Forum Soziales und Lebenshilfe Lebenshilfe Sind unsere Gene an allem schuld?

Lebenshilfe Sind unsere Gene an allem schuld?

Re: ich will wissen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 21.11.2010, 18:59:02
In den USA bieten bereits Drugstores Gentests an, mit denen man prüfen kann, an welchen Erkrankungen man mal später eventuell erkranken wird.


Karl,

ich gehe vom jetzigen Stand aus bzw. vom erwachsenen Menschen, der bei Angst vor evtl. Erberkrankungen solche Tests in Auftrag gibt.
Ich würde das für mich einfach so nicht wollen.

Ich unterscheide hier, um es besser fassen zu können, zwischen einer Testung bei Wissen über eine schwere Erbkrankheit und bei Nichtwissen.
z.B. ist eine Testung bei Auftreten einer der furchtbarsten Erbkrankheiten, der Chorea Huntington in der Familie absolut notwendig.

Dein Beispiel des Säuglings ist sehr eindrücklich.
Selbstverständlich sollte bei Vorhandensein einer schweren Erbkrankheit in der Familie hingeschaut werden, was bei einem Neugeborenen vielleicht vorhanden ist.
Nur dann kann entsprechend früh dagegen gesteuert werden!

Aber einfach so, weil die Möglichkeit besteht, mich in einem Drugstore testen zu lassen - da sage ich ganz bewußt weiterhin: Nein danke!

Und ob diese evtl. festgestellten Erkrankungsmöglichkeiten eintreten oder nicht, darüber sagt der Test nichts aus, kann aber hineinführen in die selbsterfüllende Prophezeiung.

Meli





Karl
Karl
Administrator

Re: ich will wissen
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 21.11.2010, 19:23:55
@ luchsi35 und meli,


das kann ich nachvollziehen. Es ist eben situationsabhängig und nur ein kategorisches "Nein" ist unangebracht.

Beste Grüße, Karl
Michael
Michael
Mitglied

Re: ich will wissen
geschrieben von Michael
als Antwort auf Karl vom 21.11.2010, 18:59:02
Du hast recht Karl, dies ist ein zu ernstes Thema als dass man aus dem Bauch heraus sich dafür oder dagegen entscheiden sollte. Ich würde mich nur testen lassen, wenn ein Anlass dafür besteht. Etwaige Erbkrankheiten oder oder andere verdächtige Fälle etwa wären eine Indikation. Dann ist ein Gentest zumindest beruhigend, auch wenn er positiv ausgeht. Man kann dann evtl. etwas dagegen unternehmen oder sich darauf einrichten.
Allerdings müsste dies schon ein seriöser Test sein. Das amerikanische Beispiel sollte nicht zum Vorbild dienen. Dort kann man auch Hormone im Drugstore kaufen. Typisch für eine degenerierte Gesellschaft, die nur auf Geschäfte fixiert ist.
Was ich nicht verstehe ist dass so viele konservative Politiker gegen den Test von Embryonen sind. Offenbar spielt der Einfluss der kath. Kirche dabei eine Rolle. Dann sollen diese Kreise auch Sorge für die daraus entstehenden missgebildeten Kinder tragen. Ich hoffe dass sich auch hier die Vernunft durchsetzt.

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Janosch
Janosch
Mitglied

Re: Sind unsere Gene an allem schuld?
geschrieben von Janosch
als Antwort auf luchs35 vom 21.11.2010, 16:03:28
Hallo Luchs,


ich finde deine frage sehr interessant. Denn ich leide schon seit längerer Zeit unter einer psychischen Erkrankung.Also wenn es die Möglichkeit gäbe dies über Gentests prüfen zu lassen, würde ich es sofort machen.

Gruß Janosch
Urego
Urego
Mitglied

Re: Sind unsere Gene an allem schuld?
geschrieben von Urego


Obwohl mir dieser Thread wohl eher unter sozialhygienischen Aspekten angelegt zu sein scheint, möchte ich hier doch noch einen anderen Gesichtspunkt ins Spiel bringen.

Inwieweit sind die Gene am Verlauf unseres Lebens beteiligt? Sind wir ihnen ausgeliefert? Bestimmen sie die Gesundheit oder unseren Lebenserfolg oder Mißerfolg? Wird hier nicht das uralte Problem der Erziehungswissenschaften, das das Verhältnis zwischen Anlage und Umwelt betrifft, angesprochen?

Bei diesem Problem geht man davon aus, daß der Mensch in seinem Wesen einerseits von den Anlagen, die er von seinen Eltern mitbekommen hat, aber andererseits auch von den Umwelteinflüssen bestimmt wird. Über den Anteil der beiden Komponenten wurde und wird immer gestritten.

Wenn man den Anteil an ererbter Substanz hoch ansetzt und den Anteil der Umwelteinflüsse als niedrig, könnte man schon auf die Idee der Durchführung von Gentesten kommen. Aber was hätte man damit gewonnen? Könnte man die Lage verändern? Ich würde das verneinen. Im Gegenteil, es würden ungeahnte Gefahren für menschliches Leben heraufbeschworen. Ein betroffener Mensch könnte dem Fatalismus verfallen. Ich wäre ein entschiedener Gegner solcher Tests.

