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Innenpolitik Hat Popper sich hier geirrt?

fritz_the_cat
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Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von fritz_the_cat
Popper, einer der einflußreichsten Denker unseres Jahrhunderts, hat eine These der Demokratie:
"Ich vertrete also die Ansicht, daß das Wichtigste einer demokratischen Regierungsform darin besteht, daß sie es ermöglicht, die Regierung ohne Blutvergießen abzusetzen, worauf eine neue Regierung die Zügel übernimmt. Es scheint verhältnismäßig unwichtig, wie diese Absetzung zustande kommt...."
Vortrag, gehalten am 9. Juni 1988 in München, abgedruckt in seinem Buch: Alles Leben ist Problemlösen.
Demnach wäre auch die ehemalige DDR eine Demokratie. Oder er hat sich geirrt, was auch bei großen Denkern wohl mal vorkommt, weshalb ich auch kein großes Vertrauen in Leute oder Sachen habe, bevor ich mich damit auseinandergesetzt habe. Was meint ihr dazu?


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fritz_the_cat
Drachenmutter
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von Drachenmutter
als Antwort auf fritz_the_cat vom 28.04.2009, 08:53:19
Ich vertrete also die Ansicht, daß das Wichtigste einer demokratischen Regierungsform darin besteht, daß sie es ermöglicht, die Regierung ohne Blutvergießen abzusetzen, worauf eine neue Regierung die Zügel übernimmt. Es scheint verhältnismäßig unwichtig, wie diese Absetzung zustande kommt

Aus diesem Auszug kann ich nicht entnehmen, dass hier die ehemalige DDR gemeint sein soll. Es ist lediglich die Rede von einer demokratischen Regierungsform. Deine Schlussfolgerung, die ehemalige DDR sei demnach eine Demokratie gewesen, kann ich nicht nachvollziehen, auch wenn sie sich Deutsche Demokratische Republik genannt hat. Es besteht offensichtlich auch die Möglichkeit, eine nichtdemokratische Regierungsform ohne Blutvergießen abzusetzen.

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woelfin
fritz_the_cat
fritz_the_cat
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von fritz_the_cat
als Antwort auf Drachenmutter vom 28.04.2009, 09:09:29


Aus diesem Auszug kann ich nicht entnehmen, dass hier die ehemalige DDR gemeint sein soll. Es ist lediglich die Rede von einer demokratischen Regierungsform. Deine Schlussfolgerung, die ehemalige DDR sei demnach eine Demokratie gewesen, kann ich nicht nachvollziehen, auch wenn sie sich Deutsche Demokratische Republik genannt hat. Es besteht offensichtlich auch die Möglichkeit, eine nichtdemokratische Regierungsform ohne Blutvergießen abzusetzen.
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woelfin
geschrieben von woelfin

Ich glaube auch nicht, daß die DDR gemeint war. Also hat er sich wohl geirrt, was du im letzten Satz auch ausdrückst.

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fritz_the_cat

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hugo
hugo
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von hugo
als Antwort auf Drachenmutter vom 28.04.2009, 09:09:29
hm wölfin,, damit möchte ich auch nicht die Bestätigung für eine vorangegangene Demokratie festmachen wollen.

Beispiele um 1989/90 gibts da ja einige im Ostblock, wo es kaum zu nennenswertem Blutvergießen oder gewaltigen Bürgerkriegen kam, aber zum Umsturz.

das heute vergessen ist, das der westliche Einfluss -dessen Medien usw- es z.T. unpassend fanden und der Berichterstattung (Quote) nicht förderlich, das so wenig Blut floß, ok, da wurde eben tüchtig nachgeholfen,, entweder mit Falschberichterstattung oder direkter Aufwiegelung, ebenfalls durch Falschberichte.

