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Literatur Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken

Sirona
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Re: Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von Sirona
Heinrich Heine:

„Nein, ihr gläubigen Gemüter, ich reiste niemals nach Damaskus, ich weiß nichts von Damaskus, als daß jüngst die dortigen Juden beschuldigt worden, sie fräßen alte Kapuziner, und der Name der Stadt wäre mir vielleicht ganz unbekannt, hätte ich nicht das Hohelied gelesen, wo der König Salomo die Nase seiner Geliebten mit einem Turm vergleicht, der gen Damaskus schaut.
Auch sah ich nie einen Esel, nämlich keinen vierfüßigen, der wie ein Mensch gesprochen hätte, während ich Menschen genug traf, die jedesmal, wenn sie den Mund auftaten, wie Esel sprachen. In der Tat, weder eine Vision noch eine seraphitische Verzückung noch eine Stimme vom Himmel, auch kein merkwürdiger Traum oder sonst ein Wunderspuk brachte mich auf den Weg des Heils.
Ich verdanke meine Erleuchtung ganz einfach der Lektüre eines Buches - Eines Buches? Ja, und es ist ein altes, schlichtes Buch, bescheiden wie die Natur, auch natürlich wie diese; ein Buch, das werkeltätig und anspruchslos aussieht, wie die Sonne, die uns wärmt, wie das Brot, das uns nährt; ein Buch, das so traulich, so segnend gütig uns anblickt wie eine alte Großmutter, die auch täglich in dem Buche liest, mit den lieben, bebenden Lippen und mit der Brille auf der Nase - und dieses Buch heißt auch ganz kurzweg die Bibel. Mit Fug nennt man diese auch die Heilige Schrift; wer seinen Gott verloren hat, der kann ihn in diesem Buche wiederfinden, und wer ihn nie gekannt, dem weht hier entgegen der Odem des göttlichen Wortes."
(aus „Der Kampf mit Gott – H. Heine)
Sirona
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Re: Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von Sirona
Heinrich Heine
Helgoland, den 8. Julius 1830




Da gestern Sonntag war und eine bleierne Langeweile über der ganzen Insel lag und mir fast das Haupt eindrückte, griff ich aus Verzweiflung zur Bibel..., und ich gestehe es dir, trotzdem daß ich ein heimlicher Helene bin, hat mich das Buch nicht bloß gut unterhalten, sondern auch weidlich erbaut. Welch’ ein Buch!
Groß und weit wie die Welt, wurzelnd in die Abgründe der Schöpfung und hinaufragend in die blauen Geheimnisse des Himmels...Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, Verheißung und Erfüllung, Geburt und Tod, das ganze Drama der Menschheit, alles ist in diesem Buche...
Es ist das Buch der Bücher, Biblia.

Erstaunlich, dass ausgerechnet der in Sachen christl. Religion oft recht spöttische Heine an diesem viel gelobten und auch heftig umstrittenen Buch so viel Freude gefunden hat. Wenn man die Bibel nicht unbedingt als das gesprochene Wort Gottes betrachtet (fälschlicherweise wird sie so dargestellt), eröffnet sich uns eine vergangene, interessante, allzu menschliche Welt.
Sirona
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Re: Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von Sirona
Hermann Hesse an eine Abiturientin – die einen Vortrag über den „Steppenwolf“ hielt und Hesse um Hilfe gegen die Einwürfe und Fragen ihrer Kameradinnen bat.

