Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Wer kennt noch Rosa Rees?

Innenpolitik Wer kennt noch Rosa Rees?

carlos1
carlos1
Mitglied

Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von carlos1
Der Fall Rosa Rees gewann 1992 besondere Bedeutung im Rentenrecht, weil ihr Fall (sollte man nicht besser ´Schicksal´ sagen?) die Transferausbeutung durch das Rentenrecht veranschaulichte. Ihr Fall lag dem Bundesverfassungsgericht vor(Urteil vom 7.7.1992)

Zunächst der Fall: Frau R., Jahrgang 1920, hat von 1952 bis 1966 zehn Kinder geboren und neun aufgezogen. Ein Kind starb nach der Geburt. Alle übrigren sind mittlerweile in guten und gehobenen Stellungen sozialsversicherungspflichtig beschäftigt (Schreinermeister, Elektroniker, Großhandelskaufmann, Feinmechanikermeister, Betriebswirt, technische Zeichnerin, chemisch-technische Assistentin) und zahlten im Jahre 1992 zusammen rund 8 500 DM moatlich an Rentenbeiträgen. Ihre Mutter, Frau R., erhielt seit dem Oktober 1985 eine Versichertenrente in Höhe von 346,70DM monatlich, basierend auf einer vierzehnjährigen Beschäftigung als Haus- und Küchenhilfe vor ihrer Eheschließung. Hinzu kommen schließlich noch rund 310 DM an Babyjahr-Rente. Alles in allem erhielt sie unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Anpassungen insgesamt eine Rente von rund 700,-DM im Monat.

Die Kinder zahlten Anfang der Neunziger Monat für Monat 7 800 DM mehr auf die Rentenkonten anderer Leute, während ihre Mutter für ihre immense Lebensarbeit ein Alterseinkommen weit unter Sozialhilfeniveau erhielt. In Prozent beträgt die Rente der Mutter nur acht Prozent des Betrags, den ihre Kinder Monat für Monat in den Umlagetopf leisten. 92 Prozent erhalten andere, insbesondere dabei kinderlose Rentner, die auf eine ununterbrochene Versicherungsbiografie zurückblicken können.

Noch schwerwiegender zeigt sich diese Ungleichumverteilung, wenn die jeweiligen Leistungen im Lebensquerschnitt verglichen werden. Die Kinder der Frau R. werden in den Beitragsjahren ca. 3,75 MIO DM Rentenbeiträgen entrichten. Ihre Mutter wird während ihres 14 jährigen statistischen Ruhestandes bis zum staistisch zu erwartenden Ableben im 79. Lebensjahr nur 117600 DM für ihre Lebensarbeitsleistung erhalten: 3 Prozent Lohn für 100 Prozent Lebensarbeitsleistung.

Bezogen auf diesen Fall und diese Situation ließe sich auch ein Gesetz vorstellen, das Familien verpflichtete, Kinderlosen jährlich eine Luxuskreufahrt zu spendieren. Ein Aufschrei wäre die Folge. Es geht hier aber um ein "Umverteilungssystem von äußerster Asozialität" (Jürgen Borchert 1993). Ausgebeutet wurden Mütter und nachwachsende Generationen.

Gilt das heute noch immer oder hat sich Einiges/Wesentliches geändert? Immerhin sind 16 Jahre seitdem vergangen.
c.

Re: Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf carlos1 vom 30.05.2008, 12:25:45
tut mir leid carlos. willst du jetzt eine hetzjagd auf kinderlose menschen loslassen. bedenke dabei bitte aber auch, wieviele davon ungewollt kinderlos sind. werden die anders bewertet ? die beiträge von kinderlosen und ledigen sind doch eh schon höher. die bestrafung ist doch bereits gegeben. sollen sich alle männlein sowie weiblein jetzt untersuchen lassen, ob zeugungs- und/oder gebärfähig sind ?
--
plumpudding
angelottchen
angelottchen
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Re: Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von angelottchen
als Antwort auf carlos1 vom 30.05.2008, 12:25:45
Guten Tag Carlos - ich hätte gerne mal eine Gegenrechnung:
Wie viele kinderlose Leute zB das Kindergeld kinderreicher Familien finanzieren ... die Schulkosten usw ...

