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Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe

wolke07
wolke07
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Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von wolke07
als Antwort auf anjeli vom 24.06.2015, 20:52:05
hallo anjeli
Was uns Heutigen so unfaßlich erscheint, ist die Tatsache, daß Josephine trotz ihrer tiefen Liebe zu Beethoven sich von ihm abwandte. Ebenso unfaßlich erscheint es, daß eine so edle Frau trotz ihrer Liebe zu Beethoven sich nicht mit ihm, sondern mit anderen Männern verband. Sie stürzte dadurch nicht nur Beethoven ins seelische Elend, sondern vor allem auch sich selbst.
Beethoven, die große, gemütstiefe Seele, blieb Josephine trotz allem in Freundschaft und tiefer Liebe verbunden. Noch zehn Jahre später vermerkt Fanny Giannatasio in ihrem Tagebuch ein Bekenntnis Beethovens, das sie mitgehört hat:

Dennoch ist es jetzt wie am ersten Tag. Ich hab’s noch nicht aus dem Gemüth bringen können.
und das, obwohl ihm durch Josephines Gattenwahlen -
drei Männern hat sie sich anvertraut----

Der erste war Joseph Graf Deym von Střítež (1752-1804)

Der zweite war der estnische Baron Adam Christoph von Stackelberg

Der dritte war Edouard Carl Freiherr von Andrian-Werburg,

der gewisse Parallelen zu Stackelberg aufwies: Er war Lehrer der Kinder Josephines,

Gruss Wolke07
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
als Antwort auf wolke07 vom 25.06.2015, 09:47:31
Hallo wolke07,

Josephine konnte nicht anders handeln, eine Ehe zwischen einer Adeligen und einem Bürgerlichen war damals unmöglich. Und hätte Josephine dennoch Beethoven geheiratet, hätte sie ihre Zugehörigkeit zum Adel und ihre Kinder verloren. Dieses Opfer wäre ihr wohl doch zu groß gewesen. Sie hat sich nicht von Beethoven abgewandt und hat sehr unter dieser Trennung gelitten. Mit keinem ihrer Ehemänner ist sie glücklich geworden. Zum Tod von Josephine widmete Beethoven ihr seine Sonate op. 110.

LG Sirona
Sirona
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Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
Nicht nur Beethoven und Josephine waren ein unglückliches Paar, ähnlich erging es Friedrich Hölderlin und Suzette Gontard. Hölderlin war Hofmeister (so nannte man zu der Zeit die Hauslehrer) in einer Frankfurter Kaufmannsfamilie – Gontard. Es entwickelte sich zwischen der Hausherrin (Suzette) und Hölderlin eine tiefe Liebe, die nicht unentdeckt bleiben konnte. Nach dem Zerwürfnis mit dem Ehemann von Suzette verließ Hölderlin seine Stellung, die Liebenden wurden getrennt. Aber nicht nur Suzette litt Qualen, auch ihr kleiner Sohn Henry der sehr an Hölderlin gehangen hat.

Im Sept. 1798 schrieb der 11-Jährige einen Brief an seinen ehemaligen Hofmeister:

Lieber Hölder!
Ich halte es fast nicht aus, daß Du fort bist. Ich war heute bei Herrn Hegel, dieser sagte, Du hättest es schon lange im Sinn gehabt; als ich wieder zurück ging, begegnete mir Herr Hänisch, welcher den Tag Deiner Abreise zu uns kam, und ein Buch suchte; er fand es, ich war gerade bei der Mutter, er fragte die Jette, wo Du wärst, die Jette sagte Du wärst fort gegangen, er wollte eben auch zu Herrn Hegel gehn, und nach Dir fragen, er begleitete mich, und fragte, warum Du fort gegangen wärst und sagte, es schmerzte ihn recht sehr. Der Vater fragte bei Tische, wo Du wärst, ich sagte Du wärst fortgegangen und Du ließt Dich ihm noch empfehlen. Die Mutter ist gesund und läßt Dich noch vielmals grüßen, und Du möchtest doch recht oft an uns denken, sie hat mein Bett in die Balkonstube stellen lassen und will alles, was Du uns gelernt hast, wieder mit uns durchgehn. Komm’ bald wieder bei uns, mein Hölder; bei wem sollen wir denn sonst lernen. Hier schick ich Dir noch Tabak und der Herr Hegel schickt Dir hier das 6. Stück von Posselt’s Annalen.
Leb wohl, lieber Hölder, ich bin Dein Henri