Liebes Fräulein – März 1951

Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen den „Steppenwolf“ nicht erklären. In dem Nachwort, das ich vor einigen Jahren der Ausgabe der Büchergilde mitgegeben habe, habe ich ja angedeutet, wie ich es meine. Aber das Problem, das Harry Haller zu bewältigen hat, wird von ganz jungen Lesern niemals in seiner Kompliziertheit ganz erfaßt werden können. Das ist aber auch gar nicht nötig. Sie haben ja an sich selbst erfahren, daß man ein solches Buch lieben und sich zueigen machen kann, auch ohne es genau analysieren zu können. Damit haben Sie den Zugang zum „Steppenwolf“ und zu allen meinen Büchern schon gefunden, das Verständnis wird sich von selbst weiter bilden.
Ohne Sie belehren zu wollen, erlaube ich mir, noch einen Rat auszusprechen. Wenn andre ein Buch oder Kunstwerk, das Ihnen lieb ist, ablehnen, dann ist es unnütz sich dagegen zu wehren oder das Buch verteidigen zu wollen. Man soll zu seiner Liebe stehn und soll sie bekennen, gewiß, aber man soll sich über den Gegenstand dieser Liebe nicht streiten. Es führt zu nichts. Die Bücher der Dichter bedürfen weder der Erklärung noch der Verteidigung, sie sind überaus geduldig und können warten, und wenn sie etwas wert sind, dann leben sie meistens länger als alle die, die über sie streiten.

(aus dem Buch „Die Antwort bist du selbst“)

Meines Erachtens ist es tatsächlich vergebliche Liebesmüh sich über die Aussagen eines Werkes zu streiten, da jeder Mensch eine andere Wahrnehmung von Geschriebenem hat.

Sirona

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schorsch
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Re: Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von schorsch
.............Als Friedel mit Dino zu der Lichtung kam, merkte er sofort, dass da etwas war, das ihm einen Strich durch seinen Plan machen würde. Aber Dino hatte es schon vorher bemerkt. Denn lautes Hundegebell schlug ihnen von weitem entgegen. Beide standen bockstill. Dinos Rückenhaare standen zu Berg. Friedel vergass einen Augenblick zu atmen. Was war denn heute in der Lichtung los? Entschlossen der Sache auf den Grund zu gehen, setzte er seinen Marsch fort. Da bot sich ihnen ein recht ungewohntes Bild: Mitten auf der Lichtung standen zwei Zigeunerwagen, im rechten Winkel zueinander gestellt. Ein grosser, struppiger Hund, an einer langen Kette angebunden, kläffte und stellte sich auf die Hinterpfoten. Mit den Vorderpfoten ruderte er in der Luft herum, als wollte er den beiden Eindringlingen die Gesichter zerkratzen.

Das kam aber nun Friedel gar nicht gelegen. Er konnte unmöglich hier seiner geliebten Freizeitbeschäftigung nachgehen, inmitten dieser Zigeunerwagen und dem kläffenden Hund. Immerhin war seine Neugierde grösser als der Ärger über die verpatzte Gelegenheit. Er näherte sich vorsichtig den beiden Wagen, immer von einem Baum zum anderen gehend, da er nicht die Absicht hatte, aufzufallen. Dino aber nahm keine Rücksicht und kannte überhaupt keine Hemmungen. Schnurstracks steuerte er auf den verwilderten Artgenossen zu. Etwa zwei Meter vor ihm blieb er stehen. Die Nackenhaare waren zwar gesträubt, der Schwanz aber redete eine ganz andere Sprache: "Lass doch das blöde Bellen, du Angeber. Wir wollen dir ja nichts zuleide tun, kommen in friedlicher Absicht," sollte das wohl heissen. Und der Zigeunerhund schien zu verstehen. Er hörte mit dem Bellen auf und auch sein buschiger Schwanz redete in der internationalen Hundesprache: "Naja, entschuldige. Weisst, wir bekommen schliesslich nicht alle Tage Besuch. Und wenn mal einer kommt, dann ist es gewiss der Gendarm, der uns weg weist vom Boden, wo wir eben unser Lager aufgestellt haben. Na komm schon. Ich kann ja leider nicht kommen, das siehst du doch, oder? Bin ja an der Kette."

