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Literatur Literaturliebhaber denken heute an...

ehemaligesMitglied47
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Re: Literaturliebhaber denken heute am 9. Juli z. B. an Paula Dehmel
geschrieben von ehemaligesMitglied47
als Antwort auf enigma vom 09.07.2009, 07:52:07
...das war wieder ein genüssliches Frühstück... meinen Milchkaffee schlabbern und eure täglichen Eiträge lesen ... wunderbar. Vielleicht kann ich später noch etwas exotisches beisteuern , aber momentan hab ich einfach zu viel um die Ohren Danke!
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cundinamarca
enigma
enigma
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Re: Literaturliebhaber denken heute am 9. Juli z. B. an Paula Dehmel
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaligesMitglied47 vom 09.07.2009, 08:13:36
Ja, schreib`mal, Cundinamarca!

Ich möchte auch noch unbedingt auf jemanden aufmerksam machen, dessen Werke man weniger der Belletristik zuordnen kann, sondern eigentlich eher den Sachbüchern.
Aber die sind so populärwissenschaftlich geschrieben, dass jede(r) sie gut verstehen kann.
Ich würde mir auch wünschen, dass viele Menschen seine Bücher lesen würden, alleine, um den Begriff der “Normalität” zu relativieren und nicht Menschen abzulehnen, die “etwas anders als Andere” sind.

Ja, ich spreche von Oliver Sacks, einem britischen Neurologen und Schriftsteller, geboren am 9. Juli 1933.

Und seine Bücher sind genau so, wie u.a. auch in “Wikipedia” zu lesen ist: Er beschreibt komplexe Krankheitsbilder in wirklich sehr leicht lesbarem Stil.
Wichtig finde ich seine Intention, dass sich hinter jeder Erkrankung ein individueller Mensch verbirgt und dass man in diesem Schicksal den Menschen erkennen und seine eigene “Normalität” hinterfragen sollte.

Harold Pinter schrieb nach einigen der Fallgeschichten von Sacks das Theaterstück “A kind of Alaska” und 1990 wurden sie in dem Film “Awakenings” (ein toller Film, den man jedem empfehlen kann!) mit den Darstellern Robin Williams und Robert de Niro verarbeitet.


Ich habe das Buch “Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte” gelesen. Das beinhaltet 20 Geschichten von Menschen, die “aus der Normalität gefallen sind”.
Es ist wirklich sehr leicht verständlich geschrieben.
Doris Lessing soll über das Buch gesagt haben: “Es macht uns bewusst, dass wir auf Messers Schneide leben”.
Und der Autor selbst ist im Klappentext folgendermaßen erwähnt:

“Das Lieblingswort der Neurologen ist “Ausfall.” Und sagt weiter, dass sie (die Neurologen) darauf gedrillt seien, Hirnerkrankungen als Defizite zu begreifen und zu behandeln. Sacks aber will sich nicht den Mängeln, sondern den Überschüssen und Übersteigerungen zuwenden, den besonderen Fähigkeiten, die viele Psychiatrie-Patienten entwickeln.

Klappentext:
“Oliver Sacks erzählt mit Menschlichkeit und Wärme und einer Genauigkeit in der Beschreibung, die uns zum Spiegel wird, in dem wir die Fragwürdigkeit unserer Normalität erblicken.”

Das Buch ist wunderbar, ich kann es wirklich nur jedem Menschen, den solche Themen interessieren, empfehlen.

Als letztes Buch hat Sacks das Buch “Der einarmige Pianist - Über Musik und das Gehirn” (deutsche Übersetzung) veröffentlicht. Herausgekommen ist es 2008.
Aber das kenne ich noch nicht.

So, das wollte ich noch loswerden.......

Gruß und tschüss.....

--
enigma
longtime
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Re: Literaturliebhaber denken heute am 9. Juli z. B. an Friedich II., den Preußenkönig
geschrieben von longtime
als Antwort auf enigma vom 09.07.2009, 11:08:38
Heutigen Datums:
Ein Gedicht des Preußenkönigs an Voltaire an den fanzösischen Dichter und Satiriker:


Friedrich II.
An Voltaire

(9. Juli 1777)

