Forum Allgemeine Themen Plaudereien Der Einsatz - oder mit 10 Euro ist man dabei.

Plaudereien Der Einsatz - oder mit 10 Euro ist man dabei.

gerry
gerry
Mitglied

Der Einsatz - oder mit 10 Euro ist man dabei.
geschrieben von gerry
Nein hier geht es nicht um einen Wett-Einsatz!
Auch nicht um den Einsatz beim Pokern oder Lotto spielen.
Hier geht es darum, wie ein Berliner Bekannter mit der Exekutive Bekanntschft machte:

Was gibt es nicht für interessante Arten, seinen Tag zu beginnen....
Man könnte plötzlich als Eidechse oder Erdmännchen aufwachen oder sich auf seine Arbeit freuen, falls man derartige Neigungen pflegt.
Oder mit der Mutti Sachen machen, die man noch nie gemacht hat.
Zum Beispiel sich mit ihr beim Frühstück unterhalten.
Oder sich mit Ei bekleckern...

Doch hin und wieder wünscht auch die Staatsmacht Unterhaltung...und zwar auf nüchternen Magen.
Davon könnte auch mein Bekannter Herr R. W. aus Berlin ein Lied singen, doch nach Singen war ihm wohl nicht zumute.
Ihm war nicht mal danach zumute, seinen richtigen Namen zu lesen, deswegen nenne ich meinen Bekannten R.W. obwohl er vielleicht W.R. heißt.
Das sind aber rein datenschutztechnische Gründe.

Jedenfalls dachte er an nichts Böses an diesem bewussten Morgen.
Auch die Staatsmacht dachte an nichts Böses, als sie an seine Neuköllner Tür klopfte.
Ganz im Gegenteil!
Sie hatte ihre umgänglichsten Vertreter zum Ort des Geschehens entsandt, nämlich eine Handvoll Neuköllner Polizisten.
Man schätzt diese in ganz Berlin wegen ihrer subtilen Umgangsformen.
Auch Herr R.W. bekam sofort einen Eindruck davon.

Mit den Worten: "Los, machen Sie die Tür auf!" bat der Vorsteher des Beamtenensembles formvollendet um Einlass.
Auf die schüchterne Frage, bei wem es sich um den Bittsteller handele, kam prompt die Antwort: "Polizei, ich will zehn Euro von Ihnen."
Nun ist Neukölln eine Gegend in der so mancher zehn Euro benötigt, weshalb Herr R.W. keinen Anlass sah, sofort einen Tag der offenen Tür abzuhalten.
Um die Amtsmenschen nicht zu enttäuschen, gab Herr R.W. den armen Mann:
"Wegen zehn Euro öffne ich nicht die Tür. Übrigens habe ich keine zehn Euro."
"Wenn Sie nicht zahlen" rief der polizeiliche Wortführer unter Trommeln an die Tür, "vollstrecken wir den Haftbefehl."
"Donnerwetter" durchzuckte es Herrn R.W., Haftbefehl wegen zehn Euro.
Das wollte er schriftlich haben.

So machte er - angetan mit neuem Bart und alter Unterhose - doch die Pforte seines Domizils auf.
Draußen wartete - außer der Obrigkeit - ein rosaroter DIN A 4 Bogen:
Der erste Haftbefehl seines Lebens, dargereicht von den uniformierten Abführmitteln.
Leider teilte ihm niemand den Grund für den Haftbefehl mit.
Die Staatsanwaltschaft vermerkte lediglich, dass Kerker drohe, weil eine Geldstrafe nicht bezahlt wurde.
Gegenwert: Zehn Euro!

Natürlich freute sich Herr R.W. als Steuerzahler, dass es der Staat auch nicht bei kleinen Beträgen an Genauigkeit fehlen ließ, auch wenn seine Entsandten keinen Schimmer hatten, worum es eigentlich ging.
"Weiß ich nicht, ist mir auch egal" verkündete die diensthabende Uniform, "Zehn Euro oder einen Tag Haft."

Während Herr R.W. sich noch im Geist ausmalte, wie der Chef von Hypo-Real-Estate bei seiner Billion Euro Schulden gerade 2700 Millionen Jahre Knast verkündete bekommt - Länge des Haftbefehls: 35 Meter - fiel die Tür ins Schloss und den Beamten das Wort "Fluchtgefahr" ein und sie riefen das SEK.

