Forum Kunst und Literatur Literatur Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute - am 9.10. - z.B. an:

Literatur Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute - am 9.10. - z.B. an:

longtime
longtime
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Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 16.11. z.B - ja ist dass denn Gerhart Hauptmann?
geschrieben von longtime
als Antwort auf miriam vom 16.11.2009, 22:09:31
Ja, danke, miriam.

- Ausgelöst wurd die Darstellung ja durch deinen Impuls!


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longtime
miriam
miriam
Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 16.11. z.B - ja ist dass denn Gerhart Hauptmann?
geschrieben von miriam
als Antwort auf longtime vom 17.11.2009, 07:48:34
Und nun, Longtime? Wo bleibt der heutige große Name?

Ich hielt und halte mich weiterhin dabei dezent und in aller Bescheidenheit zurück und warte, dass du Longtime das Thema über Joachim Ringelnatz ausführlich behandelst. (Bin mir nicht so ganz sicher, ob es sich bei mir nicht eher um Faulheit handelte!).

Hier nun von mir nur einige wenige Daten:

Joachim Ringelnatz - eigentlich Hans Bötticher: geboren am 07.08.1883, starb am 17.11.1934. Er war ein bedeutender Schriftsteller und Kabarettautor - war aber auch Maler.

Für mich ist Joachim Ringelnatz nicht nur wegen seiner wunderbaren Gedichte so wichtig, sondern auch weil er ein wohltuender farbiger Ruhepunkt ist in dieser Landschaft der Dichter und Denker. Ob das Wort Ruhepunkt zutrifft, sei dahingestellt.

Natürlich ist Ringelnatz auch beides: Dichter und Denker. Aber anders, weniger anstrengend – und ganz sicher nicht das Cliché (wenn es ein solches ist?) der Humorlosigkeit die man diesem Lande nachsagt, bedienend.

Eines meiner zahlreichen Lieblingsgedichte von Joachim Ringelnatz:


Die Schnupftabaksdose

Es war eine Schnupftabaksdose
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzt aus Nußbaumholz
Und darauf war sie natürlich stolz.

Da kam ein Holzwurm gekrochen
Der hatte Nußbaum gerochen
Die Dose erzählte ihm lang und breit
Vom Friedrich dem Großen und seiner Zeit

Sie nannte den alten Fritz generös
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann:
"Was geht mich Friedrich der Große an!"


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miriam
libelle
libelle
Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 16.11. z.B - ja ist dass denn Gerhart Hauptmann?
geschrieben von libelle
als Antwort auf miriam vom 17.11.2009, 08:44:03
Für die Erinnerung an Joachim Ringelnatz sage ich danke und teile mit Euch mein Lieblingsgedicht...

hier ist es:



Morgenwonne

Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.

Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich "Euer Gnaden".

Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.



Gruß
libelle

Dir, longtime, einen ganz besonderen Dank für diesen Thread. Ich lese allmorgentlich, noch bevor das Frühstück gerichtet ist, mit großer Begeisterung Deine Anregungen...

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longtime
longtime
Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 17.11. z.B - Joachim Ringelnatz
geschrieben von longtime
als Antwort auf libelle vom 17.11.2009, 10:00:35
... ist doch prima, lebe miriam, liebe libelle, dass Ringelnatz ganz selbstverständlich präsent ist und ein Lese- und Zitier-Schatz.

Der Dreiteifikünstler (Maler, Poet, Vortragender) ist mir allerdings nicht mit banalen Gedichten am allerliebsten geblieben, die schon meine Pauker vor 1965 gerne in uns unverständlichen Humor-Anfällen zelebrierten und sich wunderten, dass wir nicht gequält reagierten, sondern z.B. mit:

Joachim Ringelnatz
Ehrgeiz


Ich habe meinen Soldaten aus Blei
Als Kind Verdienstkreuzchen eingeritzt.
Mir selber ging alle Ehre vorbei,
Bis auf zwei Orden, die jeder besitzt.

Und ich pfeife durchaus nicht auf Ehre.
Im Gegenteil. Mein Ideal wäre,
Daß man nach meinem Tod (grano salis)
Ein Gäßchen nach mir benennt, ein ganz schmales
Und krummes Gäßchen, mit niedrigen Türchen,
Mit steilen Treppchen und feilen Hürchen,
Mit Schatten und schiefen Fensterluken.