Da sitzt er nun, der alte Mann,
Phlegmatisch, schweigsam, herzenskalt;
Fängt er einmal zu sprechen an,
So gähnt ein jeder Hörer bald;
Statt launiger Rede, die ein Gran
Attischen Salzes leidlich würzte,
In guten Tagen dann und wann
Die Stunden angenehm verkürzte,
Gibt’s heute nichts als Politik
Und dunkelste Metaphysik;
So langweilig hört sich das an
Wie irgendein moderner Roman.
Luftsprünge früher, heut‘ schleicht das an Krücken,
Einst Kraft und Leben, heut‘ Lumpen und Flicken!
Ach Gott, so ändern sich die Zeiten!
Als wenn der milde Zephyrus
Die Herrschaft in des Luftreichs Weiten
Dem Nordwind überlassen muß.
Nun ist’s wie Sterben in der Welt:
So welk und öde liegt das Feld,
Der Baum steht da von Blättern bloß,
Der Garten kahl und blütenlos.
So spürt der Mensch mit leisem Beben
Die Hand der Zeit an seinem Leben.
Die Jugend geht im Irrtum dahin;
Kaum lernt man erkennen, kaum schärft sich der Sinn,
Da kommt die Mühsal, da kommen die Leiden,
Und es dauert nicht lange, da heißt es scheiden.

*
(Aus: Poetische Seitensprünge: Gedichte von Friedrich II. von Preußen, Berlin 1990)


Zwischen Volatire und Friedrich II. gab es viel persönlichen, brieflichen und poetischen Verkehr.

Davon morgen noch!

--
longtime

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longtime
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Re: Literaturliebhaber denken heute am 10. Juli z. B. an Erich Mühsam
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 09.07.2009, 22:42:49
Ich erinnere an Erich Mühsam, der besonders pazifistische Ideen und ein besonders mühseliges Geschick auf dieser Erde hatte: 06.04.1878 als drittes Kind des Apothekers Siegfried Seligmann Mühsam und seiner Frau Rosalie geb. Cohn in Berlin. 1879 Übersiedlung der Familie nach Lübeck. - Er wurde schon 1896 wegen "sozialistischer Umtriebe" von der Schule relegiert.
– Er starb als Opfer der Nazis und bürgerlichen Unmenschen am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg.
*
Im ST wurden häufiger wichtige Gedichte von Mühsam eingestellt.

*

Ein Textvorschlag gefällig?

Erich Mühsam: „Die Psychologie der Erbtante“. Eine Tanthologie aus 25 Einzeldarstellungen als Beitrag zur Lösung der Unsterblichkeits-Frage.

Bei Gutenberg-online: Mühsam
Ein Gedicht von Mühsam:

Der friedliche Michel

Hört man nicht in allen Reden
feierlich den Krieg befehden?
Und besonders bei Visiten
an den Höfen fremder Fürsten —
fühlt man in den Redeblüten
nicht die Welt nach Frieden dürsten?
Stets gebärdet Michel sich
ringsherum freundnachbarlich.
Ja, das Deutsche Reich entschieden
ist beflissen auf den Frieden.
Doch — wenn die Hereros wollen
nicht gehorchen bis aufs Jota,
sie die Frechheit büßen sollen,
und man schickt den Herrn von Trotha!
Dennoch aber sag' ich euch:
Friede sinnt das Deutsche Reich!
Ja, der Kriegsgott liegt am Bändel,
und wir suchen nirgends Händel.
Dieses ward jüngst in Saarbrücken,
in Karlsruh' und Mainz gepredigt,
und wir sehn, wie mit Entzücken
alles friedlich sich erledigt.
Kriegsschiff und Kanone ruht -
wenn der Andre uns nichts tut!
Doch, da haben wir den Haken!
Unterm weißen Friedenslaken
schlummern so geheime Kräfte,
wo wir niemals wissen können,
ob man nicht als Flintenschäfte
sie wird eines Tags erkennen.----
Drum, ob man auch milde spricht -
Ich - trau diesem Frieden nicht!
(Aus: Der Wahre Jacob. 1904)


*

Ich lese z. Zt.:
Erich Mühsams Drama „Judas“ (in den Textauszügen bei Gutenberg-online)

Mühsams "Judas"
Judas. - Arbeiter-Drama in fünf Akten. 1920. (Geschrieben in der Haftanstalt Ansbach. Martin Andersen Nexö, dem Dichter, dem Freund, dem Genossen.)


--
longtime
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Re: Literaturliebhaber denken heute am 10. Juli z. B. an Erich Mühsam
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 10.07.2009, 01:12:55
(Ich habe den Beitrag über Mühsam nicht korrigiert; deshalb auch die nicht gelungenen URL.s von Gutenberg-online. Das Gedicht „Der friedliche Michel“ stell ich hier nochmals ein, weil die Struktur der Strophen sonst gar nicht mehr erkennbar ist.)