Wäre doch auch mal interessant?
--
angelottchen

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senhora
senhora
Mitglied

Re: Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von senhora
als Antwort auf carlos1 vom 30.05.2008, 12:25:45
Im Schnitt erhält ein männlicher Ruheständler in den alten Bundesländern gegenwärtig 817 Euro, in den neuen Ländern 913 Euro. Bei Frauen beträgt die Durchschnittsrente im Westen 411 Euro, im Osten 670 Euro (Berliner Morgenpost).

So gesehen, hat sich nicht viel geändert. Wie auch, bis heute blieben Frauen wegen der Erziehung ihrer Kinder im Westen jahrelang zu Hause oder hatten nur einen Teilzeitjob, Kinderbetreuungsmöglichkeiten waren ja bis vor kurzem verpönt bzw. nicht ausreichend vorhanden.

Kindererziehungszeiten müssten ähnlich berücksichtigt werden, wie Erwerbstätigkeit, vielleicht mit einem statistischen Durchschnittsentgelt, aber ich fürchte, da fehlt die gesellschaftliche Akzeptanz und das Geld.

Bei dem bestehenden Rentenmodell, wo die Beitragszahler grundsätzlich die Rente der gegenwärtigen Rentner bezahlen, wird es „Frau Rees „auch heute überall geben. Nur es regt sich niemand mehr auf.

Das Statistische Bundesamt hat ausgerechnet:
Für das erste Kind geben Familien durchschnittlich 496 Euro im Monat aus, für das zweite 427 und für das dritte 414 Euro. Insgesamt zahlen deutsche Eltern für ihr erstes Kind bis zum 18. Lebensjahr 107 136 Euro.
Ein Wirtschaftsstudium kostet nach Schätzungen der Sparkasse Hamm 30 000 Euro, 45 000 Euro ein Medizinstudium - wenn alles glatt geht und keine Studiengebühren anfallen.

Also Kindererziehung ist auch heute noch kein Modell, welches sich „wirtschaftlich“ rechnet.

Senhora
marianne
marianne
Mitglied

Re: Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von marianne
als Antwort auf carlos1 vom 30.05.2008, 12:25:45
Von dem "Fall Rosa Rees" hatte ich noch nie gehört und danke fürs Reinstellen.

Was ich aber zum damaligen "Babyjahr" weiss:
Weil wir schon 3 Kinder hatten, als der Älteste dreijährig war, bekam ich keine d r e i Jahre... ich erinnere mich nicht mehr genau, wahrscheinlich waren es 2 1/2..Reichtümer waren da nicht anzusammeln.

Marianne
hl
hl
Mitglied

Re: Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von hl
als Antwort auf senhora vom 30.05.2008, 16:24:27
...

Kindererziehungszeiten müssten ähnlich berücksichtigt werden, wie Erwerbstätigkeit, vielleicht mit einem statistischen Durchschnittsentgelt, ..
Senhora


Das wäre eine gerechte Lösung!

--
hl

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carlos1
carlos1
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Re: Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 30.05.2008, 12:35:26
Eine Hetzjagd auf kinderlose Menschen? (Vgl plumpudding-Beitrag). So etwas lag mir ferne. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 7.7.92 darauf verwiesen, dass die Verfassungsbeschwerde zu Recht besteht. Verwiesen wird dabei u.a. auf den § 6 des Grundgesetzes, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Es geht also um den Familienlastenausgleich innerhalb des Systems der sozialen Absicherung und nicht um Hetze gegen Kinderlose, wenn diese Frage diskutiert wird. Die Frage nach einer gerechten Verteilung der vorhandenen Mittel berührt alle. Es geht aber auch um die den Sinn, die Ziele und die Effizienz des gigantischen Umverteilungssystems.