Da würde ich spuken.


*

Ringelnatz als Maler und Grafiker:


Ich freue mich sehr, wenn andere Literaturfreudinnen hier sich einfinden zu einer Mitteil- oder virtuellen Teezeit! - Aufauf! Es harren die Poeten mit ihren Geschenken unser!


Erinnerung an meinen Besuch im Ringelnatz-Museum in Cuxhaven


--
longtime
longtime
longtime
Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 17.11. z.B - Joachim Ringelnatz
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 17.11.2009, 10:19:05
Eine insulare, singuläre Kostbarkeit möchte ich nicht verschlabbern:


Joachim Ringelnatz
Insel Hiddensee


Kühe weiden bis zum Rande
Großer Tümpel, wo im Röhricht
Kiebitz ostert. – Nackt im Sande
Purzeln Menschen selig töricht.

Und des Leuchtturms Strahlen segnen
Eine freundliche Gesundheit.

Andrerseits: Vor steiler Küste
Stürmen Wellen an und fliehen. –
Nach dem hohen Walde ziehen
Butterbrote und Gelüste.

Fischerhütten, schöne Villen
Grüßen sich vernünftig freundlich.

Steht ein Häuschen in der Mitte,
Rund und rührend zum Verlieben.
»Karusel« steht angeschrieben.
Dieses Häuschen zählt zu Vitte.

Asta Nielsen – Grischa Chmara,
Unsre Dänin, und der Russe –,

Auf dem Schaukelpolster wiegen
Sich zwei Künstler deutsch umschlungen. –
Gar kein Schutzmann kommt gesprungen. –
Doch im Bernstein träumen Fliegen.

Um die Insel rudern, dampfen,
Treiben, kämpfen Boote, Bötchen.

--
longtime
Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 17.11. z.B - Joachim Ringelnatz
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf longtime vom 17.11.2009, 10:47:51
Ringelnatz ist einfach immer schön! Hier noch eine Kostprobe:

Fußball (nebst Abart und Ausartung)

Der Fußballwahn ist eine Krank-
Heit, aber selten, Gott sei Dank.
Ich kenne wen, der litt akut
An Fußballwahn und Fußballwut.
Sowie er einen Gegenstand
In Kugelform und ähnlich fand,
So trat er zu und stieß mit Kraft
Ihn in die bunte Nachbarschaft.
Ob es ein Schwalbennest, ein Tiegel,
Ein Käse, Globus oder Igel,
Ein Krug, ein Schmuckwerk am Altar,
Ein Kegelball, ein Kissen war,
Und wem der Gegenstand gehörte,
Das war etwas, was ihn nicht störte.
Bald trieb er eine Schweineblase,
Bald steife Hüte durch die Straße.
Dann wieder mit geübtem Schwung
Stieß er den Fuß in Pferdedung.
Mit Schwamm und Seife trieb er Sport.
Die Lampenkuppel brach sofort.
Das Nachtgeschirr flog zielbewußt
Der Tante Berta an die Brust.
Kein Abwehrmittel wollte nützen,
Nicht Stacheldraht in Stiefelspitzen,
Noch Puffer außen angebracht.
Er siegte immer, 0 zu 8.
Und übte weiter frisch, fromm, frei
Mit Totenkopf und Straußenei.
Erschreckt durch seine wilden Stöße,
Gab man ihm nie Kartoffelklöße.
Selbst vor dem Podex und den Brüsten
Der Frau ergriff ihn ein Gelüsten,
Was er jedoch als Mann von Stand
Aus Höflichkeit meist überwand.
Dagegen gab ein Schwartenmagen
Dem Fleischer Anlaß zum Verklagen.
Was beim Gemüsemarkt geschah,
Kommt einer Schlacht bei Leipzig nah.
Da schwirrten Äpfel, Apfelsinen
Durch Publikum wie wilde Bienen.
Da sah man Blutorangen, Zwetschen
An blassen Wangen sich zerquetschen.
Das Eigelb überzog die Leiber,
Ein Fischkorb platzte zwischen Weiber.
Kartoffeln spritzten und Zitronen.
Man duckte sich vor den Melonen.
Dem Krautkopf folgten Kürbisschüsse.
Dann donnerten die Kokosnüsse.
Genug! Als alles dies getan,
Griff unser Held zum Größenwahn.
Schon schäkernd mit der U-Bootsmine
Besann er sich auf die Lawine.
Doch als pompöser Fußballstößer
Fand er die Erde noch viel größer.
Er rang mit mancherlei Problemen.
Zunächst: Wie soll man Anlauf nehmen?
Dann schiffte er von dem Balkon
Sich ein in einem Luftballon.
Und blieb von da an in der Luft.
Verschollen. Hat sich selbst verpufft. –
Ich warne euch, ihr Brüder Jahns,
Vor dem Gebrauch des Fußballwahns!