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Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 25.06.2015, 12:31:26
Ja, Hölder und Henry.
Hier eine liebenswerte Ergängung:

Henry hatte ihn zu seinen Silberpappeln gelockt. Im Westen, zum Taunus hin, säumten Silberpappeln einen Bach. Tagsüber, wenn die Sonne gegen sie stand, gltzerten sie und wurden zu schwerelosen Körpern. Henry liebte es, auf sie zuzuwandern: Weil sie immer wirklicher werden und weil sie, wenn man ihnen nah ist, zu flüstern beginnen. Pappeln sind die enzigen Bäume, die immerfort sprechen.

Gehst du mit zu den Pappeln, Hölder?
Gern, Henry.
Sie unterhalten sich über die Leute auf dem Fest, Henry beschwert sich über deren Hochmut:

Sie tun so, als ob es keine Kinder gibt.
Weißt du, sie sind schon alt auf die Welt gekommen.
Das belustigt den Jungen.
So groß und alt wie sie sind?
Inwendig alt, Henry.
Und du, du bist inwendig jung?
Ich bin älter als sie alle.
Das glaub ich nicht. Du bist inwendig wie ich.
Wenn du wünschst, will ich es wenigstens bis zu
den Pappeln sein.
Und zurück, sagt Henry.
Ja, und zurück.

Den Tag darauf verließ er Hals über Kopf das Haus.

aus:
Peter Härtling
Hölderlin
Sammlung Luchterhand

So verstehe ich den Schmerz den Kindes ganz und gar.
Clematis
Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.06.2015, 12:56:50
Wilhelm Busch
an
Maria Anderson

Wolfenbüttel, den 11. April 75

Liebs guts Madamchen!

Es freut mich von Herzen, daß die naßkalte Witterung so günstig auf Ihre Moralität einwirkt. Sie lieben Ihre Freunde und verzeihen Ihren Feinden. Ach, du lieber Himmel! Wenns mir doch auch so ginge! Aber mich, mich abscheulich verhärterten Sünder hat noch immer das alte Testament beim Frack; ob's regnet oder schneit oder die Sonne aus allen Löchern scheint; es bleibt dabei:
So Dich Jemand auf den linken Backen schlägt, so reiße ihm das rechte Auge aus und wirf es von Dir!
Drum, Sie gute Heilige, schließen Sie mich gefälligst in Ihre Gebete ein!
Und so haben Sie als den Frühling "in der Nase"? Nehmen Sie sich nur recht in Acht, sonst sprossen und blühen Ihnen am Ende noch Rosen und Vergißmeinnicht daraus hervor; ein ganzes Geburtstagsbouquet. Na, da gratulir ich!

...

aus:
Wilhelm Busch
Sämtliche Werke - Bertelsmann 1960
Band 1
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
Beethoven an Bettina Brentano 10. Februar 1811
Geliebte, liebe Bettine!
ich habe schon zwei Briefe von Ihnen und sehe aus Ihrem Briefe an die Toni (das ist Antonia, MS), daß Sie sich immer meiner, und zwar viel zu vorteilhaft erinnern..... an Goethe, wenn Sie ihm von mir schreiben, suchen sie all die Worte aus, die ihm meine innigste Verehrung und Bewunderung ausdrücken, ich bin eben im Begriff, ihm selbst zu schreiben wegen Egmont, wozu ich die Musik gesetzt, und zwar bloß aus Liebe zu seinen Dichtungen, die mich glücklich machen...
Nun leb wohl, liebe, liebe B.; ich küsse Dich auf Deine Stirne und drücke damit, wie mit einem Siegel, alle meine Gedanken für Dich auf. Schreiben Sie bald, bald, oft Ihrem
Freund Beethoven

