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Literatur Gedichte verschiedene

enigma
enigma
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Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von enigma
als Antwort auf enigma vom 25.11.2008, 15:53:08
Dämmerung

Von schwankenden Halmen gleiten
Die Lichter der Monde aufs Land;
Die Masten tönen, die Saiten,
Gespielt von nicht sichtbarer Hand;

Bernsteinerne Zifferblätter
Hoch droben die Flamme erhellt,
Auf dürsternde Fliesen, auf Steige,
Die Stille begütigend fällt.

Im Netz, im schwanken, im schweren,
So still ward das neblige Grün,
Und lächelnd küßt die Hetären
Der Abend und läßt sie ziehn.

Die weichen Töne, die warmen
Des Klavierchords - der Abend verblich...
O Dämmer, du Welt voll Erbarmen,
Erfülle und tröste mich.
Waleri Brjussow (1873 - 1924)


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enigma
libelle
libelle
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von libelle
als Antwort auf enigma vom 19.12.2008, 19:33:32
Wie ist die deutsche Welt in Neuigkeit ersoffen

Wie ist die deutsche Welt in Neuigkeit ersoffen!
Man deckt und kleidet sich, man schreibet, singt und spricht,
Man reiset, schläft und ißt, man reitet, tanzt und ficht
Nach neu erwählter Art. Wer Glück und Gunst will hoffen,
Muß sich in allem Tun der Neuigkeit bequemen.
Sonst wird ihn Überwitz mit Hohn und Spott beschämen.

Es bleibet nicht dabei: Man ändert auch die Sitten,
Der Kittel alter Treu und deutscher Redlichkeit
Ist unsrer Moderwelt ein viel zu schlechtes Kleid,
Die junge Neuigkeit will überall gebieten.
Was Wunder, wenn nun auch in manchem deutschen Lande
Der neue vor will gehen dem alten Adelstande!

Das Alter wird veracht, das doch so viel’ begehren:
Doch will ich lieber alt- als junggeboren sein.
Mit Aufgeld tauschet man die alten Münzen ein;
Die Firnewein gilt mehr, als der noch soll verjähren.
Man sieht die Aloe nach hundert Jahren blühen,
Der jungen Tulpe Pracht in kurzer Zeit entfliehen.

(Hans Assmann von Abschatz 1646-1699)


libelle
hisun
hisun
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von hisun
als Antwort auf libelle vom 19.12.2008, 20:04:48
Nimm dich an.
Sei du die, die du bist.
Sei du der, der du bist.
Erst dann fängst du an, zu werden,
was du sein möchtest.

Versteh deine Schwächen,
erst dann kannst du mit ihnen arbeiten
und sie zu Stärken verwandeln.

Setze deine Stärken so ein,
dass du noch zerbrechlich bleibst,
und niemand unnötig abschreckst.

Achte auf deine Unsicherheiten,
sie öffnen dir Wege ins neue Land.

(Ulrich Schäffer)

hisun

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enigma
enigma
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von enigma
als Antwort auf hisun vom 20.12.2008, 01:19:09
Hallo Hisun,

mit Ulrich Schaffer hatte ich mal E-Mail-Kontakt.
Er lebt in Kanada und ist nicht nur Schriftsteller und Lyriker, sondern auch ein guter Fotograf. Die Naturaufnahmen aus seiner neuen Heimat (British Columbia), oft auch in schönen Kalendern dargestellt, sind einfach toll.
Er gestaltet viele Lesereisen nach Deutschland, seiner ursprünglichen Heimat.
Wiki weiß auch was über ihn
hier:


Und nun ein Gedicht von Alfred Lichtenstein:

Der Sturm

Im Windbrand steht die Welt. Die Städte knistern.
Halloh, der Sturm, der große Sturm ist da.
Ein kleines Mädchen fliegt von den Geschwistern.
Ein junges Auto flieht nach Ithaka.
Ein Weg hat seine Richtung ganz verloren.
Die Sterne sind dem Himmel ausgekratzt.
Ein Irrenhäusler wird zu früh geboren.
In San Franzisko ist der Mond geplatzt.

