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Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe

Maxi41
Maxi41
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Maxi41
als Antwort auf Sirona vom 01.07.2015, 08:45:51
Simone de Beauvoir lebte die größte Leidenschaft ihres Lebens mit dem Amerikaner Nelson Algen.

Im Oktober 1947 schrieb sie:

"Nelson, mein Liebster!
Ich war tief gerührt, als ich in Ihrem Brief las, dass Sie ebenso wie meine Augen meine Art zu lieben liebten. Und ich dachte, ich müsste Ihnen sagen, dass diese Art nichts anderes als meine Liebe zu Ihnen ist. Ich hatte immer dieselben Augen, aber ich liebte nie jemanden in dieser Art, das sollten Sie wissen, mit so viel Freude in der Liebe und so viel Liebe in der Freude, so viel Fieber und Frieden, in dieser Art, die Sie mögen. Ich fühlte ganz und gar, dass ich eine Frau in den Armen eines Mannes war, und das bedeutete viel, so viel für mich. Nichts Besseres konnte mir passieren. Gute Nacht, Honey, es ist schwer, es zu sagen, schwerer als vor meiner Rückkehr nach Wabansia. Kommen Sie zu mir, Liebling, nehmen Sie mich in Ihre starken, sanften, gierigen Hände. Ich warte aus Sie, ich warte auf Sie...
Ganz Ihre Simone"

Algren wollte Beauvoir heiraten. Doch sie erklärte: "Ich gab mein Herz ... aber nicht mein Leben".
Sie entscheidet sich nach vier herzzerreisenen, leidenschaftlichen Jahren für ihr Leben und Werk, zu dem unabdingbar Sartre gehörte.

Bärbel
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Hermann Hesse hat heute Geburtstag!
2. 7. 1877-9. 8. 1962
Grußkarten(Clematis)


Man darf seine Gedichte (noch) nicht veröffentlichen

Hermann Hesse
an eine alte Leserin
die mir mitteilte, dass sie bei Christus das gefunden habe, was sie immer gesucht und was ich ihr von einer gewissen Zeit an nicht mehr habe geben können.

Dezember 1950

Ihr lieber Brief war mir willkommen. Wäre ich nicht sehr schwach geworden und stets so sehr überbürdet, so schriebe ich Ihnen einen langen Brief. Das kann und darf ich nicht, aber ich möchte doch Ihren Gruß erwidern und Ihnen sagen, dass ich Ihr Bekenntnis mit reiner Freude und Zustimmung gelesen habe. Im Irrtum sind Sie nur mit der Vermutung, ich sei zwar unter Christen aufgewachsen, habe dann aber, andern Götter folgend, mein Leben ohne Christus geführt. Das ist nicht so:
Ich bin viele Male im Leben zu Christus zurückgekehrt, tue es heute noch bei jeder Bachschen Passion oder beim Lesen in einem Kirchenvater oder im Gedenken an Eltern und Kindheit. Es steht damit genau und wörtlich so, wie Sie es im Brief an Schwester Luise lasen.

Es freut mich, dass Ihr Glaube Sie nicht in Widerspruch und Ablehnung mir gegenüber führte. Aber ich würde Ihren Brief auch dann angenommen und willkommen geheißen haben, wenn er einen Abschied an mich und einen Bruch mit mir bedeutet hätte.
Ich bin ein Dichter, ein Sucher und Bekenner, ich habe der Wahrheit und Aufrichtigkeit zu dienen (und zur Wahrheit gehört auch das Schöne, es ist eine ihrer Erscheinungsformen), ich habe einen Auftrag, aber einen kleinen und beschränkten: ich muss anderen Suchenden die Welt verstehen und bestehen helfen, und sei es nur, indem ich ihnen den Trost gebe, dass sie nicht allein seien. Christus aber ist nicht ein Dichter gewesen, sein Licht war nicht an eine vereinzelte Sprache gebunden und an eine kurze Epoche, er war und ist ein Stern, ein Ewiger. Wären seine Kirchen und Priester so wie er selbst, dann bedürfte es der Dichter nicht.

an Herrn Dr. K. B. Hannover
28. Dezember 1950

Sehr geehrtr Herr

Ich erhielt Ihren Brief und hätte mich über ihn gefreut, wenn er nicht die Abhandlung über meinen lieben Kollegen und Freund Thomas Mann enthielte.