heute ist das ja vergessen und Zum Glück kam es in den meisten ehemaligen Volksrepubliken zu wenig militantem Widerstand der bisherigen Regierungen, sei es aus Überraschung, aus allgemeiner Schwäche, aus Schuldgefühlen heraus mit der Hoffnung auf Freisprechung, oder gar aus Einsicht,,

leider gabs dann ja auch die Jugoslawien Geschichte,,schlimm,schlimm und noch sind nicht alle Messen dauerhaft gesungen.



hugo
pilli
pilli
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von pilli
als Antwort auf Drachenmutter vom 28.04.2009, 09:09:29
oh mann

derart aus dem zusammenhang gerissen und mit meiner düsteren ahnung, dass nicht alle wissen, wer Popper war und watt der verkündet und mit wem über watt gestritten hat; aber dennoch kurz vor seine tode so vieles widerrufen hat...

da scheint es mir, es gibt wieder spässchen im ST, die beiträge zum thema zu lesen!


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pilli

editiert: sorry woelfin, meine antwort galt fritz_the_cat.
fritz_the_cat
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von fritz_the_cat
als Antwort auf pilli vom 28.04.2009, 10:37:43
aber dennoch kurz vor seine tode so vieles widerrufen hat...

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pilli

editiert: sorry woelfin, meine antwort galt fritz_the_cat.

Hallo pilli,
hat er auch das widerrufen? Vielleicht war zu seiner Zeit so etwas einfach nicht möglich.
--
fritz_the_cat

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carlos1
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf fritz_the_cat vom 28.04.2009, 08:53:19
"Das Wichtigste einer demokratischen Regierungsform darin besteht, daß sie es ermöglicht, die Regierung ohne Blutvergießen abzusetzen,...." Popper, zitiert bei fritz

Eine demokratische Regierungsform ist gemeint. Das beinhaltet freie Wahlen in freier unabhängiger (nicht von einer Einheitspartei gelenkten) politischen Willensbildung. Der SED-Parteichef wurde meines Wissens vom Zentralkomitee gewählt. Entschieden wurde über die Kandidatur des Parteisekretärs aber im engsten Führungskreis dem Politbüro. Cliquenwirtschaft, keine Demokratie. Das gültige Prinzip des demokratischen Zentralismus ("Es muss demokraisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben", so Walter Ulbricht) schloss eine demokratische Regierungsablösung von vornherein aus.

Es trifft auch nicht zu, dass die Wende in allen Ostblockstaaten unblutig ablief. In Rumänien kam es zu mehrtägigen schweren Kämpfen zwischen der Securitate (oder so ähnlich) und der Armee und Aufständischen. Ceaucescu und seine Frau wurden nach einem Schellverfahren nach Entdeckung ihres Aufenthaltsortes erschossen.

Staat und Partei sind mehr oder weniger nur eine andere Seite derelben Medaille. Die Entschlüsse fielen ohnehin nicht in der Regierung, sondern in den hchsten Parteigremien (Politbüro).



c.
carlos1
carlos1
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf fritz_the_cat vom 28.04.2009, 08:53:19
Popper ist übrigens ein Denker des letzten Jahrhunderts. Die Ablösung einer Regierung durch eine Wahl in freier Willensbildung ist für ihn ein legitimer revolutionärer Akt. Im übrigen war er Physiker und hat für sich nie beansprucht Prophet zu sein, die Zukunft vorauszusehen.
fritz_the_cat
fritz_the_cat
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von fritz_the_cat
als Antwort auf carlos1 vom 28.04.2009, 22:48:29


Eine demokratische Regierungsform ist gemeint. Das beinhaltet freie Wahlen in freier unabhängiger (nicht von einer Einheitspartei gelenkten) politischen Willensbildung. Der SED-Parteichef wurde meines Wissens vom Zentralkomitee gewählt. Entschieden wurde über die Kandidatur des Parteisekretärs aber im engsten Führungskreis dem Politbüro. Cliquenwirtschaft, keine Demokratie.