Alfred Lichtenstein




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enigma
hisun
hisun
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von hisun
als Antwort auf enigma vom 20.12.2008, 08:15:49
Danke Enigma für die Info über Ulrich Schäffer, ist sehr interessant.


Wärde und wachse
Verblüeh und vergah
Dä Chreislauf vom Läbe
So schwär zum verstah

Was wott mer au säge
Es änderet nüt dra
S'sch s'Schwärschti uf Ärde
Was D'lieb häsch la z'gah

Es wird in Gedanke
Und Härz wytertreit
Ich glaub das isch gmeint
Wämer seit "Ewigkeit"

(selbst gedichtet von einem lieben Freund zum Tode meines Mannes)


hisun
yankee
yankee
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von yankee
als Antwort auf hisun vom 20.12.2008, 16:03:49
Zum Jahresende passt dieses von Friedrich Schiller ganz gut. Das hilft mir immer, ab und zu mal in mich zu gehen, und meine eigenen Ansichten, Verhaltensweisen und gesetzten Ziele zu überprüfen.

Breite und Tiefe

Es glänzen Viele in der Welt,
Sie wissen von Allem zu sagen,
Und wo was reizet und wo was gefällt,
Man kann es bei ihnen erfragen;
Man dächte, hört man sie reden laut,
Sie hätten wirklich erobert die Braut.

Doch gehn sie aus der Welt ganz still,
Ihr Leben war verloren.
denn wer etwas Treffliches leisten will,
Hätt' gern was Großes geboren,
Drum sammle still und unerschlafft
Im kleinsten Punkte die höchste Kraft.

Der Stamm erhebt sich in die Luft
Mit üppig prangenden Zweigen;
Die Blätter glänzen und hauchen Duft,
Doch können sie Früchte nicht zeugen;
Der Kern allein im schmalsten Raum
Verbirgt den Stolz des Waldes, den Baum.

(Friedrich Schiller)
--
yankee

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Medea
Medea
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von Medea
als Antwort auf yankee vom 20.12.2008, 16:23:06
Wenn die Welt einmal nichts anderes mehr ist
als ein einziges schwarzes Gehölz
für unsere erstaunten Augen -
ein Strand am Meer
für zwei treu sich liebende Kinder -
ein Haus voller Wohlklang
für die klare Harmonie unserer Seelen -
dann werde ich dich finden.

- Jean-Arthur Rimbaud -

--
M.
hisun
hisun
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von hisun
als Antwort auf Medea vom 20.12.2008, 20:16:10
Ich mag verdammen,
was du sagst,
aber ich werde
mein Leben dafür einsetzen,
dass du es sagen darfst
(Voltaire)

hisun
hisun
hisun
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von hisun
als Antwort auf hisun vom 20.12.2008, 20:19:59
Gewiss,
die Welt und
das Leben
lassen sich
auch ohne
Transzendent betrachten.
Es gibt auch Leute,
die Beethovens
Symphonien pfeifen.

(Walter Rathenau)

hisun
longtime
longtime
Mitglied

Re: Gedichte verschiedene
geschrieben von longtime
als Antwort auf hisun vom 20.12.2008, 23:17:18
Peter Härtling:
An Mörike


Wenn gegen Abend
ins sparsame Licht
die Krähen einfallen
und
die Stimmen
in den Gasthäusern
lauter werden,
wenn die Mesner
angehalten sind,
den Abend
zu läuten,
wenn die alten Frauen
hinter
geschlossenen Vorhängen
ihre Verwünschungen
auszusprechen wagen,
wenn die Briefe
der Freunde
leergelesen sind
und Horaz nicht mehr
hilft,
säuft er sich
endlich
einen Rausch an
und es bekümmert ihn
nicht mehr,
daß er
seinen Zorn
nicht schreiben kann.

*
(P. H.: Anreden. Darmstadt/Neuwied: Luchterhand. 1977. S. 12)

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longtime

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