Literatur Schöne Lyrik

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 02.06.2019, 08:11:21


Die Philister, die Beschränkten,
diese geistig Eingeengten
darfst Du nie und nimmer necken.
Aber weite, kluge Herzen
wissen stets in unsren Scherzen
Lieb und Freundschaft zu entdecken.


Heinrich Heine
13. 12.1797 - 17. 2. 1856
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Clematis





 
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 02.06.2019, 10:52:39
Frühl800.jpg

Das stille Tal


Im schönsten Wiesengrunde
ist meiner Heimat Haus;
da zog ich manche Stunde
ins Tal hinaus.
Dich, mein stilles Tal,
grüß' ich tausendmal!
Da zog ich manche Stunde
ins Tal hinaus.

Wie Teppich reich gewoben,
steht mir die Flur zur Schau;
o Wunderbild, und oben
des Himmels Blau.
Dich mein stilles Tal
grüß' ich tausendmal!
O Wunderbild, und oben
des Himmels Blau.



Wilhelm Ganzhorn
14. 1. 1818 - 9. 9. 1880

Clematis
 
Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Herzuhr.jpg
 
Die Uhr

Ich trage, wo ich gehe
stets eine Uhr bei mir
wie viel es geschlagen habe
genau seh’ ich’s an ihr.
Es ist ein großer Meister
der künstlich ihr Werk gefügt,
wenngleich ihr Gang nicht immer
dem törichten Wunsche genügt.

Ich wollte, sie wär oft rascher
gegangen an manchem Tag,
ich wollt an manchem Tage
sie hemmte den raschen Schlag.
In meinen Leiden und Freuden
im Sturme und in Ruh –
was immer geschah im Leben
sie pochte den Takt dazu.

Sie schlug am Sarge des Vaters
sie schlug an des Freundes Bahr´
sie schlug am Morgen der Liebe
sie schlug am Traualtar.
Sie schlug an der Wiege des Kindes
sie schlägt, will’s Gott! noch oft,
wenn bessere Tage kommen
wie meine Seel es hofft.

Und ward sie manchmal träger
und drohte zu stocken ihr Lauf,
so zog sie der Meister mir immer
großmütig wieder auf.
Doch stände sie einmal stille,
dann wär´s um sie geschehn,
kein and´rer, als der sie fügte
bringt die Zerstörte zum Gehn.

Dann müßt ich zum Meister wandern
und ach, der wohnt gar weit,
wohnt draußen, jenseits der Erde
wohnt dort in der Ewigkeit.
Dann gäb ich sie dankbar zurücke
dann würd ich kindlich flehn:
Sieh, Herr, – ich hab nichts verdorben
sie blieb von selber stehn.

Text: Johann Gabriel Seidl 
Musik: Carl Loewe 
 

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Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
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Imma mit die Ruhe!
(Kurt Tucholsky)
 
Wenn ick det sehe, wat se so machn,
wie se bei de jeringsten Sachn
sich uffpustn, det man denkt, se platzen –
wie se rot anlaufn, bis an die Jlatzen,
ahms spät un morjens um achte –:
sachte! sachte!
Warum denn so furchtbar uffjerecht?
Wir wem mal alle inn Kasten gelecht.
 
Wissen Se, ick wah mal dabei –
da hattn se uff de Polessei
eenen Selbstmörda, jänzlich nackt,
in eenen murksijen Sarch jepackt.
Die hatten det eilich! Un ick dachte:
Sachte! Sachte!
Un der Anblick hat sich mir injeprecht:
Wir wern mal alle inn Kasten jelecht.
 
Janich reliejöhs.
Wie soll ick det sahrn ... ?
Ick kann det Jefuchtel nich vatrahrn.
Wir komm bei Muttan raus mit Jeschrei,
un manche bleihm denn auch dabei.
Wenn ick mir det so allens betrachte:
Imma sachte!
Mal liechste still. Denn wird ausjefecht.
Un wir wern alle inn Kasten jelecht.


 
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
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Sieh, das ist es...
 
Sieh, das ist es, was auf Erden
Jung dich hält zu jeder Frist,
Dass du ewig bleibst im Werden,
Wie die Welt im Wandeln ist.

Was dich rührt im Herzensgrunde,
Einmal kommt’s und nimmer so;
Drum ergreife kühn die Stunde,
Heute weine, heut sei froh!

Gib dem Glück dich voll und innig,
Trag es, wenn der Schmerz dich presst,
Aber nimmer eigensinnig
Ihren Schatten halte fest.

Heiter senke, was vergangen,
In den Abgrund jeder Nacht!
Soll der Tag dich frisch empfangen,
Sei getreu, doch neu, erwacht.

Frei dich wandelnd und entfaltend,
Wie die Lilie wächst im Feld,
Wachse fort, und nie veraltend
Blüht und klingt für dich die Welt.

 
Emanuel Geibel

 
Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
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Pfingsten! Ein Wort, das seinen Zauber auf das menschliche Gemüt üben wird, so lange noch ein Baum blüht, eine Lerche schmetternd in die Lüfte steigt und ein klarer Frühlingsmorgen über uns lacht. 
Ein Wort, dessen Klang selbst unter der härtesten Eiskruste des Egoismus, unter dem Schnee des Alters und in dem Herzen, das in Leid und Kummer erstarrt ist, noch ein Echo von Lenzeslust erwecken kann.

E. Marlitt (1825 - 1887), Pseudonym für Friederieke Henriette Christiane Eugenie John, deutsche Schriftstellerin


 

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Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
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Kleines Glück


Sie geht in aller Frühe,
noch eh die Dämmrung schwand,
den Weg zur Tagesmühe
im ärmlichen Gewand;
die dunklen Nebel feuchten
noch in der Straße dicht,
sonst sähe man beleuchten
ein Lächeln ihr Gesicht;
die Götter mögen wissen,
warum sie heimlich lacht -
es weiß es nur das Kissen,
was ihr geträumt heut nacht.


Hermann von Lingg
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
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Glück auf
 

Gar viel habe ich versucht, gekämpft, ertragen;
Das ist der tiefen Sehnsucht Lebenslauf,
Dass brünstig sie an jeden Fels muss schlagen,
Ob sich des Lichtes Gnadentür tät auf,
Wie ein verschütt’ter Bergmann in den Klüften.
 
Auch ich gelang‘ einst zu dem stillen Gipfel,
Vor dem mich schauert in geheimer Lust,
Tief unten rauschen da des Lebens Wipfel
Noch einmal dunkelrührend an die Brust,
Dann wird es unten still im weiten Grunde
Und oben leuchtet streng des Himmels Runde.
 
Wie klein wird sein da, was mich hat gehalten,
Wie wenig, was ich Irrender vollbracht,
Doch was den Felsen gläubig hat gespalten:
Die Sehnsucht treu steigt mit mir aus der Nacht.
Und legt mir an die wunderbaren Schwingen,
Die durch die Stille mich nach Hause bringen.

 
Joseph Freiherr von Eichendorff

 
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
@WoSchi, Gedichte dürfen erst eingestellt werden, wenn der Dichter 75 Jahre tot ist. Paul Celan starb 1970. Das verstößt sonst gegen das Copyright und Karl kann deswegen Probleme bekommen.

Roxanna
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Roxanna vom 17.06.2019, 21:03:38

na gut, dann lösch ich es wieder und verstehe nicht, warum seine Gedichte so häufig im Netz stehen


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