Ihr Deutsche haben diesen Mann ausgebürgert, um seine Habe bestohlen, am Leben bedroht und auf jede Weise verfolgt und beschimpft - und nun steht Ihr da und wäget ab, ob man ihm diesen Schritt verzeihen oder jenes Wort von ihm gelten lassen könne? Da stehn uns armen Ausländern die Haare zu Berge. Statt Eurer Kritiken und Beschimpfungen solltet Ihr diesem Mann auf Knien Abbitte tun.
Aber bekanntlich ist ja in Deutschland kein Mensch mitschuldig an dem, was Ihr seit 1933 über die Welt und Euch selbst gebracht habet.

Da Ihr es nicht tuet, schäme ich mich an Eurer Stelle dieser unverzeihlichen Dinge.

Es grüßt Sie Ihr

aus:
Hermann Hesse
Ausgewählte Briefe
Suhrkamp TB 211
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 02.07.2015, 08:01:15
Es wird immer wieder der Fehler gemacht, dass man Menschen die sich nicht an eine Kirche gebunden fühlen, für ungläubig erklärt. Als ob der Glaube von einer Kirche abhängig wäre. Hesse wurde in einem pietistisch geprägten Haus erzogen, was dazu beigetragen hat dass ihm jegliche Enge eines Glaubens zuwider war. Er sah Gott in der ganzen Schöpfung.

Kurz und brüsk konnte er bei Bigotterie reagieren. So schrieb er einmal einer etwas bigotten Leserin, die ihn mit selbst verfassten Gedichten konfrontierte, folgendes:

„Bitten möchte ich Sie, mir nicht mehr zu schreiben. Sie haben von mir, meinem Wesen und Glauben nicht die leiseste Ahnung. Und möge Gott, mit dem Sie ja so viel zu tun haben und der auch die herrliche deutsche Sprache der Welt geschenkt hat, Ihnen die schrecklichen Verse verzeihen, mit denen Sie diese Sprache missbrauchen“.
(aus „Die Antwort bist du selbst“).


Danke, liebe Clematis, für Hermann Hesse, der mir durch seine Gedanken und Schriften sehr ans Herz gewachsen ist. Da er heute Geburtstag hätte, setze ich zu seinem Gedenken einen Blütenzweig ein.

LG Sirona


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Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Frau Rat Goethe
an
Christiane Vulpius

den 7ten Mertz 1801

Liebe Tochter!

Tausend Danck vor Ihren Lieben Brief, Sie haben mich dadurch sehr glücklich gemacht - beehren Sie mich zuweilen mit Ihrer lieben Zuschrift, und ich werde immer dadurch verjüngt wie ein Adler! Wohl mögte ich einmahl das weimarer Theater das überall berühmt ist sehen - aber du Lieber Gott!! Ich und Reißen!! Ich wünscht ich hätte Frau von la Roche Ihren Muth und Ihre Reiße seligkeit den habe ich aber nicht, und da wird es wohl so bey dem alten bleiben.

Tantzen Sie immer liebes Weibgen Tantzen Sie - frölige Menschen die mag ich gar zu gern - und wenn sie zu meiner Familie gehören habe ich sie doppelt und dreyfach lieb - Wäre ich eine Regierende Fürstin, so machte ich es wie Julius Cäsar lauter fröliche Gesichter müßten an meinem Hof zu sehen seyn denn das sind der Regel nach gute Menschen, die ihr Bewußtsein froh macht - aber die Duckmäußer die immer untersich sehen - haben etwas vom Cain an sich die fürchte ich - Luther hat Gott zu Cain sagen laßen warum verstelts du deine Geberde, aber es heißt eigendlich im Grundtext - warum läßt du den Kopf hängen.