Urego
Karl
Karl
Administrator

Re: Sind unsere Gene an allem schuld?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Urego vom 16.01.2011, 18:37:39
Inwieweit sind die Gene am Verlauf unseres Lebens beteiligt? Sind wir ihnen ausgeliefert? Bestimmen sie die Gesundheit oder unseren Lebenserfolg oder Mißerfolg? Wird hier nicht das uralte Problem der Erziehungswissenschaften, das das Verhältnis zwischen Anlage und Umwelt betrifft, angesprochen?
Lieber Urego,

nun muss ich doch mein Steckenpferd reiten Als Genetiker werde ich nämlich nicht müde, bei diesem Thema vorhandene weit verbreitete Missverständnisse in unserer Gesellschaft zu bekämpfen, zuletzt in der Debatte um die unsäglichen genetischen Aussagen eines Sarrazin: " Was bedeutet die Aussage, die Intelligenz sei zu 60-70% erblich?" Damit werden umgangssprachlich völlig falsche Vorstellungen geweckt! Die Folgerungen aus der wissenschaftlichen Definition von "Erblichkeit" bedeuten:

1. Erblichkeit ist keine Naturkonstante, sondern abhängig von der Umwelt und der untersuchten Menschengruppe.
2. Genetische Determiniertheit hat nichts mit »Erblichkeit« zu tun!
3. Optimale Umwelt für alle würde 100% Erblichkeit bedeuten, die Erblichkeit aller Merkmale in einem genetischen Klon wäre hingegen 0%.
3. Eine »Erblichkeit« des IQ von kleiner 100% bedeutet, dass es noch keine Chancengleichheit, sondern Umweltdefizite gibt. Nicht jeder kann sein Potential ausschöpfen.
( Kurze Präsentation zum Thema - 4,8 MB PDF)

In einem anderen Text schrieb ich 1986 "Wenn ein Gehirn einmal entwickelt ist, generiert es autonom Verhalten. Verhalten untersteht keiner direkten genetischen Kontrolle. Die Kontrolle ist eher in die entgegengesetzte Richtung. Die Aktivität vieler Gene im Gehirn mag davon abhängen, was ein Organismus sieht, fühlt oder tut". Mit unserem heutigen Wissen können wir den letzten Satz umschreiben

"Die Aktivität vieler Gene im Gehirn hängt davon ab, was ein Organismus sieht, fühlt oder tut".

Selbstverständlich sind wir keine Marionetten unserer Gene!

Karl

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Urego
Urego
Mitglied

Re: Sind unsere Gene an allem schuld?
geschrieben von Urego
als Antwort auf Karl vom 16.01.2011, 19:08:36


@ Karl

Danke für die Links zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Damit muß ich mich erst einmal beschäftigen. Mein Studium ist schon ein paar Jahre her.

Trotzdem erdreiste ich mich, schon jetzt zu behaupten, Deinen Informationen entnommen zu haben, daß das uralte "Anlage-Umwelt"- Problem noch nicht gelöst worden ist.

Urego
Karl
Karl
Administrator

Re: Sind unsere Gene an allem schuld?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Urego vom 16.01.2011, 20:13:21
Lieber Urego,


wie soll das denn gelöst werden? Ohne Umwelt gibt es nichts und ohne Erbanlagen auch nichts. Für ein Individium kann nicht in Prozenten ausgedrückt werden, wie wichtig das eine oder das andere ist. Umwelt und Erbe sind interagierende Faktoren, keine Summanden. Wir sind nichts ohne unsere Umwelt und wären erst gar nicht da, ohne unsere Gene. Wir brauchen aus der Umwelt nicht nur den Sauerstoff und die Nahrung zum Leben, sondern auch die menschlichen Interaktionen. Babies, um die sich niemand liebend kümmert, verkümmern.

Karl
Re: Sind unsere Gene an allem schuld?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 16.01.2011, 21:18:48
Irgendwie gefällt mir der Ausdruck
"Schuld der Gene" nicht,
so als ob es da irgendwelche Teilchen gäbe,
losgelöst von mir, die mich fremdbestimmen.

Meine Gene und ich, das kann man doch nicht trennen,
Genotyp - Phänotyp,
wer bin ich und warum?
Aber das gehört dann schon wieder Richtung Filosofie.

@karl,
was mich interessieren würde,
weißt Du, wann und von wem der Begriff Erblichkeit (Heritabilität)
geprägt wurde?
Er sorgt doch immer wieder für Missverständnisse und Verwirrung,
und ist für mich daher so auch nicht glücklich gewählt.

roseluise
olga64
olga64
Mitglied

Re: Sind unsere Gene an allem schuld?
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 16.01.2011, 22:13:16
Sehr kluger Beitrag - danke. Auch mit Genen wird mittlerweile in Unwissenheit viel SChindluder getrieben - Leute setzen dies ja mit "Vererben" gleich. Ich belauschte vor Weihnachten ein Gespräch zweier Damen, die sich über ihre Lieblingsplätzchen unterhielten. Die eine erklärte, es seien Vanille-Kipferl und meinte, "dies habe ihr ihre Mutter vererbt, dass sie diese Plätzchen so mag". Ich war bis dahin immer der Meinung, vererbt würden Grundstücke, Geld usw. - aber Lieblings-Plätzchen? Olga

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