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Internationale Politik Angstthemen besetzen - die Strategie der Rechtspopulisten

miriam
miriam
Mitglied

Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von miriam
Gestern hat uns die Schweiz wieder mal ein Beispiel geliefert, für das Hauptmerkmal der Strategie der Rechtspopulisten: es ist die Angstmacherei – und ihre großen Strategen, sind halt gekonnte Angstmacher.

Die Schweiz ist nicht das einzige westeuropäische Land, welches uns dies beweist: es war und ist weiterhin auch das Geheimnis des großen Erfolges von Geert Wilders, der niederländische Rechtspopulist, dem es in einem Land, mit einer langen, demokratischen Tradition gelang, die Massen durch angsteinflössende, rechtsradikale Parolen, zu mobilisieren.

Doch zurück zur Schweiz: vor der Ausschaffungsinitiative der SVP, gab es auch noch andere sehr erfolgreiche Initiativen dieser Partei, die zum größten Teil von ihren Vizepräsidenten Christoph Blocher, initiiert wurden.
Ich erwähne hier nur noch die Minarett-Initiative. Was fast alle diese Initiativen gemeinsam haben, ist ihre Fremdenfeindlichkeit. -

Doch wer sich hier in Deutschland von diesem Problem nicht tangiert wähnt, dessen Gedächtnis sei vielleicht ein wenig auf die Sprünge geholfen: plötzlich wurde ein neues Thema aktuell – der Deutsche Filz an manchen Schweizer Universitäten.
Ich wiederhole: es ging nun plötzlich nicht etwa um eine aus den islamischen Ländern stammende Konkurrenz, nein – der Verursacher des Filzes war made in Germany - und hatte sich selber in die Schweiz begeben.
Sogar bei den Schweizer Professoren wirkte erstmal die Angstmacherei – plötzlich sahen sie sich durch die Deutschen – bis zu dem Zeitpunkt angesehene Kollegen – bedroht.

Dazu der Professor für Wissenschaftsforschung Michael Hagner, der an der ETH-Zürich unterrichtete:

"Mich deprimiert das. Es macht mich traurig, dass eine solche rassistische und fremdenfeindliche Rhetorik hier aufgefahren wird.
Ich fühle mich in meiner Arbeit und in meiner Persönlichkeit verletzt."

Letztendlich war es eine Gruppe Schweizer Professoren, die sich gegen diese Kampagne der SVP zur Wehr setzte.
Was aber bleibt, ist trotzdem der Versuch der SVP, gegen alles Fremde durch Hetzkampagnen, vorzugehen.

Die Strategie des Angstschürens, die bleibt – dies konnte man auch am gestrigen Sonntag feststellen.
Angst ist irrational – und dadurch ein sehr effizientes Mittel.
Sie kann bei vielen unterschiedlichen Problemen, als Reizthema eingesetzt werden.


Miriam
Karl
Karl
Administrator

Re: Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von Karl
als Antwort auf miriam vom 29.11.2010, 08:01:15
Ja Miriam,

ich kann Deinen Ausführungen sehr gut folgen. Und wer sind die Anfälligen für solche Angstmacherei? Es sind die unsicheren, mit wenig Selbstbewusstsein ausgestatteten Menschen, die in allem Fremden eine Bedrohung und eventuelle Konkurrenz sehen. Fremdenangst ist wohl ein Urinstinkt, aber diese Erkenntnis macht es nicht besser, sondern zeigt nur, wie schwierig es sein wird, sie zu überwinden.

Nur Aufklärung und Ausbildung kann davor schützen, dass sich die Geschichte wiederholt.

Karl
Re: Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf miriam vom 29.11.2010, 08:01:15
Ich fand ein Interview des Psychoanalytikers und Ethnologen Mario Erdheim zu dem Thema: Fremdenangst.

Hier ein Auszug, ich setze den Link unten ein und kann nur empfehlen, diesen einmal zu lesen.
Ich fand ihn zu den Hintergründen der auftretenden Angst und ihrer Folgen sehr hilfreich.

Wogegen «hilft» denn in unserer Zeit der Rassismus?

In unserer Zeit brechen ja scharfe Widersprüche auf: Die Schweiz etwa mit ihren internationalen Verflechtungen ist für viele keine Heimat mehr. Man wird konfrontiert mit weltumspannenden Problemen - Nord-Süd-Problematik, ökologische Probleme -, die nur in Angriff zu nehmen sind mit einer Mobilisierung von Ressourcen, die weit über die nationalen Grenzen hinausreichen.