So dauerte es auch nicht sehr lange, bis einige gepanzerte Herren das Einzelzimmer-Appartement stürmten, von seinem Insassen verlangten, die Taschen auszuleeren und die Handschellen klicken ließen.
Ein leiser Protest verhallte ungehört, wenn auch nicht unerwidert:
"Sie halten die Klappe", belehrte einer der Anwesenden Herrn R.W. in leicht fasslicher Form über seine Rechte.
Anschließend erfolgte der Abmarsch, ungekämmt, mit offenen Schuhen, Hände gefesselt auf dem Rücken.
Zufällig anwesende Nachbarn bildeten Spalier und staunten nicht schlecht, was man für zehn Euro in Neukölln alles so geboten bekommen kann.
Auch der Abgeführte staunte:
Manch einer auf dieser Welt fühlt sich wie bestellt und nicht abgeholt, er dagegen wurde abgeholt, obwohl er das nicht bestellt hatte.

Später, im Gefängnis, nahm der Staat dann Einblick in Herrn R. W.'s Innerstes.
Das heißt, ein Bediensteter blickte ihm in die Unterhose, ein anderer ins Portemonnaie.
Beide Abteilungen litten nicht an Überfüllung aber nur bei der Geldbörse ließ sich der Zustand genauer beziffern:
"Fünf Euro und Kleingeld", bilanzierte der Aufseher.
Es klang weder überrascht noch enttäuscht, sondern fast ermutigend:
"Warum zahlen Sie nicht den Fünfer ein und gehen?" schlug er vor.
Aber er schulde doch zehn Euro, gab Herr R.W. zu bedenken...
Nein, nein, hieß es da, wenn er fünfe bezahle, könne er sich den Rest sparen....
Offenbar herrschten bei der Justiz grade Aktionswochen.

Der berühmte Steueraktionskünstler Zumwinkel war schließlich auch zu Sonderkonditionen davongekommen:
Bescheiße für zwei und sitze nicht mal für einen!
So kam es, dass Herr R.W. am Ende ebenfalls wieder ganz friedlich in seinem Neuköllner Schloß auf dem Sofa saß.
Und wenn er den ganzen, aufregenden Tag nochmal Revue passieren ließ, musste er zugeben, dass die Staatsmacht bei ihm bestimmt an nichts Böses gedacht hatte.
Der Grund war ganz einfach:
Sie hatte überhaupt nicht gedacht.
Aber, das soll öfter vorkommen, manche unserer Volksvertreter haben ihren Kopp nur, damit es nicht in den Hals reinregnet.
Ick höre jetzt ooch uff u denken....es regnet nämlich.

Wünsche allen einen schönen Tag
Gerry


florian
florian
Mitglied

Re: Der Einsatz - oder mit 10 Euro ist man dabei.
geschrieben von florian
als Antwort auf gerry vom 17.08.2010, 15:15:44
Na, hat dein Freund da etwa ein Knöllchen nicht bezahlt?

10 Euro klingt so nach Zwangshaft, beantragt durch eine Behörde Kommt sehr selten vor, denn die Haft kommt dem Antragssteller bei weitem teuerer als die geschuldete Leistung

Mich würde dennoch der Grund interessieren
Adoma
Adoma
Mitglied

Re: Der Einsatz - oder mit 10 Euro ist man dabei.
geschrieben von Adoma
als Antwort auf gerry vom 17.08.2010, 15:15:44
Hallo Gerry
Mich kostet es langsam auch 10 €.
Für Papiertaschentücher,- um die Lachtränen zu beseitigen.

Adoma mit feuchten Augen
senhora
senhora
Mitglied

Re: Der Einsatz - oder mit 10 Euro ist man dabei.
geschrieben von senhora
als Antwort auf gerry vom 17.08.2010, 15:15:44
Dein gekonnter Beitrag bringt mich auf eine Idee ......

Rund eine Million Krankenversicherte sollen ihren Zusatzbeitrag noch schuldig geblieben sein, Gesundheitsminister Philipp Rösler will dagegen vorgehen und säumige Krankenversicherte sanktionieren.
Diese Zahlungsverweigerer bekommen sogar einen eigenen Passus im Gesetzesentwurf zur Gesundheitsreform.


Ich stelle mir also vor:
Eine Mio Bürger einen Tag in Knast, dass ist wie ein neues „Wachstumsbeschleunigungsgesetzt“.
Gefängnisse müssen gebaut werden, Beamte und Polizisten aus den Reihen der ALG II-Reihen werden zusätzlich eingestellt, es müssen Polizeifahrzeuge angeschafft werden ……….,das senkt die Arbeitslosenquote und steigert die Kaufkraft im Binnenmarkt .........

Brüderle müsste begeistert sein, dann kommt es vielleicht endlich zu seiner so oft angekündigten Steuersenkung.

Senhora



Anzeige