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Innenpolitik Wir Älteren und die Nazizeit

werderanerin
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von werderanerin
als Antwort auf Der-Waldler vom 20.07.2023, 18:11:23

So ist es, lieber Waldler, er wollte das schreckliche und völlig unnütze Sterben beenden helfen, nicht mehr aber auch nicht weniger. Auch er diente dem System und hatte Mitschuld.

Alles muss man im Konsens sehen, darf sich durch den Namen Stauffenberg nicht verblenden lassen.

Kristine

santos
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von santos
als Antwort auf Der-Waldler vom 20.07.2023, 18:11:23

Waldler, wir dürfen nicht den heutigen Stand mit der Zeit in den Vierzigerjahren vergleichen. Nach dem 2. Weltkrieg haben  sich in Deutschland und in vielen westlichen Ländern rasante Entwicklung vollzogen, die ein Herr von Staufenberg und der Kreisauer Kreis sicher nicht im Blick hatten. Sie wollten dem Morden und dem unsinnigen Krieg ein Ende bereiten. Deutungen darüber, was wer dachte oder versäumt hat sollten wir lieber den Historikern überlassen, denn eigentlich weiß es niemand!

Was die Entwicklung der letzten 78 Jahre anbetrifft, denke man nur an die 68ziger Bewegung, die Reformierung des Familienrechts im Bezug auf die Unabhängigkeit von Frauen. Erst in den 70zigern wurde es Frauen erlaubt ein eigenes Konto zu eröffnen, ohne die Erlaubnis des Mannes zu arbeiten, ganz zu schweigen von Sorgerechts und- Unterhaltsstreitigkeiten, die oft zu Ungunsten der Frauen ausging, die Schuldfrage in Scheidungsprozessen, strafrechtliche Verfolgung von gleichgeschlechtlicher Liebe, Berufsverbote in der Kirche und so weiter 
Santos 
olga64
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von olga64
als Antwort auf santos vom 27.07.2023, 17:11:02
 
Waldler, wir dürfen nicht den heutigen Stand mit der Zeit in den Vierzigerjahren vergleichen.

Santos 
DAs ist etwas missverständlich formuliert: wir können "den heutigen Stand" nicht mit der Zeit der Vierziger-Jahre vergleichen, weil wir damals noch nicht lebten, bzw. Säuglinge waren.
Aber die Zeit ist historisch gut erforscht und auch aufgearbeitet - deshalb können wir die Zeit theoretisch mit diesen Ergebnissen schon vergleichen.
In unserer Altersklasse hatten wir aber auch als junge Menschen das Pech, von unseren unmittelbaren Zeitzeugen, den Eltern und Grosseltern, keine Antwort auf unsere Fragen zu bekommen, welche Rolle die selbst in dieser Zeit spielten - da herrschte ja grosses Schweigen,bzw. vollmundig die Erklärung "man habe von nichts gewusst".
WEnigstens das kann heute bei den Bemühungen der Fascho-Partei AFD und deren evtl. Höhenflügen nicht mehr gesagt werden - das Netz vergisst nichts! Olga

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santos
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von santos
als Antwort auf santos vom 27.07.2023, 17:11:02

Nach allem, was aus Geschichtsseminaren (Uni), Lektüre und Allgemeinwissen her weiß, wollte Stauffenberg EINES sicherlich nicht: Eine Demokratie, die auch nur ansatzweise das bot, was wir uns heute als Minimalvoraussetzung für eine Demokratie vorstellen.

DW

Das war der Satz, auf den ich mich bezog!

Santos

teri
teri
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von teri
als Antwort auf santos vom 27.07.2023, 17:11:02

.........Was die Entwicklung der letzten 78 Jahre anbetrifft, denke man nur an die 68ziger Bewegung, die Reformierung des Familienrechts im Bezug auf die Unabhängigkeit von Frauen. Erst in den 70zigern wurde es Frauen erlaubt ein eigenes Konto zu eröffnen, ohne die Erlaubnis des Mannes zu arbeiten, ganz zu schweigen von Sorgerechts und- Unterhaltsstreitigkeiten, die oft zu Ungunsten der Frauen ausging, die Schuldfrage in Scheidungsprozessen, strafrechtliche Verfolgung von gleichgeschlechtlicher Liebe, Berufsverbote in der Kirche und so weiter 
Santos 

👍 

In letzter Zeit denke ich auch häufig an die 68er, 70iger und 80iger Jahre zurück. Du schreibst richtig, daß in dieser Zeit sehr viele demokratische Anisichten als Gesetz durchgegangen sind. Bis heute werden solche Möglichkeiten erweitert.