Das erzeugt Angst; eigene Rechte müssen relativiert und neu definiert werden. Wer diese Situation kognitiv nicht bewältigen kann, greift zu alten Konzepten. Der Rassismus ist ja nicht verschwunden; er war lediglich stillgelegt. Man hat seine Begriffe nicht mehr verwendet, aber ihre Wurzeln wurden nicht aufgelöst. Eine ähnliche Polarisierung wie beim Rassismus findet beim Fundamentalismus statt - auch eine Denkstruktur, die auf alte Vorstellungen zurückgreift und in gewissen Fragen Kompromisse explizit ausschliesst.
geschrieben von Mario Erdheimer


Bessere allgemein verständliche Erklärungen zu dem Thema der Angstbesetzung habe ich nicht gefunden.
Aber vielleicht googelt jemand anderer besser.
Ich denke, es ist das Thema unserer Zeit (wobei es zu allen Zeiten existierte), da die Welt aufgrund der vielen neuen Technologien geschrumpft ist. Alles was passiert, passiert auch vor unserer Haustür.
Es geht nur dagegen, wenn sich in den Köpfen etwas bewegt.

Meli

Fremdenangst Mario Erdheimer in der NZZ

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schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Angstthemen besetzen - die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von schorsch
als Antwort auf miriam vom 29.11.2010, 08:01:15
Gestern hat uns die Schweiz wieder mal ein Beispiel geliefert, für das Hauptmerkmal der Strategie der Rechtspopulisten: es ist die Angstmacherei - und ihre großen Strategen, sind halt gekonnte Angstmacher.

Schorsch: Recht hast du.
.........................vor der Ausschaffungsinitiative der SVP, gab es auch noch andere sehr erfolgreiche Initiativen dieser Partei, die zum größten Teil von ihren Vizepräsidenten Christoph Blocher, initiiert wurden.
...............................................


Letztendlich war es eine Gruppe Schweizer Professoren, die sich gegen diese Kampagne der SVP zur Wehr setzte.
...............................................


Schorsch: Bitte die SP und die Grünen nicht vergessen, die sich mindestens so vehement gegen diese Initiative gewehrt haben. Aber mit dem Budget (nicht mal 1 % von jenem der Initianten) konnte man nicht gewinnen.

Aber hier noch ein Tintenguss in das wallende Blut jener, die nun (wie weiland jene Nazis bei der Judendeportation), an den Bahnhöfen stehen und auf die Ausschaffungszüge warten: Es dauert noch bis zu 5 Jahren; ihr braucht also nicht auf den Bahnhöfen zu frieren. Nämlich 5 Jahre haben die Ausführenden nun Zeit, das Ausschaffungsgesetz zu erarbeiten - und EU-kompatibel zu machen. Wer weiss: Vielleicht ist die Beschäftigungslage bis dannzumal so gut, dass sich die gleichen Kreise, die jetzt Geld für die Ausschaffung gespendet haben, plötzlich merken, dass man die kleineren Verbrecher ja in ihren Arbeits- und Gewinnprozess integrieren könnte!



Miriam
miriam
miriam
Mitglied

Re: Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von miriam
als Antwort auf schorsch vom 29.11.2010, 10:09:10
Schorsch - um jedes Missverständnis zu vermeiden: der in rot geschrieben Teil deines Beitrags, stammt von dir.

Er ist leider ins Fenster des Zitates hineingerutscht.

Danke dir für deinen wichtigen, ergänzenden Beitrag.

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Nach meinem ersten Beitrag zu diesem Thema, besteht natürlich die Gefahr, dass hier eine gedankliche Schieflage entsteht.
Wenn im erwähnten Beitrag die politische Lage in der Schweiz im Zentrum stand - und nur am Rande auch Geert Wilders von mir erwähnt wurde, dann liegt der Grund bei der gestrigen Schweizer Abstimmung.

Wie sieht es aber in den anderen Westeuropäischen Ländern aus?
Seit 1972 besteht in Frankreich der Front National – noch immer von seinem Präsidenten, den Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen geführt, in Belgien gibt es den Vlaams Belang, in Schweden sind es die Sverigedemokraterna – also die Schwedendemokraten, gegründet im Jahr 1988 – die jetzt auch im Parlament vertreten sind, in Österreich die FPÖ, usw.