Antonie Brentano schreibt an ihre Schwägerin Bettina von Arnim in Berlin Wien, den 11. März 1811
Beethoven ist mir einer der liebsten Menschen geworden, sein Umgang enthüllt seine Vortrefflichkeiten, sein Spiel läßt eine allen andren Empfindungen unähnliche Empfindung empfinden, seine dunkel beschattete Stirne enthält unter hoher Wölbung den Sarkophag der Tonkunst, aus welchen er verklärte Gestalten erwekt, sein ganzes Wesen ist einfach, edel, gutmüthig, und seine Weichherzigkeit würde das zarteste Weib zieren, es spricht für ihn daß ihn wenige kennen, noch weniger verstehen. Er besucht mich oft, beinahe täglich, und spielt dann aus eignen Antrieb, weil es ihm Bedürfniß ist Leiden zu mildern, und er fühlt daß er es mit seinen himmlischen Tönen vermag, in solchen Augenbliken muß ich dich oft lebhaft herbey wünschen liebe Bettine, das solche Macht in den Tönen liegt habe ich noch nicht gewußt wie es mir Beethoven sagt.

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Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 25.06.2015, 12:28:01
Hallo wolke07,

Josephine konnte nicht anders handeln, eine Ehe zwischen einer Adeligen und einem Bürgerlichen war damals unmöglich. Und hätte Josephine dennoch Beethoven geheiratet, hätte sie ihre Zugehörigkeit zum Adel und ihre Kinder verloren. Dieses Opfer wäre ihr wohl doch zu groß gewesen. Sie hat sich nicht von Beethoven abgewandt und hat sehr unter dieser Trennung gelitten. Mit keinem ihrer Ehemänner ist sie glücklich geworden. Zum Tod von Josephine widmete Beethoven ihr seine Sonate op. 110.

LG Sirona


Ich hab was passendes gefunden, liebe Sirona:

Josephine an Beethoven, leider ohne Datum

Der nähere Umgang mit Ihnen, lieber Beethoven, diese Wintermonate hindurch liess Eindrücke in meinem Gemüte zurück, die keine Zeit - keine Gegenstände tilgen werden. Ob Sie froh oder trauernd sind? - mögen Sie sich selbst sagen. - Auch - was Sie - in dieser Hinsicht, durch Beherrschung - oder freie Überlassung Ihrer Gefühle - dabei vermindern oder vermehren.

Meine ohnedies für Sie enthusiastische Seele noch ehe, als ich Sie persönlich kannte - erhielt durch Ihre Zuneigung Nahrung. Ein Gefühl, das tief in meiner Seele liegt und keines Ausdrucks fähig ist, machte mich Sie lieben; noch ehe ich Sie kannte, machte Ihre Musik mich für Sie enthusiastisch - die Güte Ihres Charakters, Ihre Zuneigung vermehrte es - dieser Vorzug, den Sie mir gewährten, das Vergnügen Ihres Umgangs hätte der schönste Schmuck meines Lebens sein können, liebten Sie mich minder sinnlich - dass ich diese sinnliche Liebe nicht befriedigen kann - zürnen Sie auf mich. -

Ich müsste heilige Bande verletzen, gäbe ich Ihrem Verlangen Gehör. - Glauben Sie - dass ich, durch Erfüllung meiner Pflichten, am
meisten leide - und dass gewiss edle Beweggründe meine Handlungen leiteten.

aus:
Paul Nettl: Beethoven
Fischer Bücherei Nr. 248
1958

"Ich müsste heilige Bande verletzen...." das berührt
mich tief.

Clematis
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
Dass die Ehe und ihre Verpflichtungen für Josephine als etwas Heiliges galt, spricht für ihren aufrichtigen Charakter. Ihre Liebe sollte nicht durch einen Ehebruch entehrt werden. Diese innige Liebe zu Beethoven sollte nicht durch ein sinnliches Handeln beschmutzt werden.
Wie sehr aber Beethoven Josephine liebte und begehrte zeigt sein intensiver Wunsch sich ganz mit ihr zu verbinden. Dafür wäre er sogar seinem Grundsatz, niemals in eine Ehe einbrechen zu wollen, untreu geworden.