Dino ging auf den grossen Hund zu. Sie beschnupperten sich ausgiebig. Dann versuchte jeder, dem anderen auf den Rücken zu steigen. Da aber keiner das recht leiden konnte, blieb es beim Versuch. Dino ging gemessenen Schrittes um das ganze Lager und versprühte da und dort seine Duftmarken. Der andere Hund folgte ihm, soweit es seine Kette erlaubte, die nicht eben kurz war und erst noch mittels einer Rolle auf einem von Baum zu Baum gespannten Drahtseil lief. Als Dino schliesslich alles beschnuppert und markiert hatte, rannte er zu seinem Meister zurück, der immer noch in respektvoller Distanz dem Treiben der beiden Hunde zugeschaut hatte. "Pech gehabt", brummte dieser zum Hund, "wir müssen uns einen anderen Platz suchen. Dann ist es halt wohl nichts gewesen mit dem freien Herumtoben. Hier hättest du machen können, nach was du gerade Lust gehabt hättest. Nun werde ich dich halt an die Leine nehmen müssen. Und die Kapitale dort beim Felsen wird sich noch weiter ihres nassen Lebens freuen können. Sorry." Er wollte eben die Leine aus dem Sack nehmen, als er eine Türe sich knarrend und quietschend öffnen hörte. Überrascht drehte er sich wieder zu den beiden Wagen um. Da gingen leichtfüssig zwei weibliche Gestalten die niedrige Eisentreppe hinunter, die an den Wagen geschraubt war. "He du", rief die eine mit recht rauchiger Stimme, "brauchst keine Angst zu haben. Weder wir noch der Hund tun dir etwas. Komm schon hervor und zeig` dich. Wir haben dich schon gesehen, brauchst nicht zu versuchen, dich unsichtbar zu machen."

Verdattert stand Friedel da. Unschlüssig drehte er den Karabinerhaken der Leine in der Hand herum. Sollte er oder sollte er nicht? Schliesslich hatte er ja die älteren Rechte auf die Lichtung, fischte da schon jahrelang. Entschlossen schritt er auf die beiden Frauen zu. Als er sich auf einige Meter genähert hatte, sah er, dass beide noch recht jung waren. Sie mochten so gegen die Dreissig gehen. Und hübsch waren sie erst noch, mit ihren blitzenden Zähnen und Augen, wie sie ihn jetzt so anlachten. Friedel merkte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. "Der wird ja noch rot," kicherte die Schwarzhaarige, während die Brünette leise vor sich hin gluckerte.......................
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Von wem wohl? ()
Sirona
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Re: Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von Sirona
als Antwort auf schorsch vom 05.07.2016, 10:55:21


Folgendes bekam ich von einem lieben Menschen zugesandt und möchte es an Euch weitergeben:

