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Plaudereien Es war nicht mein Tag....

gerry
gerry
Mitglied

Es war nicht mein Tag....
geschrieben von gerry

Wenn ich mir mal einen Western ansehe, dann schon aus dem Grund, mich über die "Parkmöglichkeiten" für die Pferde im wilden Westen zu erfreuen.
Hatten es die Cowboys gut, den Gaul vor'm Saloon abgestellt, die Zügel angebunden und gut war's.
Und wir heute?
Alle sechs Wochen muss ich nach Halle. Da ich den dortigen miserablen Stadtverkehr und die ewige Parkplatzsuche kenne, benutzte ich lieber die Deutsche Bundesbahn.
Doch dann trat ein Ereignis ein, das mich hoffen und doch wieder zum Lenkrad greifen ließ. Also mit dem Auto nach Halle!
Mein Navy zeigt mir an: Noch 12 Km bis Halle, wo ich in einer Stunde meinen Infusionstermin in der Uni-Klinik habe.
Ich bin rechtzeitig losgefahren, da ich die Parkplatzsituation dort kenne. Aber die Klinik hat ein neues Parkhaus, was der Grund für mich war, mal wieder das Auto zu nehmen.
Eigentlich kenne ich die Strecke, brauchte das Navy nicht, aber die Macht der Gewohnheit.
Es mahnt mich ganz richtig: "An der nächsten Kreuzung rechts abbiegen!"
Ich tue es und sehe plötzlich rot-weiße Absperrungen vor mir und ein großes Schild: "Hier modernisiert die Stadt Halle den Innenstadtring!"
Toll!
Die nächste Straße rechts war eine nicht befahrbare Einbahnstraße, die übernächste eine Fußgängerzone.
Also weiter. Nun quatschte das Navy dazwischen:"Falsche Richtung!"
Als ob ich das nicht selbst wüsste.
Ich fuhr langsamer um mich zu orientieren, hinter mir hupte es.
Ein Smart oder eine Mercedes A-Klasse schien es eilig zu haben. Rechts lag plötzlich ein Tunnel vor mir, links gings zu einer Saalebrücke.
In Ermangelung eines elektronischen Ratschlags entschied ich mich für den Tunnel, hätte mich aber sofort selbst ohrfeigen können, weil der eine Linksbiegung machte und mich sicher vom Ziel weiter wegführte.
"Bitte wenden, bitte wenden", schnarrte mein Navy.
Ja wie denn? Wenn ich mir diese Tunnelwände ansah, war das kein guter Tipp.
So fuhr ich im Schritttempo hinter den anderen her und musste beim Verlassen des Tunnels feststellen, dass die Straße über die nächste Saalebrücke führte.
"Bitte wenden, bitte wenden", maulte mein Navy wieder.
In der Ferne sah ich die fünf Türme der Kirchen am Marktplatz. Von da aus waren es noch etwa vier Kilometer bis zum Uni-Klinikum-Kröllwitz.
Ich beschloss, mich rechts zu halten und bei der nächsten Gelegenheit und der nächsten Brücke die Saale wieder zurück zu überqueren.
Zu meiner Verwunderung ging der Plan sogar auf und wenn ich großes Glück hatte, könnte ich meinen Infusionstermin sogar noch schaffen. Es war ja noch eine knappe halbe Stunde. "Die nächste Straße rechts abbiegen", informierte mich mein Navy.
Ich näherte mich dem Viertel, in dem die Uni-Klinik lag und es wurde Zeit mit der Suche nach dem neuen Parkhaus zu beginnen.
So umrundete ich das Klinikgelände und sah von weitem den neuen Bau des Parkhauses.
Etwa auf 200 Meter hatte ich mich meinem Ziel genähert, die Parkplätze an der Klinik - wie immer - proppevoll und vor dem Parkhaus standen sie Stoßstange an Stoßstange.
Mir blieb nicht anderes als mich hinten anzustellen. "Sie haben Ihr Ziel erreicht", wurde ich elektronisch informiert.
Es ging langsam voran und als ich an der Schranke war hatte ich auch fast meine Terminzeit erreicht. Ich drückte den Knopf an der Schranke, erhielt einen Parkschein und fuhr in das Parkhaus hinein.
Ein Lichtsignal zeigte in grüner Schrift, dass noch drei Parkplätze frei waren.
Gleich unten, um die Ecke rum, waren die drei Parkplätze.
Ich entschied mich für den rechten, parkte ein, stieg aus, schloss die Tür und wollte mich grade mit großen Schritten in Richtung Ausgang entfernen, als mich jemend am Ärmel zupfte.
"Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst" fragte eine schneidende Stimme. Es war eine Frau, beachtlichen Ausmaßes, eine richtige Walküre.
Sie starrte mich unfreundlich, ja hasserfüllt an: "Können Sie nicht lesen? Das sind Frauenparkplätze."
Mein Termin war schon verstrichen, ich hätte meinen Arzt wenigstens über Handy verständigen sollen.