Das Gericht kam damals zum Schluss, dass die damalige Ausgestaltung der Rentenversicherung im Ergebnis zu einer Benachteiligung, namentlich der Familien mit mehreren kindern führt. Die Familie, in der ein Elternteil zugunsten der Kindererziehung aus dem Erwerbsleben ausscheidet, nimmt im Vergleich zu Kinderlosen Einkommenseinbußen hin und muss das gesunkene Einkommen vielmehr auch auf mehrere Köpfe verteilen. Zum Sparen (Vermögensbildung) bleibt wenig oder nichts übrig. An Mehrwertsteuer führen diese Familien prozentual höhere Summen ihres Einkommens ab als Kinderlose oder Familien mit zwei Einkommen oder Ein-Kind-Familien. Treten die Kinder ins Erwerbsleben ein und sichern durch ihre Beiträge die Alterssicherung der Elterngeneration. wird diese auf Grund der Vorbedingungen immer noch eine geringere Rente erhalten als wenn sie nicht Kinder aufgezogen hätten. Im Kern ist es heute noch so, dass Kindererziehung Privatsache, die Alterssicherung dagegen als gesellschaftliche Aufgabe gilt. Stark abgemildert durch höhere Zahlungen an Kindergeld etc., weil das Bundesverfassungsgericht die Besserstellung der Familien forderte. Genügt es heute aber?

"Kinderlasten" sind im Verlauf der letzten 150 Jahre entstanden durch die Einführung der Schulpflicht, die stetige Verlängerung der Arbeitszeit und das Verbot der Kinderarbeit andererseits. Das Proletariereinkommen proles = lateinisch für Nachwuchs), für das die Gewerkschaften sich einsetzten, hatte als Ziel ein Einkommen, das eine vier- bis fünfköpfige Familie ernährte. Nicht nur schulische Ausbildung kostet den Familien Geld, auch ein späteres Studium. Im Durchschnitt muss heute für ein 10- 12 semestriges Studium an einer Uni rd 80 000 bis 90 000 Euro aufgewendet werden.
Eine zweite Entwicklungslinie führte durch die Ausbildung eines umfassenden sozialen Sicherungssystems dazu, dass der Kindernutzen sozialisiert die Kinderlasten jedoch privatisiert wurden.
Die dritte Entwicklungslinie hatte zur Folge, dass diese Effekte immer größere Verteilungsasymmetrien zur Folge hatten, je größer der Anteil der Kinderlosen und Ein-Kindfamilien am Anteil der Gesamtbevölkerung wurde. Auf diese Weise entstehen bei den Kleinfamilien und Kinderlosen -geht man das von dem durch die Gewerkschaften erkämpften Familieneinkommen (s.o.) aus - Einkommensüberhänge, die Familien aus auf allen Marktbereichen verdrängen (z. B. Wohnungsmarkt) und sich bei den lohnzentrierten sozialen Sicherungsystemen bis zum Tode fortsetzen. Die Marktstandards werden in vielen Bereichen immer mehr durch Kinderlsoe gesetzt.
carlos1
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Re: Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 30.05.2008, 12:35:26
Eine Hetzjagd auf kinderlose Menschen? (Vgl plumpudding-Beitrag). So etwas lag mir ferne. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 7.7.92 darauf verwiesen, dass die Verfassungsbeschwerde zu Recht besteht. Verwiesen wird dabei u.a. auf den § 6 des Grundgesetzes, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Es geht also um den Familienlastenausgleich innerhalb des Systems der sozialen Absicherung und nicht um Hetze gegen Kinderlose, wenn diese Frage diskutiert wird. Die Frage nach einer gerechten Verteilung der vorhandenen Mittel berührt alle. Es geht aber auch um die den Sinn, die Ziele und die Effizienz des gigantischen Umverteilungssystems.

Das Gericht kam damals zum Schluss, dass die damalige Ausgestaltung der Rentenversicherung im Ergebnis zu einer Benachteiligung, namentlich der Familien mit mehreren kindern führt. Die Familie, in der ein Elternteil zugunsten der Kindererziehung aus dem Erwerbsleben ausscheidet, nimmt im Vergleich zu Kinderlosen Einkommenseinbußen hin und muss das gesunkene Einkommen vielmehr auch auf mehrere Köpfe verteilen. Zum Sparen (Vermögensbildung) bleibt wenig oder nichts übrig. An Mehrwertsteuer führen diese Familien prozentual höhere Summen ihres Einkommens ab als Kinderlose oder Familien mit zwei Einkommen oder Ein-Kind-Familien. Treten die Kinder ins Erwerbsleben ein und sichern durch ihre Beiträge die Alterssicherung der Elterngeneration. wird diese auf Grund der Vorbedingungen immer noch eine geringere Rente erhalten als wenn sie nicht Kinder aufgezogen hätten. Im Kern ist es heute noch so, dass Kindererziehung Privatsache, die Alterssicherung dagegen als gesellschaftliche Aufgabe gilt. Stark abgemildert durch höhere Zahlungen an Kindergeld etc., weil das Bundesverfassungsgericht die Besserstellung der Familien forderte. Genügt es heute aber?