In einem Entschuldigungsbrief an den eifersüchtigen Ehemann der französischen Pianistin Marie Bigot betonte Beethoven diesen seinen Grundsatz:

...ohnedem ist es einer meiner ersten Grundsätze nie in einem andern als Freundschaftlichen Verhältniß mit der Gattin eines andern zu stehen.

Was war der Anlass zu diesem Schreiben, was war geschehen? Anfang März 1807 lud Beethoven Marie und deren Schwester zu einer Spazierfahrt ein, als ihr Mann abwesend war. Dessen offensichtlich eifersüchtige Reaktion veranlasste Beethoven, kurz darauf einen Entschuldigungsbrief zu schreiben, in dem er Obiges betonte.

Danke liebe Clematis für die weiteren Informationen bzgl. Josephine und Beethoven. Aber genau das Ideal einer Ehefrau, wie diese Josephine verkörperte, hatte Beethoven immer gesucht. Diese Vorstellung wird auch in seiner einzigen Oper „Fidelio“ nur zu deutlich.

LG Sirona
Sirona
Sirona
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Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
Susette Gontard ist Hölderlins "Diotima"
Nach der Trennung schrieben sich die beiden Liebenden noch einige Briefe, in denen ihr Schmerz, ihre Sehnsucht und Ausweglosigkeit ihrer Lage herzergreifend zum Ausdruck kommt.

Frankfurt, etwa Ende September/Anfang Oktober 1798
Ich muß Dir schreiben Lieber! Mein Herz hält das Schweigen gegen Dich länger nicht aus, nur noch einmal laß meine Empfindungen sprechen vor Dir, dann will ich, wenn Du es besser findest, gerne, gerne, still sein.
Wie ist nun, seit Du fort bist, um und in mir alles so öde und leer, es ist als hätte mein Leben alle Bedeutung verloren, nur im Schmerz fühl ich es noch …
Wie lieb ich nun diesen Schmerz, wenn er mich verlassen und es wieder dumpf in mir wird, wie such ich ihn mit Sehnsucht wieder, nur meine Tränen über unser Schicksal können mich noch freun … Sie fließen auch reichlich, wenn ich Abends, schon um neun Uhr, den Tag zu verkürzen, mit den Kindern zur Ruhe mich lege, wenn alles still ist und niemand mich sehen kann. Wie! dachte ich dann oft, soll künftig diese geliebte, reine Liebe wie Rauch verfliegen und sich auflösen, nirgends eine bleibende Spur zurücklassen? – Da kam der Wunsch in mich, noch durch geschriebene Worte, für Dich, ihr ein Monument zu errichten das unauslöschlich die Zeit doch unverändert schonet. Wie möchte ich, mit glühenden Farben, bis auf ihre kleinsten Schattierungen, sie malen, und sie ergründen, die edle Liebe des Herzens, könnte ich nur Einsamkeit und Ruhe finden! So, beständig gestört zerrissen, kann ich nur stückweise sie fühlen, suche sie beständig, und doch ist sie ganz in mir! –
Im offnen, freien Feld ist es mir noch am besten, und ich sehne mich beständig hinaus, wo ich den lieben Feldberg sehe, der Dich Böser wie eine Wand sanft aufhält, daß Du mir nicht weiter entfliehest! – Komm ich aber wieder nach Hause, ist es nicht mehr wie sonst, sonst wurde es mir so wohl, wieder in Deine Nähe zu kommen, jetzt ists als ginge ich in einen großen Kasten mich da einsperren zu lassen; kamen sonst meine Kinder, von Dir, zu mir herunter, wie stärkte es mein oft traurend Wesen, wenn eine sanfte Röte, ein tieferer Ernst, eine Träne im Aug mir noch den Einfluß von Dir verriet, jetzt haben sie nicht mehr diese Bedeutung für mich und ich muß oft meine Gefühle für sie zurechte weisen …