Erich Mühsam
Der friedliche Michel


Hört man nicht in allen Reden
feierlich den Krieg befehden?
Und besonders bei Visiten
an den Höfen fremder Fürsten —
fühlt man in den Redeblüten
nicht die Welt nach Frieden dürsten?
Stets gebärdet Michel sich
ringsherum freundnachbarlich.

Ja, das Deutsche Reich entschieden
ist beflissen auf den Frieden.
Doch — wenn die Hereros wollen
nicht gehorchen bis aufs Jota,
sie die Frechheit büßen sollen,
und man schickt den Herrn von Trotha!
Dennoch aber sag' ich euch:
Friede sinnt das Deutsche Reich!

Ja, der Kriegsgott liegt am Bändel,
und wir suchen nirgends Händel.
Dieses ward jüngst in Saarbrücken,
in Karlsruh' und Mainz gepredigt,
und wir sehn, wie mit Entzücken
alles friedlich sich erledigt.
Kriegsschiff und Kanone ruht -
wenn der Andre uns nichts tut!

Doch, da haben wir den Haken!
Unterm weißen Friedenslaken
schlummern so geheime Kräfte,
wo wir niemals wissen können,
ob man nicht als Flintenschäfte
sie wird eines Tags erkennen.----

Drum, ob man auch milde spricht -
Ich - trau diesem Frieden nicht!

*

(Aus: Der Wahre Jacob. 1904. – „Der Wahre Jacob“ war eine deutsche Satirezeitschrift, die, 1879 gegründet, mit Unterbrechungen bis 1933 erschien.)


--
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cecile
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Re: Literaturliebhaber denken heute am 10. Juli z. B. an Erich Mühsam
geschrieben von cecile
als Antwort auf longtime vom 10.07.2009, 07:11:19
Mit großem Interesse, Longtime, habe ich deine Reminiszenz an Erich Mühsam gelesen ... er ist jede Zeile wert, die an ihn erinnert.

Ich habe - zugegebenermassen reflexartig - bei Tucholsky nach einer Stellungnahme gesucht.
Kurioserweise bin ich nicht sehr fündig geworden: nur einige parteinehmende Notizen zu der Festungshaft von Mühsam und andern Leidensgenossen.
Vielleicht habe ich auch nur an der falschen Stelle gesucht....

......


Heute möchte ich an den Todestag einer französischen Autorin erinnern, die mich persönlich sehr bewegt hat .... Albertine Sarrazin.
Ich suche nur schnell die deutschsprachigen Links zusammen ...

Bis später

--
cecile

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cecile
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Re: Literaturliebhaber denken heute am 10. Juli z. B. an Erich Mühsam
geschrieben von cecile
als Antwort auf cecile vom 10.07.2009, 12:51:05
Albertine Sarrazin , geboren 1937 in Alger, gestorben am 10. Juli 1967 in Montpellier, hatte leider nicht viel Zeit, sich in der Literaturszene zu profilieren.

Ihr eigenes Leben war ein wilder Roman .... man sollte den dürftigen deutsprachigen Wikipedia-Beitrag (vor allem, was die zwielichtige Rolle ihres leibhaftigen Vaters angeht - sie war bestimmt nicht das beschriebene adoptierte Findelkind) nicht als Maßstab nehmen.

Das kurze Leben der Albertine Sarrazin

Als 1964, unterstützt von Menschen wie Simone de Beauvoir, der autobiografische Roman L'Astragale (in Deutsch: Der Astragal) herauskam, war es schon eine kleine literische Sensation: die Schilderung ihrer Flucht und der schwerwiegenden Fußverletzung beim Sprung über die Gefängnismauer, der großen Liebe zum kleinen Delinquenten Julien und dem sich abzeichnenden Leidensweg:
L'Astragale wurde ein Riesenerfolg.
Das Buch wurde 1968 verfilmt: mit Marlène Jobert als Albertine und Horst Buchholz als Julien .. der Film war, glaube ich, auch in Deutschland zu sehen...

Ab 1967 schienen sich die Lebenswege von Albertine und Julien Sarrazin in ruhigere und glücklichere Fahrwasser zu begeben ... aber sie starb am 10. Juli 1967 während einer schludrig durchgeführten Operation ...