Hallo carlos, es ist wirklich schwierig, alles genau zu interpretieren. Ich las daraus, wenn eine Regierung unblutig gestürzt werden kann, daß dann eine demokratische Regierungsform vorliegt (nach Popper), und das bezweifelte ich ja und stellte es zur Diskussion.
Unser Kanzler wird auch von den Abgeordneten gewählt, und wer Kanzlerkandidat wird, wurde auch vorher in den Parteien bestimmt. Da sind gewisse Parallelen, nur daß in der DDR es nur eine Möglichkeit gab. Aber ich sehe hier durch Zwangsheiraten zwischen CDU und SPD, um überhaupt regieren zu können, auch keinen großen Unterschied mehr zwischen den Parteien, sie haben nur andere Namen. In den Sachzwängen sind sie eingezwängt, können durch die Schuldenlast nicht mehr atmen und müssen sich darauf verlassen, was ihre Experten ihnen erklären.

Es trifft auch nicht zu, dass die Wende in allen Ostblockstaaten unblutig ablief. In Rumänien kam es zu mehrtägigen schweren Kämpfen zwischen der Securitate (oder so ähnlich) und der Armee und Aufständischen. Ceaucescu und seine Frau wurden nach einem Schellverfahren nach Entdeckung ihres Aufenthaltsortes erschossen.
c.

Du weitest die Diskussion aus, ich fragte nach der DDR.
--
fritz_the_cat
carlos1
carlos1
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Re: Hat Popper sich hier geirrt?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf fritz_the_cat vom 29.04.2009, 10:00:56
"Ich vertrete also die Ansicht, daß das Wichtigste einer demokratischen Regierungsform darin besteht, daß sie es ermöglicht, die Regierung ohne Blutvergießen abzusetzen, worauf eine neue Regierung die Zügel übernimmt." Popper

Lieber Fritz,
Popper wird als Denker (= Philosoph) von dir zitiert. Als solches wären seine Aussagen also als allgemeingültig zu betrachten. Grundsätzlich, vom philosophischen Standpunkt aus, wäre dazu zu sagen, dass aus einem Sein (z.B. Ablauf historischer Vorgänge) nicht ohne weiteres kein Sollen (eine rechtliche Norm) abgeleitet werden kann.

Popper vertrat auch die Ansicht, dass ein verfassungsgemäßer Regierungswechsel einer durch das Gesetz legitimierten Revolution gleich komme. Die Wende war in der DDR kein Regierungswechsel, sie war in der Verfassung auch nicht als legale Möglichkeit vorgesehen. Sie war vielmehr ein Regimewechsel von größter politischer Tragweite im Gefolge von Veränderungen bei der Führungsmacht des sozialistischen Weltsystems. Sie verlief außerhalb der Legalität, auch wenn sie - glücklicherweise - unblutig ablief.

Selbstverständlich lassen sich die Vorgänge zur Wendezeit aus verschiedenen Aspekten behandeln. Nur den Schluss ("Demnach wäre auch die ehemalige DDR eine Demokratie") der ist falsch. Aus der erwähnenswerten Tatsache, dass die Wende unblutig ablief, kannst du nicht folgern, dass die DDR eine Demokratie war. Die DDR war die Herrschaft einer Einheitspartei. Das demokratische Mäntelchen mit den Blockparteien und Massenorganisationen tut nichts dazu. Der Generalsekretär der SED wurde in geheimer Runde ausgewählt und dem Zentralkomitee vorgeschlagen. Ihm kam mehr Macht zu als dem Regierungschef. Eine Nachfolgeordnung gab es nicht. Kommunistische Generalsekretäre wurden aus dem Hut gezaubert wie bei einem Konklave in Rom bei der Papstwahl. Es durfte immer vorher geraten werden (wer unter wenigen die höchste Weihe erhalten könnte) und hinterher wurde applaudiert. Demokratie sieht anders aus.

Grüße an dich
c.

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