Leben Sie wohl - vergnügt und Tantzen wo Sie Gelegenheit dazu finden - darüber wird sich hertzlich freuen die sich nent
Ihre
treue Mutter Goethe


aus:
Briefe der Frau Rat Goethe
Insel-Bücherei Nr. 544

Künstler-Gedenken(Clematis)
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 06.07.2015, 07:58:25
Die Mutter Goethes scheint ein lebensfroher Mensch gewesen zu sein, was Goethe in einem Gedicht bestätigt:

Vom Vater hab ich die Statur,
des Lebens ernstes Führen,
vom Mütterchen die Frohnatur
und Lust zu fabulieren.

Interessant wie liebenswert sie ihrer Schwiegertochter geschrieben hat, die in Goethes Gesellschaft nicht akzeptiert worden ist. Man rümpfte die Nase über ihre mangelnde Bildung und fehlende Umgangsformen. Aber wahrscheinlich brauchte Goethe gerade diese natürlich-sinnliche Frau als Ausgleich zu den Damen der damaligen höheren Gesellschaft. Wie man über die Verbindung Christiane/Goethe in diesen Kreisen dachte zeigt ein Brief der Caroline Herder, die folgendes am 08. März 1789 an ihren Mann nach Rom schrieb:

„Ich habe nun das Geheimnis von der Stein selbst, warum sie mit Goethe nicht mehr recht gut sein will. Er hat die junge Vulpius zu seinem Klärchen und läßt sie oft zu sich kommen usw. Sie verdenkt ihm dies sehr. Da er ein so vorzüglicher Mann (Goethe) ist, auch schon 40 Jahre alt ist, so sollte er nichts tun, wodurch er sich zu den andern so herabwürdigt.“
(Nachzulesen im Buch „Christiane und Goethe“ von Sigrid Damm)

Recht hat Frau Rat Goethe, nichts ist unerträglicher als langweilige und aufgeblasene Menschen sowie Duckmäuser. Das kann ich mir lebhaft vorstellen, wie es am „Hofe der Frau Rat Goethe“ zugegangen wäre – lauter frohe, lebenslustige, geistreiche Menschen! Gibt es etwas Schöneres?

Danke liebe Clematis dass Du uns Goethes Mutter näher gebracht hast.

LG Sirona
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Maxi41 vom 01.07.2015, 13:43:21
Hallo maxi,

danke für Deinen Beitrag und Hinweis auf eine neuzeitliche Autorin. Ich muss zugeben dass ich wenig von ihr weiß und bei Wiki nachgeforscht habe. Von diesem Thread, den Clematis initiiert hat, profitiere ich sehr.

Beauvoir schrieb einmal:
»Mit fünfzehn Jahren wünschte ich mir, dass die Leute eines Tages meine Biographie mit gerührter Neugier lesen würden. Diese Hoffnung war es, die in mir den Wunsch weckte, eine bekannte Autorin zu werden«

Diese Biographie werde ich mir besorgen, denn mich interessieren weniger Romane sondern vielmehr Lebensberichte berühmter Menschen. Bin neugierig zu erfahren wie haben sie gelebt und wie sind sie das geworden, als das man sie verehrt und liebt.

Nelson Algren sei, sagte Beauvoir einmal, ihre leidenschaftlichste Liebe gewesen, eine Liebe, in der, wie sie 1949 an ihn schreibt, "Herz, Seele und Körper eins sind".

Diese leidenschaftliche Liebe spiegelt sich in dem von Dir eingesetzten Brief wider, liebe Maxi.

LG Sirona

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Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Maxi41 vom 01.07.2015, 13:43:21
liebe Bärbel,

durch die Anwort von Sirona bin ich wieder auf Dich und Deinen eingesetzten Brief von Simone de Beauvoir aufmerksam geworden.

Ja, das war eine absolut moderne Frau. Ihre Biografie las ich
vor ca. S0 Jahren. Damals war Sartre und seine Zeit für mich
wichtig, da er auch als Vermittler im Stammheimer Prozess auf-
trat.

lieben Gruss
Clematis
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Käthe Kollwitz
an
Sohn Hans

(Auszug)
Sonntag, den 15. Oktober 1916

Mein Junge, was hab ich heute Vormittag für herrliche Musik gehört! Die Missa solemnis. Welche Gewalt! Das Credo mit den felsenfesten unerschütterlichen Eingangstönen und dem geheimnisvollen et incarnatus est de spiritu sancto ex Maria virgine et homo factus est.