"Kinderlasten" sind im Verlauf der letzten 150 Jahre entstanden durch die Einführung der Schulpflicht, die stetige Verlängerung der Arbeitszeit und das Verbot der Kinderarbeit andererseits. Das Proletariereinkommen proles = lateinisch für Nachwuchs), für das die Gewerkschaften sich einsetzten, hatte als Ziel ein Einkommen, das eine vier- bis fünfköpfige Familie ernährte. Nicht nur schulische Ausbildung kostet den Familien Geld, auch ein späteres Studium. Im Durchschnitt muss heute für ein 10- 12 semestriges Studium an einer Uni rd 80 000 bis 90 000 Euro aufgewendet werden.
Eine zweite Entwicklungslinie führte durch die Ausbildung eines umfassenden sozialen Sicherungssystems dazu, dass der Kindernutzen sozialisiert die Kinderlasten jedoch privatisiert wurden.
Die dritte Entwicklungslinie hatte zur Folge, dass diese Effekte immer größere Verteilungsasymmetrien zur Folge hatten, je größer der Anteil der Kinderlosen und Ein-Kindfamilien am Anteil der Gesamtbevölkerung wurde. Auf diese Weise entstehen bei den Kleinfamilien und Kinderlosen -geht man das von dem durch die Gewerkschaften erkämpften Familieneinkommen (s.o.) aus - Einkommensüberhänge, die Familien aus auf allen Marktbereichen verdrängen (z. B. Wohnungsmarkt) und sich bei den lohnzentrierten sozialen Sicherungsystemen bis zum Tode fortsetzen. Die Marktstandards werden in vielen Bereichen immer mehr durch Kinderlose gesetzt.


Re: Wer kennt noch Rosa Rees?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf carlos1 vom 31.05.2008, 22:44:57
Die damen und herren des bundesverfassungsgerichtes sind sicherlich um einiges klüger als ich. Ich kann nur in meinem bereich handeln und agieren und das auch nur dann, wenn ich etwas verstehe.

Es hat mich nie gestört, dass ein teil des geldes, das ich erwirtschafte in die solidargemeinschaft fliesst. Aber, ich wehre mich dagegen, dass ich als alleinstehende, kinderlose bestraft werde – und das empfinde ich so in unserer heutigen zeit.

Carlos, du schreibst: Im Kern ist es heute noch so, dass Kindererziehung Privatsache, die Alterssicherung dagegen als gesellschaftliche Aufgabe gilt.

Dies liegt ja wohl zum einen daran, dass sich der staat, dies zu eigen gemacht hat, indem er alle dazu zwingt in die rentenversicherung einzuzahlen, jedenfalls bis zur beitragsmessunsgrenze. Wobei ich auch die alterssicherung als privatsache empfinde. Denn ich zahle immerhin 40 jahre und länger ein und bekomme nur einen bruchteil zurück. Nur dem weitblick meines vaters habe ich es zu verdanken, dass ich für mein alter bereits in früherer zeit begonnen habe, vorzusorgen. Ich beteilige mich also in beiden bereichen und das mein leben lang.

Es kann auch nicht angehen, dass bei scheidung eines paares der mann ausgequetsch wird wie eine zitrone und damit nicht mehr in der lage ist, sein eigenes leben lebenswert zu gestalten oder mehr oder weniger finanziell nicht mehr in der lage ist eine neue familie zu gründen.

Das in der heutigen zeit von eltern nicht mehr das einkommen erwirtschaftet werden kann, dass sie benötigen, ist ein ergebnis unserer zeit und kann nicht zu lasten deren gehen, die einen anderen weg gehen - ob gewollt oder ungewollt.

Das eine thema geht in das andere über und kann nur sehr schwer getrennt werden, daher fällt es mir auch schwer auf die einzelnen punkte einzugehen.


--
plumpudding

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