Doch in letzter Zeit beginnt sich die Gesellschaft zu teilen. Die AFD, die schon rhetorisch anfängt, für einige Verbote dieser demokratischen Errungenschaften Schranken zu setzen - und die Scheindemokraten, die bereits Denkmuster diktieren.

Wo bleibt unsere erworbene Demokratie mit den verfassungsrechtlichen Inhalten? Kann man in einer Demokratie die Redefreiheit so einschränken, wie es derzeit geschieht?

Die Probleme sind heute enorm.

Ich, als Nachkomme eines ehemaligen KZ Insassen kann nur wiederholen, daß wir diesen Europakrieg nicht mit dem damaligen Hitler-Nazi- Krieg vergleichen können. Mein Vater, der Juden versteckte, kam aus einem wohlhabenden, gesellschaftlich situiertem Haus und wurde deshalb nicht gleich erschossen. Aber man sperrte ihn in´s KZ und folterte in unablässig. Doch er gestand nichts. Überlebt hat er und etliche von ihm versteckte Juden  auch durch die Befreiung (in seinem Fall) der Amerikaner.

Mein Vater war so schwer verletzt, daß er erst nach einem Jahrzehnt nach dem Krieg sein normales Leben wieder aufnehmen konnte. Er heiratete und meine Schwester und ich wurden geboren.

Er half auch bei den Nürnberger Prozessen und veröffentlichte viel. Erst als ich 16 war, zeigte er mir die Unterlagen und wir unterhielten uns darüber - und auch über die gewonnene Demokratie, die wir, wie er meinte, unbedingt verteidigen sollten.

Und - wo stehen wir heute, mein Vater ist bereits tot, ihn kann ich nicht mehr fragen, doch ich glaube, daß unsere Demokratie anfängt zu kippen. Die nicht mehr übersehbaren Klima-Kathastrophen sowie deshalb das vermehrte Flüchtlingspotential beschleunigen noch alles.
Und auch die Kriege.

teri



 
olga64
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von olga64
als Antwort auf teri vom 27.07.2023, 19:20:08

Teri, obwohl ich Ihren Bericht sehr stimmig und interessant finde, verwundert es mich wieder mal sehr,d ass Sie IHR Österreich hier mit keinem Wort erwähnen, sondern sich wieder mal auf Deutschland und die AFD konzentrieren.

In Österreich erklimmt die FPÖ ungeahnte Höhen und es kann gut sein,dass bei den Wahlen im nächsten Jahr dieser unsägliche Herr Kickl der nächste österreichische Präsident wird und dies dann zusammen mit der ÖVP.
Österreich ist zwar ein kleines Land (weniger Einwohner als Bayern), aber dass gerade dort, wo ebenfalls diese Naziverbrechen stattfanden und mit einer FPÖ, wo ein früherer "Führer" in trunkenem Zustande das Land an eine russische Oligarchen-Tochter verscherbeln wollte,d iese Partei so hohe Zustimmungswerte erzielt, finde ich hochdramatisch.
Es schadet also nichts, sich auch mal um das eigene Land zu kümmern und nicht dessen Situation zu verdrängen, zumal wenn man solch familiäre Erinnerungen hat wie Sie. Olga


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teri
teri
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von teri
als Antwort auf olga64 vom 27.07.2023, 19:36:27
Teri, obwohl ich Ihren Bericht sehr stimmig und interessant finde, verwundert es mich wieder mal sehr,d ass Sie IHR Österreich hier mit keinem Wort erwähnen, sondern sich wieder mal auf Deutschland und die AFD konzentrieren.

In Österreich erklimmt die FPÖ ungeahnte Höhen und es kann gut sein,dass bei den Wahlen im nächsten Jahr dieser unsägliche Herr Kickl der nächste österreichische Präsident wird und dies dann zusammen mit der ÖVP.
Österreich ist zwar ein kleines Land (weniger Einwohner als Bayern), aber dass gerade dort, wo ebenfalls diese Naziverbrechen stattfanden und mit einer FPÖ, wo ein früherer "Führer" in trunkenem Zustande das Land an eine russische Oligarchen-Tochter verscherbeln wollte,d iese Partei so hohe Zustimmungswerte erzielt, finde ich hochdramatisch.
Es schadet also nichts, sich auch mal um das eigene Land zu kümmern und nicht dessen Situation zu verdrängen, zumal wenn man solch familiäre Erinnerungen hat wie Sie. Olga
Olga, ich bin in Nürnberg geboren und u.a.auch noch deutsche Staatsbürgerin. Meine Schwester und andere Familienmitglieder leben noch immer dort und wir diskutieren häufig über die AFD und FPÖ.