Dann das herrlich gelöste Sanctus und der Schluss: dona nobis pacem. Neulich las ich, dass Beethoven wie ein Besessener oft außerhalb der Stadt herumgelaufen ist, laut singend, einmal direkt in ein Fuhrwerk herein und vom Kutscher grob ausgeschimpft wurde. Das glaube ich. Trotz der intensiven Arbeit, die der Musiker leistet, hat man doch nur von den zwei Künsten, der Poesie und der Musik den Eindruck direkter göttlicher Eingebung und Offenbarung. Hat auf mich je ein Bild oder eine Plastik so gewirkt wie Faust oder die Neunte! Bei der Musik ist doch auch der Weg ein weiter von der ersten Konzeption bis zur Vollendung, die Mühe ist wohl mindestens dieselbe. Die Wirkung auf die anderen Menschen ist aber ungleich intensiver.

Deine Mutter

Künstler-Gedenken(Clematis)


Clematis
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 08.07.2015, 07:29:42
Dieser Brief von Käthe Kollwitz trifft mich mitten ins Herz. Es tut richtig gut von Menschen zu lesen und auch zu wissen, die wie ich die Beethoven’ Musik unglaublich schätzen und lieben. Glücklich wer eine solche Mutter sein eigen nennen kann!

Beethoven muss in den letzten Jahren, bedingt durch seine Taubheit, recht wunderlich geworden sein. Das Hauspersonal soll sich sogar aufgrund seiner Eigenheiten vor ihm gefürchtet haben. Er lebte halt in einer völlig anderen Welt und nahm das was um ihn herum geschah gar nicht mehr wahr, sein Geist schwebte in anderen Äonen.

Damit der Leser sich ein Bild von dem machen kann, von dem Käthe Kollwitz derart schwärmt, gebe ich einmal das entsprechende Video ein. Musik wie aus einer anderen Welt!

Missa solemnis
Krassimira Stoyanova, soprano
Elina Garanca, mezzo soprano
Michael Schade, tenor
Franz-Josef Selig, bass


Danke, liebe Clematis, für diesen morgendlichen Genuß! Beethoven ist mir halt der liebste von allen Komponisten und kann nicht genug über ihn erfahren.

LG Sirona
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Hans Christian Andersen

aus seinen Erinnerungen „Eines Dichters Bazar“

Der dänische Dichter hatte Felix Mendelssohn Bartholdy schon 1830 kennengelernt. Im Sommer 1841 befand er sich auf der Rückreise aus dem Orient

Und fort brauset die Dampfmaschine über Feld und Wiese nach Leipzig, nach Magdeburg, und wieder mit Dampf nach Deutschlands äußerster Ecke, dem mächtigen Hamburg; es ist eine kurze Fahrt , man kann die Stunden zählen; aber wir halten unterwegs einige Tage an.
Die Melodien haben eine wunderbare Kraft; Freundschaft und Bewunderung sind eben so mächtig – Mendelssohn Bartholdy wohnt in Leipzig.

Wie behaglich und schön war es nicht in seiner Heimath; eine liebenswürdige und freundliche Gattin, und alles so festlich für den Fremden! Ein kleines Vormittagsconcert, in welchem ich David hörte, wurde in Mendelssohns Zimmer gegeben; die geistreiche Frau von Goethe aus Weimar und ich waren die glücklichen Gäste!

In der Kirche, auf derselben Orgel, die Sebastian Bach spielte, gab Mendelssohn mir eine von dessen Fugen und ein paar seiner Dichtungen zum Besten! Berg und Thal, Himmel und Abgrund brauseten ihren Hymnus aus den Orgelpfeifen; das war ein Kirchenconcert!

Aus:

Felix Mendelssohn Bartholdy
Ein Almanach
Henschel

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