An Suzette Gontard – vermutlich Ende Juni 1799

Täglich muß ich die verschwundene Gottheit wieder rufen. Wenn ich an große Männer denke, in großen Zeiten, wie sie, ein heilig Feuer, um sich griffen, und alles Tote, Hölzerne, das Stroh der Welt in Flamme verwandelten, die mit ihnen aufflog zum Himmel, und dann an mich, wie ich oft, ein glimmend Lämpchen, umhergehe, und betteln möchte um einen Tropfen Öl, um eine Weile noch die Nacht hindurch zu scheinen - siehe! da geht ein wunderbarer Schauer mir durch alle Glieder, und leise ruf ich mir das Schreckenswort zu: lebendig Toter!

Weißt Du, woran es liegt, die Menschen fürchten sich voreinander, daß der Genius des einen den andern verzehre, und darum gönnen sie sich wohl Speise und Trank, aber nichts, was die Seele nährt, und können es nicht leiden, wenn etwas, was sie sagen und tun, im andern einmal geistig aufgefaßt, in Flamme verwandelt wird. Die Törigen! Wie wenn irgend etwas, was die Menschen einander sagen könnten, mehr wäre als Brennholz, das erst, wenn es vom geistigen Feuer ergriffen wird, wie der zu Feuer wird, so wie es aus Leben und Feuer hervorging. Und gönnen sie die Nahrung nur gegenseitig einander, so leben und leuchten ja beide, und keiner verzehrt den andern.

Erinnerst Du Dich unserer ungestörten Stunden, wo wir und wir nur umeinander waren? Das war Triumph! beede so frei und stolz und wach und blühend und glänzend an Seel und Herz und Auge und Angesicht, und beede so in himmlischem Frieden nebeneinander! Ich hab es damals schon geahndet und gesagt: man könnte wohl die Welt durchwandern und fände es schwerlich wieder so. Und täglich fühl ich das ernster.




Irma Hildebrandt schrieb: “dieses beglückende Zusammensein, ist ... nicht von dieser Welt, es haben sich zwei Seelen, nicht zwei Körper gefunden.”
Sirona
Sirona
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Re: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
Goethe an Frau von Stein - 28.Juni 1784


Nun wird es balde Zeit, liebe Lotte, dass ich wieder in deine Nähe komme: denn mein Wesen hält nicht mehr zusammen; ich fühle recht deutlich, dass ich nicht ohne dich bestehen kann. Der Ausschußtagsabschied ist signiert; nun kann es nicht mehr lange währen, ich rechne noch eine Woche, dann werde ich loskommen können.
Das Wetter ist höchst elend. Man kann nicht vors Thor, und was innerhalb der Mauern von Schönheiten und Artigkeiten lebt, hat allenfalls nur einen augenblicklichen Reiz für mich und kann kaum das Regenwetter balancieren, geschweige einen so wesentlichen Mangel, als der ist,den ich von Morgen bis zu Abend empfinde.

Ja liebe Lotte, jetzt wird es mir erst deutlich, wie du meine eigene Hälfte bist und bleibst. Ich bin kein einzelnes kein selbstständiges Wesen. Alle meine Schwächen habe ich an dich angelehnt, meine weichen Seiten durch dich beschützt, meine Lücken durch dich ausgefüllt. Wenn ich nun entfernt von dir bin, so wird mein Zustand höchst seltsam. Auf einer Seite bin ich gewaffnet und gestählt, auf der anderen wie ein rohes Ei, weil ich da versäumt habe, mich zu harnischen, wo du mir Schild und Schirm bist. Wie freue ich mich, dir ganz anzugehören und dich nächstens wiederzusehen! Alles lieb ich an dir, und alles macht mich dich mehr lieben.
 Der Eifer, wie du in Kochberg deine Haushaltung angreifst, von dem mir Stein mit Vergnügen erzählt, vermehrt meine Neigung zu dir, läßt mich deine innerlich thätige und köstliche Seele sehen. Lotte bleibe mir und, was dich auch interessieren mag, liebe mich über alles!


Wow - welche Worte!

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