--
spatzl

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miriam
miriam
Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 17.11. z.B - Joachim Ringelnatz
geschrieben von miriam
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.11.2009, 10:53:57
Mensch - ich muss weg...

Heimatlose


Ich bin fast
Gestorben vor Schreck:
In dem Haus, wo ich zu Gast
War, im Versteck,
Bewegte sich,
Regte sich
Plötzlich hinter einem Brett
In einem Kasten neben dem Klosett,
Ohne Beinchen,
Stumm, fremd und nett
Ein Meerschweinchen.
Sah mich bange an,
Sah mich lange an,
Sann wohl hin und sann her,
Wagte sich
Dann heran
Und fragte mich:
"Wo ist das Meer?"




--

miriam
Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 17.11. z.B - Joachim Ringelnatz
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf miriam vom 17.11.2009, 11:00:25
nochmal Ringelnatz:

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
die wollten nach Amerika reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
da taten ihnen die Beine weh,
und da verzichteten sie weise
dann auf den letzten Teil der Reise.

--
spatzl
longtime
longtime
Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 17.11. z.B. an Saramago
geschrieben von longtime
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.11.2009, 11:04:59
Auch einer Erwähnung und Ehrung wert:

José Saramago (6. November 1922 geboren): portugiesischer Dichter; 1998 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Hier die Pressemitteilung zu der Verleihung,
vom 8. Oktober 1998:

Das Nobelpreiskomitee gibt bekannt:

Ich kenne nur "Das Evangelium nach Jesus Christus" (991), ein Roman über das Leben Jesu. Er enthält in seiner Freimütigkeit bedenkenswerte Reflexionen über die großen Fragen der Menschheit, die sich nach Erlösung sehnt: Gott und der Teufel verhandeln über das Böse. Jesus stellt seine geschichtliche Rolle in Frage und fordert Gott heraus. Weil Saramago bekennender Atheist und Kommunist ist, wurde „Das Evangelium nach Jesus Christus“ von der katholischen Kirche als blasphemisch eingestuft; was dazu führte, dass die portugiesische Regierung die Nominierung des Autors für den Europäischen Kulturpreis zurückzog.

*

Sein bedeutendster Roman ist wohl die "Die Stadt der Blinden" (1995); der auch verfilmt wurde.

Kennt ihn jemand von den STlern?

Linktipp: (Fast) alles über Saramago:

--
longtime
Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute, am 17.11. z.B. an Saramago
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf longtime vom 17.11.2009, 17:56:27
Hallo longtime,
"Die Stadt der Blinden" ist eins der tollsten Bücher, die ich je gelesen habe. Und danach habe ich gesagt, dafür müsste er den Nobelpreis kriegen. Hat er dann auch kurz danach, darüber habe ich mich dann natürlich sehr gefreut. Es gab ja vor nicht langer Zeit die Verfilmung, die fand ich allerdings ziemlich schrecklich, sehr schwer zu ertragen.
Außerdem lebt das Buch vor allem von seiner Sprache und einem ganz besonderen Stil (langatmig, manchmal ohne Satzzeichen), an den man sich erst gewöhnen muss, aber nach dem man süchtig werden kann.

Wir hatten ihn auch schonmal bei den literarischen Rätseln, aber meine Suche hat nichts ergeben, offenbar funktioniert die Google-ST-Suche sehr schlecht, das habe ich auch schon an anderen Stellen festgestellt.
--
marina

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