Nun einen Blick ins Innland: da stoße ich persönlich immer wieder an das Bündnis Pro NRW, die ihre miese ausländerfeindliche Propaganda Mitten in der Stadt macht, ihre lokale Variante nennt sich Pro Köln.

Ein sehr positives Geschehnis ereignete sich aber in Köln, in September 2008.
Da fand hier ein "Anti-Islamisierungskongress" statt, organisiert von mehreren Europäischen Parteien des rechten Spektrums.
Am nächsten Tag, betitelte unsere Tageszeitung (Kölner Stadt-Anzeiger) seinen Hauptartikel: "Köln feiert Rechtsextreme fort".

Was war geschehen? Ein Großteil der Stadt, solidarisierte sich gegen dem Anti-Islamkongress, bzw. eher gegen das verhasste Pro Köln.
Es fand einerseits eine sehr beeindruckende Gegendemonstration statt, die Teilnahme war sehr groß, 10.000 demonstrierten (fast alle) friedlich gegen dem Anti-Islamkongress, aber auch manche Branchen hatten ihre Strategie, um diese Zusammenkunft der Rechtsextremen zu boykottieren.

Viele der Teilnehmer, Mitglieder der Pro Köln oder der Pro NRW, waren am Flughafen angekommen – kein einziger Taxifahrer fuhr sie zum Ort des Kongresses.
Es blieben dadurch erst einmal 150 Pro Köln-Anhänger, am Flughafen sitzen.

Gastwirte und Hoteliers waren nicht gewillt ihnen ein Essen zu servieren - auch ein schönes Beispiel welches zeigt, was Solidarität bewirken kann.
Der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma sagte, dass die Kölner "mit Herzblut, Witz und Intelligenz" gegen den "rassistischen Schwachsinn" protestiert hätten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, nannte die Demo gegen Pro Köln, bzw. gegen die Antiislamkonferenz, einen "Sieg der Zivilgesellschaft über die Rechtsextremisten".

Ich hatte das Bedürfnis diesen kleinen Lichtblick hier einzufügen, bevor es mit dem beängstigenden Thema weitergeht.

Miriam

Liebe Meli, natürlich sollten wir auch den Aspekt Angst hier noch vertiefen.


miriam
miriam
Mitglied

Re: Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von miriam
Wie wirkt sich eigentlich Angst aus – warum wird dieses Gefühl so gerne und leider auch oft gekonnt von den Rechtspopulisten provoziert?

Eine einleuchtende Antwort, gab uns seinerzeit (wenn auch in einem etwas anderen Kontext), Rainer Werner Fassbinder mit seinem Film: Angst essen Seele auf.

Ja – Angst, wenn sie gekonnt provoziert wird, beherrscht den Menschen, die Handlungen sind vor ihr bestimmt, Sichtweisen bzw. Interpretationen entstehen durch diesen Filter, der zu einer extrem subjektiven Wahrnehmung führt.
Und auch diese Wahrnehmung, ist von außen manipuliert, derjenige der diese Ängste dann durchlebt, möchte nur eines: die Ursachen seiner Ängste beseitigen.

In Oktober 2010 entstand in Berlin eine neue Partei, rechts der CDU, die den Namen "Freiheit" trägt. Der Gründer ist der ehemalige CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz, und die Partei ist in erster Linie islamfeindlich.

Bei der ersten öffentlichen Veranstaltung dieser Partei, hat man sich einen Ehrengast eingeladen, der auch wie eine Art Wegweiser für die neue Partei fungiert: es ist der Rechtspopulist Geert Wilders aus den Niederlanden.

Und Wilders weiß ganz genau wie er die Mitglieder an die neue Partei binden kann: sein Plädoyer ist von Angstschürenden Parolen gegen dem Islam vollgespickt. Er appelliert in erster Linie an den Stolz Deutscher zu sein, um dann seinen Angriff gegen den Islam zu starten:
"Ein Deutschland voller Moscheen und verschleierter Frauen, ist nicht mehr das Deutschland Goethes, Schillers und Heines, Bachs und Mendelssohns.[---]
Wir sind nicht wie Frau Merkel. Wir akzeptieren die Islamisierung nicht."