Daß die FPÖ intern eng mit der AFD zusammenarbeiten, ist vielen bekannt. Also brauche ich diese Problematik nicht auseinanderdividieren... Man kann von einer epochalen Wende für die Demokratie reden und  wir sollten  uns nicht länderübergreifend zerfetzen.

Auch für die Nazis waren Grenzen nur Hindernisse, die es zu überschreiten gilt - und das taten sie auch ergiebig. Sie hatten auch überall Sympathisanten, die mit ihnen im Gleichschritt unterwegs waren.


teri
 
olga64
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von olga64
als Antwort auf teri vom 27.07.2023, 19:58:36

Ich zerfetze weder Länder noch Menschen.

Mein Vater war Wiener und ein Grossteil meiner Verwandten waren und sind Österreicher, aber ich lebe in Deutschland.
Sie aber leben in Wien und konzentrieren sich seit Jahren darauf, deutsche Problematiken - oder Dinge,die Sie so sehen - anzuprangern und diese vielen, vielen unappetitlichen österreichischen Angelegenheiten zu ignorieren.
In welchem Land wählen Sie eigentlich? Olga

teri
teri
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von teri
als Antwort auf olga64 vom 27.07.2023, 20:08:01
Ich zerfetze weder Länder noch Menschen.

Mein Vater war Wiener und ein Grossteil meiner Verwandten waren und sind Österreicher, aber ich lebe in Deutschland.
Sie aber leben in Wien und konzentrieren sich seit Jahren darauf, deutsche Problematiken - oder Dinge,die Sie so sehen - anzuprangern und diese vielen, vielen unappetitlichen österreichischen Angelegenheiten zu ignorieren.
In welchem Land wählen Sie eigentlich? Olga
Tja Olga, jeder hat unterschiedliche Verwandte mit unterschiedlichen Anschauungen.

Ich lebe in Wien.

teri
santos
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RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von santos
als Antwort auf teri vom 27.07.2023, 19:20:08

Ja, Teri, jeder von uns könnte solche Geschichten erzählen. Meine Familie hat in dieser Zeit in Weimar gelebt. Von den Geschichten, die meine Mutter berichtete, möchte ich hier nicht erzählen, dennoch, glaube ich an unser freies und demokratisches Land mit freien Wahlen, in dem es alle Strömungen gibt, auch Fremdenhass und Antisemitismus. Das liegt in der Natur des Menschen! Rechte Strömungen findet man in allen Gesellschaftsformen. Demokratie bietet das Korsett, was Dich zwingt, dich an Gesetze zu halten und Verfehlungen werden in diesem Land nach demokratischen Regeln bestraft!. Die Erwartung in den Köpfen der Menschen, dass von Oben alles geregelt wird, ist aus meiner Sicht  nicht zielführend. Der Mensch ist ein Rudeltier. Oh super da läuft was!! Das heißt nicht, dass konstruktive  Kritik nicht ernst zu nehmen ist, aber jeder Einzelne von uns hat die Möglichkeit einzugreifen und mitzuhelfen, dass sich etwas ändert und ja, vieles läuft nicht gut, aber auch Frau Merkel hat Fehler gemacht und Regierungen vor ihr auch! Ich möchte nicht in der Haut der Politiker stecken, die im Moment Verantwortung tragen und eine Kriese nach der Anderen zu lösen haben.

Und meine Beobachtung ist, wenn man auf der Straße jemanden fragt, was hast Du gegen Ausländer und Juden, kommen nur vage, plakative, nachgeplapperte Antworten. Ich habe viele Jahre Flüchtlingskindern mit Deutschunterricht geholfen fußzufassen. In diesen Gruppen brachten sich gerade ältere Menschen ein und halfen Familien einen Weg in unsere Gesellschaft zu finden und sind viele, die es geschafft haben.  Wir haben Zeit und können etwas dazu beitragen, dass die Situation in unserem Land besser wird. Mit Menschen sprechen, zuhören und uns  verantwortlich fühlen, wachsam sein, uns informieren und nicht alles, was schief läuft auf die Politik schieben. Das ist für mich Demokratie!!

Santos

      


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