Aus dem Essay "Freundschaft" von Ralph Waldo Emerson

Wir haben viel mehr Güte in uns, als jemals zum Ausdruck kommt. Trotz all der Selbstsucht, die die Welt wie Ostwinde durchkaltet, ist die ganze Menschenfamilie in ein Element der Liebe wie in einen feinen Äther eingetaucht. Wie viele Menschen treffen wir in Häusern, mit denen wir kaum sprechen, die wir aber doch schätzen und die uns schätzen! Wie viele sehen wir auf der Straße oder sitzen neben ihnen in der Kirche und erfreuen uns innig, wenn auch ganz im Stillen des Zusammenseins mit ihnen. Lies die Sprache dieser wandernden Augenstrahlen. Das Herz kennt sie.
Die Auswirkung der Befriedigung dieser menschlichen Zuneigung ist eine gewisse herzliche Heiterkeit. In der Poesie und in der alltäglichen Sprache werden die Emotionen des Wohlwollens und Behagens, die gegenüber andern empfunden werden, mit den materiellen Wirkungen des Feuers verglichen; so rasch, oder rascher, aktiver, aufheiternder sind diese feinen inneren Erleuchtungen. Von höchster Stufe leidenschaftlicher Liebe bis zur niedrigsten Stufe des guten Willens machen sie die Süße des Lebens aus.
Unsere intellektuellen und aktiven Kräfte wachsen mit unseren Affektionen an. Der Gelehrte setzt sich nieder, um zu schreiben, und all die Jahre der Meditation geben ihm nicht einen guten Gedanken oder einen glücklichen Ausdruck; aber es ist notwendig, einem Freunde einen Brief zu schreiben, und ohne weiteres finde sich von allen Seiten ganze Reihen edler Gedanken in auserwählten Worten ein. Beachte das Herzklopfen, welches das Ankommen eines Fremden in jedem Hause bewirkt, wo Tugend und Selbstachtung wohnen. Es wird ein empfohlener Fremder erwartet und angekündigt, und ein Unbehagen zwischen Vergnügen und Unruhe bemächtigt sich aller Herzen des Hauses. Seine Ankunft versetzt die guten Herzen, die ihn willkommen heißen wollen, fast in Furcht. Das Haus wird geputzt, alle Gegenstände fliegen an ihren Platz, der alte Rock wird gegen einen neuen ausgetauscht, und sie müssen, wenn sie es können, ein Abendessen zusammenstellen. Von einem Fremden, der uns empfohlen wird, berichten uns andere nur immer das Gute, und so hören wir nur das Gute und Neue. Er steht uns stellvertretend für die Menschheit. Er ist das, was wir wünschen. Wenn wir ihn uns so vorgestellt und ihn in eine Position gebracht haben, fragen wir, wie wir einem solchen Mann im Gespräch gegenüber stehen sollten, und wir fühlen uns aus Scheu unbehaglich. Diese nämliche Idee erhöht das Gespräch mit ihm. Wir reden besser als wir es gewohnt sind. Wir haben die flinkste Phantasie, ein reiches Erinnerungsvermögen, und unser Stummteufel hat sich für diesen Zeitraum verabschiedet. Stundenlang können wir eine Reihe ernsthafter, geziemender, reichhaltiger Gespräche führen, die der ältesten, geheimsten Erfahrung entzogen sind, so dass diejenigen, die dabei sitzen, unsere eigene Verwandtschaft und Bekannte, eine lebhafte Überraschung über unsere Kräfte erleben. Aber sobald der Fremde anhebt seine besonderen Vorlieben, seine Definitionen, seine Fehler in das Gespräch einzubringen, ist alles vorüber. Er hat das Erste, das Beste und das Letzte von uns gehört, was er jemals von uns hören wird.
Jetzt ist er kein Fremder mehr. Gewöhnlichkeit, Ignoranz, Missverständnis sind alte Bekannte. Wenn er von nun an kommt, mag er die Ordnung, die Kleider und die Mahlzeit vorfinden, aber das Klopfen der Herzen und die Mitteilungen der Seele nicht mehr.
Sirona
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Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von Sirona
Memoiren (1854) – Heinrich Heine

Auszug:
Die Hülle fällt von der Seele, und du kannst sie betrachten in ihrer schönen Nacktheit. Da sind keine Flecken, nur Wunden. Ach! Und nur Wunden, welche die Hand der Freunde, nicht die der Feinde geschlagen hat! Die Nacht ist stumm. Nur draußen klatscht der Regen auf die Dächer, und ächzet wehmütig der Herbstwind. Das arme Krankenzimmer ist in diesem Augenblick fast wohllustig heimlich, und ich sitze schmerzlos im großen Sessel.

In der Einleitung spricht Heine ein „fiktives Fräulein“ an, das er mit folgenden Worten auffordert seinem „Märchen des Lebens“ zuzuhören. Heine lag in den letzten 6 Jahren seines Lebens schwerkrank auf seiner „Matratzengruft“, wie er sein Krankenlager bezeichnete.

Da tritt dein holdes Bild herein, ohne daß sich die Türklinke bewegt, und du lagerst dich auf das Kissen zu meinen Füßen. Lege dein schönes Haupt auf meine Kniee und horche, ohne aufzublicken.
Ich will dir das Märchen meines Lebens erzählen. Wenn manchmal dicke Tropfen auf dein Lockenhaupt fallen, so bleibe dennoch ruhig; es ist nicht der Regen, welcher durch das Dach sickert. Weine nicht und drücke mir nur schweigend die Hand.