So versuchte ich mit der Walküre zu verhandeln. Ich ging einen Schritt auf sie zu, um zu erklären, dass ich mich in eine Notlage befinde.
"Blieben Sie stehen, fassen Sie mich ja nicht an", schrie sie, "Hilfe! Hilfe!"
Dann holte sie eine Trillerpfeife aus ihrer Jacke, dass mir die Ohren gellten.
"Nichts wie weg hier" dachte ich, schloss den Wagen auf, setze mich rein und als ich sah, dass sie mit Pfefferspray ankam, verriegelte ich die Türen.
Ihr Gekreisch war nur noch gedämpft zu hören aber ihre Riesenaugen hinter den dicken Brillengläsern glotzten mich böse an.
Ich suchte die Ausfahrt, die Schranke war natürlich runter und das Display am Automaten wies mich ganz dezent darauf hin, dass ich ein kostenpflichtiger Parker sei und mein Parkschein am Kassenautomaten entwertet werden müsse.
Dabei hatte ich gar nicht geparkt.
Also auf zur nächsten Suche...ich fand ihn - den Kassenautomaten - und war leicht schockiert: "7.50 Euro für die erste Stunde, 2.50 Euro für jede weitere."
So mußte ich für meinen kurzen, unsinnigen Aufenthalt in diesem Parkhaus 7.50 Euro berappen.
Ich begann - wütend wie ich war - den Münzautomaten zu füttern.
Bei 7.30 Euro war Schluss und mein Kleingeld alle.
Mein weiterer Zahlungsvorrat beschränkte sich auf einen Hundert-Euroschein.
Leider nahm der Automat nur Stückelungen von 5, 10, 20 und 50 Euro an.
Kein Mensch weit und breit in Sicht, wie sollte ich hier wieder rauskommen?
Als erstes verständigte ich übers Handy meinen Doc, der nicht verstehen konnte, dass ich im neuen Parkhaus gefangen war.
Er war aber großzügig und gab mir bis zum späten Nachmittag Zeit, wollte aber die Story meiner Gefangenschaft hören. Er lacht so gern. Ich vertröstete ihn auf unser Zusammentreffen.
Mein Auto an der Ausfahrtschranke stehen lassend,- es war ja Keiner hinter mir - rannte ich zur nahe gelegenen Apotheke, wo man mir auch aus meiner Verlegenheit half und meinen Hunni in zwei Fuffis wechselte.
Ich hastete zurück zum Kassenautomaten, der immer noch 7.50 Euro anzeigte.
Ich fütterte ihn mit einem 50.-Euro-Schein.
Erst passierte nichts, dann blinkte es wie beim "Jackpot" am Spielautomaten und dann spuckte mir das Mistding den Jackpott, das gesamte Wechselgeld von 42.50 Euro und das vorher eingeworfene Geld in Zwei-, Ein-Euro- Münzen und 50 Centstücken aus.
Ich stopfte fluchend alles in die Hosentasche, weil es nicht ins Portemonnaie passte und rannte wieder zum Ausgang.
Als ich zurückkam, standen wenigsten 7 Wagen hinter mir und veranstalteten ein Hupkonzert.So setzte ich mich schnell ins Auto, mußte aber erst noch die Schranke öffnen.
Ich wollte meinen bezahlten Parkschein aus der Tasche fingern, da klimperten aber leider die Geldstücke aus dem Automaten herum, also stieg ich wieder aus - trotz des Hupkonzert's - und fand endlich den Parkschein, wobei ich leider am Taschenfutter hängen blieb und mir fast alle Münzen zu Boden fielen und ein Teil unter das Auto rollte.
Es war nicht mein Tag!
So musste ich unter das Auto kriechen - mit Hupkonzert - um meine Münzsammlung wieder zu vervollständigen.
Endlich war ich soweit! Die Schlange hinter mir war noch länger geworden. Und das Hupkonzert noch lauter.
Verschwitzt und mit verdreckten Klamotten setzte mich ins Auto und fuhr Richtung Bahnhof.
"Falsche Richtung, bitte wenden, bitte wenden" jammerte mein Navy.
"Mensch das weiß ich doch, halt endlich die Klappe", blaffte ich zurück.
Und schlagatig wurde mir klar, dass ich drauf und dran war, mich mit einem elektronischen Gerät anzulegen.
Wie tief war ich gesunken.
Es war wirklich nicht mein Tag!
Ganz in der Nähe -oh Wunder - fand ich einen Parkplatz.
Ich ging ins Bahnhofsgebäude um mich bei McClean notdürftig zu säubern.
Nun war es Zeit für einen kleinen Imbiss ehe ich mich in die Straßenbahn setzte und die altgewohnte Strecke vom Bahnhof zur Klinik fuhr. Inzwischen war es früher Nachmittag geworden.
Mein Oberarzt war begierig auf die Geschichte meine Parkhausgefangenschaft und lachte ein paar Mal laut heraus.
Mir war nicht zum Lachen zumute, dann amüsierte mich mein Pech aber doch.
Nach Halle mit dem Auto? Nie wieder!
Da könnten sie noch ein Dutzend Parkhäuser hinsetzen. Wie ruhig und angenehm waren früher die Fahrten mit der Bahn, auch wenn sie oft Verspätung hatte.