Albertines erste Werke waren vielversprechend.
Sie wäre vielleicht eine ganz Große geworden .....


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cecile
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Re: Literaturliebhaber denken heute am 10. Juli z. B. an Erich Mühsam
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 10.07.2009, 07:11:19
Ich trage dieses Porträt nach zu Erich Mühsam:

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Re: Literaturliebhaber denken heute am 11. Juli z. B. an Christoph Meckel
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 10.07.2009, 20:25:53
Zum 11. Juli:

Ich erlaube mir heute ein Erinnerung an Christoph Meckel (* 12.Juni 1935), der zwar heute keinen zahlenmäßigen Gedenktag hat, aber für mich lebhaft erinnerbar bleibt wegen einer Schullesung, die er vor Jahren an einem vorletzten Schultag vor den Sommerferien an einem Gymnasium, das ihn eingeladen hatte mit Büchern und Bildern, eindrucksvoll gestaltete.

Über Meckels Leben und Werk:


Erinnerung an Meckels Gedicht „Und du?“:


Christoph Meckel:
Und du?

Die Schnecke
hat ein Haus
ohne Fenster,

der Wiedehopf
eine Feder
ohne Hut,

der Teufel
einen Pferdefuß
ohne Pferd,

und was hast du?


(Aus: Chr. M.: Pferdefuß. Gedichte. Ravensburger Taschenbuch Verlag, Ravensburg .1988. – Zum Ramschpreis erhältlich.)


Vom Pferdefuß spricht keiner mehr ungeniert und ohne medizinische Veranlassung, wenn ein orthopädisches Leiden gemeint ist.


"Pferdefuß" war und bleibt als Ausnahmerede eine unrealistische Redensart oder eine dumm-satanoloigsche Mittelalter-Drohung.
Im Umgangssprachlichen will man damit erinnern, dass man sich den Teufel als Menschen mit einem Pferdefuß vorstellte; daran konnte man also den Teufel erkennen; so wollte man wissen, wenn man besonders kundig und bedrohlich auf einfache, meist infantile Seelen wirken wollte, und zeichnete und verbreitete einen solchen Unsinn, der nur Kindern und Mitmenschen Probleme bereitete, die eine orthopädische Benachteiligung erlitten hatte


Es ist eine Domäne der Dichter, angeblich vor-rationale Räume der Wahrnehnmung oder des Bewusstseins zu erfassen.
Mit sprachlichen Phantasmen und Träumen kann mensch jene Bereiche der Wirklichkeit, die jenseits der positivistisch erfassten Faktizitäten liegen, und mit Metaphern wirkungsvoll beleuchten.

Ein poetischer Träumer als Dichter Grafiker ist Christoph Meckel (geb. 1935): ein lyrischer Phantast mit einer großen Empfindlichkeit für die Schönheiten und Wunder, die auch noch in unserer häufig technisch entzauberten oder mdial deformierten Welt der Moderne und in den Seelen der Mit-Menschen zu entdecken sind.

*

Aus dem Lyrik-Kalender des dradio.de:

"Oft lockern sich in Meckels Gedichten die vertrauten Weltverankerungen und alles gerät in eine surreale Schwebe. Der Autor hat auch eine gewisse Vorliebe für graziös verspielte Kindergedichte, in denen die Wunder der Schöpfung in fast naiver Beschwörung aufgerufen werden.

So entsteht in diesem Gedicht aus den 1980er Jahren ein schönes Rätselbild, das faszinierende Charakteristika von Tieren und eines Dämons benennt, um abschließend nach den Eigentümlichkeiten des Menschseins zu fragen."




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Re: Literaturliebhaber denken heute am 11. Juli z. B. an Axel Hacke
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 11.07.2009, 08:16:15
„Das Beste aus aller Welt“ - Axel Hackes Geschichten in der SZ!

An sie will ich heute noch erinnern, obwohl sie schon gestern erschienen ist in dem SZ-Magazin 29/2009.S. 38.

Ich habe sie aber erst heute gelesen - und will davon mitteilen.

Den Begriff des "Maschinendieners" hat es mir dabei angetan; deshalb bitte ich die geneigten ST-Wochenende-LeserInnen um einen kleinen, virtuell-technischen Umweg über den TIPP:

Viel ästhetisches oder sonstiges Vergnügen - und ein "Schönes Wochenende" - als mein Gruß an die hiesigen Literaturfreunde!


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longtime

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