Ort und Zeit sind auch wichtige Momente: ich bin geboren zu Ende des skeptischen achtzehnten Jahrhunderts und in einer Stadt, wo zur Zeit meiner Kindheit nicht bloß die Franzosen sondern auch der französische Geist herrschte. Die Franzosen, die ich kennenlernte, machten mich, ich muss es gestehen, mit Büchern bekannt die sehr unsauber und mir ein Vorurteil gegen die ganze französische Literatur einflößten. Ich habe sie auch später nie so sehr geliebt, wie sie es verdient, und am ungerechtesten blieb ich gegen die französische Poesie, die mir von Jugend an fatal war.
Daran ist wohl zunächst der vermaledeite Abbé Daunoi schuld, der im Lyzeum zu Düsseldorf die französische Sprache dozierte und mich durchaus zwingen wollte französische Verse zu machen. Wenig fehlte, und er hätte mir nicht bloß die französische, sondern die Poesie überhaupt verleidet. Der Abbé Daunoi, ein emigrierter Priester, war ein ältliches Männchen mit den beweglichsten Gesichtsmuskeln und mit einer braunen Perücke, die sooft er in Zorn geriet eine sehr schiefe Stellung annahm.
So denke ich jetzt und so fühlt ich schon als Knabe, und man kann sich leicht vorstellen, daß es zwischen mir und der alten braunen Perücke zu offnen Feindseligkeiten kommen mußte, als ich ihm erklärte, wie es mir rein unmöglich sei, französische Verse zu machen. Er sprach mir allen Sinn für Poesie ab und nannte mich einen Barbaren des Teutoburger Waldes.
Ich denke noch mit Entsetzen daran, daß ich aus der Chrestomathie des Professors die Anrede des Kaiphas an den Sanhedrin aus den Hexametern der Klopstockschen „Messiade“ in französische Alexandriner übersetzen sollte! Es war ein Raffinement von Grausamkeit, die alle Passionsqualen des Messias selbst übersteigt, und die selbst dieser nicht ruhig erduldet hätte. Gott verzeih; ich verwünschte die Welt und die fremden Unterdrücker, die uns ihre Metrik aufbürden wollten, und ich war nahe dran ein Franzosenfresser zu werden.
Ich hätte für Frankreich sterben können, aber französische Verse machen – nimmermehr!
Durch den Rektor und meine Mutter wurde der Zwist beigelegt. Letztere war überhaupt nicht damit zufrieden, daß ich Verse machen lernte, und seien es auch nur französische. Sie hatte nämlich damals die größte Angst, daß ich ein Dichter werden möchte; das wäre das Schlimmste, sagte sie immer, was mir passieren könne.


Heine könnte ich stundenlang mit großem Vergnügen lesen, seine Rhetorik ist einfach umwerfend. Er trifft immer des Pudels Kern, den er mit seiner unnachahmlichen Satire ummantelt.
Es wäre wirklich sehr schade gewesen, wenn Heines Mutter ihre Vorstellungen aus Heine einen tüchtigen Beamten machen zu wollen, in Erfüllung gegangen wären. Die Begriffe die man damals mit dem Namen „Dichter“ verknüpfte, waren nicht sehr ehrenhaft, ein Poet galt als ein zerlumpter, armer Teufel, der für ein paar Taler ein Gelegenheitsgedicht verfertigt und am Ende im Hospital stirbt. Davor hatte Heines Mutter große Angst dass dies ihrem geliebten Sohn passieren könnte.