Ebenfalls aus den Niederlanden erklärt uns der Soziologe und Politikwissenschaftler André Krouwel wie dieses demagogische System funktioniert, wie es von Rechtspopulisten wie Wilders eingesetzt wird:

"Er kommt in die Nähe von der 'Huntington-Idee', die besagt, dass es keine politischen Konflikte im wirtschaftlichen Sinne gibt, sondern einen kulturellen Konflikt, einen 'Clash of Culture'. Das ist Wilders Ansatz: Es gibt einen Konflikt zwischen Islam und christlicher Religion und das ist der große Konflikt der Moderne."

Nun - es ist genau dieser Konflikt, diese Konfrontation, die Angst vor dem Fremden erzeugt.

Miriam

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Karl
Karl
Administrator

Re: Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von Karl
als Antwort auf miriam vom 29.11.2010, 16:53:45
Hallo Miriam,


innerhalb der Verhaltensforschung gibt es gewichtige Stimmen, die die Fremdenangst tief im Sozialverhalten des Menschen verankert sehen, z. B. Irenäus Eibl-Eibesfeldt. Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist deshalb öfters scharf angegriffen worden, weil es politisch als unkorrekt angesehen wurde, Wurzeln menschlichen Verhaltens in dem Verhalten von Tieren zu suchen. M. E. wäre es aber fatal, die biologischen Wurzeln dieses Verhaltens, welches sehr eng mit Gruppenzusammenhalt und Revierverhalten verknüpft ist, zu negieren, nur deshalb weil es ohne Frage politisch wünschenswert ist, die Fremdenfeindlichkeit in unserer modernen, zusammenwachsenden Welt zu überwinden.

Nur wenn wir uns der tief sitzenden Ursachen für Fremdenfeindlichkeit und Angst vor Fremdem bewusst machen, können wir erkennen, welch gewaltige kulturelle Leistung erforderlich ist, um dieses tierische Erbe zu überwinden.

Karl

miriam
miriam
Mitglied

Re: Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von miriam
als Antwort auf Karl vom 29.11.2010, 17:58:02
Dies leuchtet mir ein Karl - und unsere Ängste haben natürlich tiefe Wurzeln, sie alle zu eruieren ist eine komplizierte aber auch spannende Angelegenheit.

Dass dieses menschliche Verhalten sogar auf das Tierverhalten zurückzuführen ist, bzw. seine Wurzeln da zu finden sind, war mir neu.

Was mich richtig zornig macht, ist die Instrumentalisierung dieser Gefühle, die unter Umständen danach nicht mehr rückgängig zu machen sind.
Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist mir ein Begriff - habe aber nichts von ihm gelesen. Danke für den Hinweis.

Gruß von Miriam
hockey
hockey
Mitglied

Re: Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von hockey
als Antwort auf miriam vom 29.11.2010, 08:01:15

Miriam
was du da schreibst kann ich nur voll unterstuetzen. Es ist uebrigends eine schlimme menschliche Eigenschaft den "Fremden" als den Grund der Probleme zu sehen die ein Land hat. Wenn z.B. die Schweizer glauben sie wuerden ein verbrecherfreies Land werden wenn die paar Auslaender die ein Verbrechen begangen haben abschieben dann Trauemen sie in "Technicolor" (wie man hier sagt>
Anstatt dauernd auf die "Auslaender/Fremden" zu schimpfen sollte man vielleicht auf sie zugehen und versuchen zu verstehen was sie denken. Ich bin mein ganzen Leben (als Erwachsener) immer eine "Auslaender/Fremder" gewesen (wo immer ich lebte) aber ich traf auch sehr viele Menschen und lebe mit allen ob hier geboren , neu zugezogen , egal welche Religion onder Hautfarbe wunderbar zusammen. Ich habe sehr viel von ihnen gelernt und hoffe sie haben auch etwas von mir gelernt.
Die Volksverfuehrer und Neo Nazis lieben solche Leute wie mich nicht den ich gebe ihnen meine Meinung ( und die direct und klar) und die unter uns die sich oeffnen den Auslaendern gegenueber bereichern (meine Meinung) ihr Leben.
Shalom
Hockey
julchentx
julchentx
Mitglied

Re: Angstthemen besetzen – die Strategie der Rechtspopulisten
geschrieben von julchentx
als Antwort auf hockey vom 29.11.2010, 22:48:41
Hallo Hockey und Miriam

unterstreiche jedes Wort!!!

Totales DITTO

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