib!

Wenn du Lust hast/ihr Lust habt, lass' uns ein wenig dran bleiben!

Erstmal danke fürs Interesse und viele Anregungen und bis in etwa einer Woche. Vorher habe ich kein Netz.

Liebe Grüße

Friedhelm
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
Hallo,

also erst mal: viel Spass beim wandern, Friedhelm (oder gehabt zu haben, wenn du schon weg bist).

Und dann: ich finde, dass diese ganze Geschichte sehr wohl etwas mit den 68ern zu tun hat. Damals sind doch mit viel Kraftaufwand einige der Dinge, die wir heute gerne für die Kinder hätten, geschaffen worden?
Ich möchte da die Kinderladenbewegung, die ja damals entstand, nennen. Und der meine Kinder noch vor wenigen Jahren einen wunderbaren Kinderladen verdankten. Der aber zunehmend unter Nachwuchssorgen litt(leidet?) einfach, weil es kaum Eltern gibt heute die a) ihre Kinder frei in einer Gruppe anderer Kinder sich entwickeln lassen möchten und b) ausreichend Zeit haben sich dort im gewünschten Masse zu engagieren.

Auch unsere freie Schule hier ist schon Anfang der 80er gegründet worden. OK, das ist ein Jahrzehnt später, aber das war wohl auch deutlich schwieriger als die Gründung eines Kinderladens. Natürlich.

Nun ja, was ich damit eigentlich nur erwähnen wollte, es gibt ja schon Schulen und Kindergärten die "gegen den Strom" schwimmen, und die verdanken wir, meiner Meinung nach, eben den "68'ern". Und komischerweise sind sie, unter den frei denkenden Menschen heute sehr wenig bekannt. Ich bin relativ lange hier regelmässig zu Montags-Friedensdemos gegangen und da waren sehr viele solcher Menschen zusammen. Etliche forderten eben auch, dass man die Kinder anders unterrichten solle. Aber niemand kannte die freien Schulen, und was ich fast noch seltsamer fand, auch nicht die Kinderläden.

So, das war ein kleiner Exkurs, nur zur Erklärung.

Liebe Grüße
Andrea
olga64
olga64
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von olga64
als Antwort auf Elmos vom 07.07.2016, 21:16:28
Keiner muss Kinder in bilinguale Kindergärten schicken, die m.W. ja noch nicht so häufig sind, ganz einfach deshalb, weil es auch die involvierten ErzieherInnen nicht sind. Wichtiger in Kitas ist nach wie vor ,dass dort ausländische Kinder schnellstmöglichst Deutsch lernen.
Aber für Eltern, die dies möchten und die erkennen,dass ihre Kinder später am Arbeitsmarkt keine grosse Chancen haben, wenn sie keine Fremdsprachen sprechen, ist dies sehr wichtig. Immerhin lernen Kinder Fremdsprachen - je jünger sie sind - spielender, weil auch der Prüfungsdruck usw. ja nicht gegeben ist.
Ich finde es in 2016 schon etwas bedenklich, wenn Eltern als rücksichtslos empfunden werden (hier sind wohl die Mütter gemeint), weil sie nicht zu Hause für das Wohl der Kinder sorgen. Da es sehr oft Einzelkinder sind, ist es in jedem Fall sinnvoller, sie in ein Internat zu geben (wenn man sich dieses leisten kann), weil sie dort zusammen mit anderen Kindern auch Sozialverhalten usw. erlernen, was ihnen sonst recht versperrt wäre. Es gibt auch keinerlei empirisches Studien, die belegen, dass "nur" Kinder von Müttern, die zu Hause bleiben, im Leben vorteilhafter sind. Wäre auch seltsam, dann wären ja einige Generationen von DDR-Kindern, die extern erzogen wurden, nicht lebensfähig?
Dieses Rad kann nicht zurückgedreht werden, wenn man nicht riskieren möchte, dass immer weniger Kinder geboren werden, weil Frauen zu Recht keine Veranlassung sehen, dass sie trotz guter Ausbildung zu Hause bleiben sollen. Dies ist auch gesellschaftlich und volkswirtschaftlich wirklich nicht wünschenswert - aus den früheren Fehlern sollte man ja auch lernen, oder?
Auch wenn Kinder nicht im Internat erzogen werden, gibt es heute viele verschiedene Modelle, wo Kinder gut untergebracht sind, damit die Eltern ohne schlechtes Gewissen ihrer Berufstätigkeit nachgehen können. Übrigens das Wort "Rabenmutter" gibt es nur in der deutschen Sprache. Olga

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