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Maxi41
Maxi41
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Re: Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von Maxi41
als Antwort auf Sirona vom 29.03.2017, 09:43:44
Liebe Sirona,
mit Vergnügen hab ich die Memoiren gelesen.
Das veranlasste mich, mir wieder mal Heine hervorzunehmen. Dabei stieß ich auf das "Testament", was er bereits am 27. September 1946 verfasste:

"Ich verordne, dass mein Leichenbegräbnis so einfach sei und so wenig kostspielig wie das des geringsten Mannes im Volke.
Sterbe ich in Paris, so will ich auf dem Kirchhofe des Montmartre begraben werden, auf keinem anderen, denn unter der Bevölkerung des Faubourg Montmartre habe ich mein liebstes Leben gelebt. Obgleich ich der lutherisch protestantischen Konfession angehöre, so wünsche ich doch in jenem Teil des Kirchhofes beerdigt zu werden, welcher den Bekennern des römisch katholischen Glaubens angewiesen ist, damit die irdischen Reste meiner Frau, die dieser Religion mit großem Eifer zugetan ist, einst neben den meinigen ruhen können...
Meiner edlen hochherzigen Mutter, die so viel für mich getan, sowie meinen teuren Geschwistern, mit denen ich im ungetrübtesten Einverständnisse gelebt, sage ich ein letztes Lebewohl!
Leb wohl, auch Du, deutsche Heimat, Land der Rätsel und der Schmerzen; werde hell und glücklich. Lebt wohl, Ihr geistreichen, guten Franzosen, die ich so sehr geliebt habe!
Ich danke Euch für Eure heitre Gastfreundschaft."

Bis zu seinem Tod am 17. Februar 1856 sind noch 9 1/2 Jahre vergangen. Sein Wunsch, auf dem Friedhof Montmartre beerdigt zu werden, ging in Erfüllung. Unter den wenigen französische Trauergästen sind Dumas und Gautier; die Familie ist nur durch den angeheirateten Cousin Joseph Cohen vertreten.
Felix1941
Felix1941
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Re: Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von Felix1941
Am liebsten haben es die Deutschen,wenn alle Welt sie als " das Volk der Dichter und Denker"preist.Das ist erstaunlich,Denn zumindest die Bundesbürger haben wenig Beziehung zu ihren Dichtern, und ihren Denkern stehen sie erst recht fern.So haben Umfragen ergeben,daß die meisten Westdeutschen Leibnitz für den Erfinder der Butterkekse halten und daß ihnen beim Namen Königsberg eher Klopse als Kant in den Sinn kommen.
Sculd an der Unkenntnis haben die Denker zum Großteil selbst.Kants "Kitik der reinen Vernunft"oder Hegels "Phänomenologie des Geistes" sind so kompliziert und unverständlich geschrieben,daß auch intelligente Leser schnell abwinken:"Dasmag vieleicht interessant sein,aber leider ist es nichts für mich.
Dieses Buch versucht mit allgemein verständlichen Worten,die zwar schwierigen,aber dennoch oft weltbewegenden Grundgedanken deutscher Großgeister zu erklären und so den Leser auf den Geschmack an der Philosophie bringen.
Fachleuten muß die Auswahl der hier vorgestellten Philosophen willkürlich erscheinen.Denn viele Namen fehlen oder werden nur am Rande erwähnt.Außer der Vorliebe des Autors für bestimmte Denker gibt es dafür nur noch die Begründung,daß dieses Buch keine umfassende Geschichte der deutschen Philosophie geben,sondern den Leser auf spannende,unterhaltsame Weise mit einem zu Unrecht ins Abseits geratenen Wissensgebiet vertraut machen will.

Verfasser ist: Paul Heinz Koesters
Sirona
Sirona
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Re: Gedanken unserer Dichter und Denker - Auszüge aus ihren Werken
geschrieben von Sirona
Gottes Hand und Josseles Fuß
E. Kishon

Gestern bekam ich Nachricht von Jossele. Es war ein Anruf aus dem Krankenhaus; er ließ mich bitten ihn zu besuchen. Überflüssig zu sagen, daß ich mich sofort auf den Weg machte.
Ich fand Jossele im Garten des Spitals, bleich und niedergedrückt in einem Rollstuhl sitzend, ein Bild des Jammers. Und was mich am meisten erschütterte: Er hielt ein Gebetbuch in der Hand.
„Jossele“, rief ich beklommen. „Was ist los mit dir? Ein Herzanfall? Oder sonst etwas Lebensgefährliches?“
„Nein, nichts davon.“ Er schüttelte müde den Kopf, seine Stimme klang tonlos. „Aber was mir am Montag passiert ist, hat mich davon überzeugt, daß es eine göttliche Gerechtigkeit gibt.“
„Bitte – erklär dich genauer“ sagte ich und setzte mich neben ihn.

Jossele holte tief Atem.
„Mein Wagen war in einer Reparaturwerkstatt, und das Schicksal ereilte mich in einem städtischen Autobus“, begann er. „Linie 33. Montag. Zur Stoßzeit. Und wahrlich, ich habe gestoßen. Mit Händen, Füßen und Ellenbogen habe ich mir einen Sitz erkämpft. Und kaum daß ich saß, pflanzte sich irgendein alter Idiot vor mir auf und begann sich völlig ungefragt über meine Person zu äußern. Er äußerte sich abfällig. Es sei ein Skandal und eine Schande, ein junger, gesunder Mensch wie ich bleibt sitzen, und ein alter kränklicher Mann wie er muß stehen. Ich reagierte nicht. Die Leute sollten mich für einen Neueinwanderer halten, der die Landessprache noch nicht versteht. Der Alte schimpfte weiter, erging sich in immer heftigeren Missfallenskundgebungen über die heutige Jugend im allgemeinen und mich im besonderen. Ich blieb ungerührt. Es fiel mir gar nicht ein, meinen bequemen Sitz gegen einen Stehplatz im Gedränge einzutauschen. Unterdessen hatten die Hetzreden des Alten den ganzen Bus gegen mich aufgebracht. Plötzlich packte er mich am Kragen, riß mich hoch und setzte sich unter dem Jubel der Menge auf meinen Platz.
Jetzt war der Augenblick gekommen, ihm und seiner verhetzten Gefolgschaft eine Lektion zu erteilen. Ich schwankte, hielt mich nur mühsam aufrecht und bahnte mir stöhnend den Weg zum Ausgang, wobei ich mit schmerzverzerrtem Gesicht das rechte Bein nachschleppte. Über den Bus fiel verlegenes Schweigen, das von beschämtem Geflüster abgelöst wurde. „Der arme Kerl“, flüsterte es ringsum. „Ist gelähmt – hat ein krankes Bein – kann sich kaum bewegen – und dieser alte Trottel verjagt ihn von seinem Sitz. Ein Egoist! Ein Unmensch! Pfui! Es fehlte nicht viel, und sie wären über ihn hergefallen. Einige standen auf, um mir ihren Sitz anzubieten. Ich winkte mit müder Märtyrergeste ab. Und da ich sowieso am Ziel war, bereitete ich mich unter neuerlichem Stöhnen zum Aussteigen vor“.
„Gut gemacht!“ Ich nickte anerkennend. „Und dann?“
„Dann“, sagte Jossele, „bin ich auf dem Trittbrett ausgerutscht und hab’ mir das Bein gebrochen“.
Damit wandte er sich wieder seinem Gebetbuch zu.

(aus "Mein Freund Jossele")
Die unmögliche Tatsache
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.

»Wie war« (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
»möglich, wie dies Unglück, ja –:
daß es überhaupt geschah?

Ist die Staatskunst anzuklagen
in bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?

Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, – kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht –?«

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:
»Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil«, so schließt er messerscharf,
»nicht sein kann, was nicht sein darf.«

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Fiel mir gerade ein, anlässlich Behauptungen, dass Ämter Bürger nie schlecht behandeln, weil sie ja ihre Vorschriften ordnungsgemäß anwenden.

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