Einen schönen Tag
wünscht Gerry


benny
benny
Mitglied

Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von benny
als Antwort auf gerry vom 22.05.2010, 15:08:10
Jaja es gibt so Tage da läuft einfach alles schief, schön wie du das beschreiben/aufschreiben kannst.

Ich wünsche dir schöne Pfingsten
Gruß
benny
Sonny
Sonny
Mitglied

Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von Sonny
als Antwort auf benny vom 22.05.2010, 17:08:19
Hallo Gerry,

o je, das war wirklich nicht dein Tag,habe mich beim Lesen köstlich amüsiert,zugleich aber auch Mitleid mit dir empfunden.

Die Geschichte ist sehr schön erzählt und interessant formuliert.Während des Lesens erlebte ich diesen Tag zeitnah mit als ob ich all das selbst erlebt hätte.

Schöne Pfingstfeiertage
wünscht Sonny

]Lieber die Bahnfahrt[/url]

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caya
caya
Mitglied

Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von caya
als Antwort auf Sonny vom 22.05.2010, 18:05:22
Nicht dass ich dir noch viele solcher Tage wünsche, Gerry,

((aber ganz insgeheim schon))

Wer könnte schöner erzählen, was wir alle in ähnlicher Form an Unbill des Alltags auch täglich erleben

Nix für ungut, aber ich lache auch zuuu gerne über deine stories.

Gruß
Caya
pippa
pippa
Mitglied

Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von pippa
als Antwort auf caya vom 22.05.2010, 18:25:02
Hallo Gerry,

so etwas kann nur jemand so toll schreiben, der über sich selbst am besten lachen kann. Ich glaube, das kannst Du. Deine Geschichten sind wirklich herrlich.
Danke, dass Du sie aufschreibst.
Gruß Pippa
Elizabeth
Elizabeth
Mitglied

Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von Elizabeth
als Antwort auf gerry vom 22.05.2010, 15:08:10
@ Gerry

Ich möchte mal wieder danke schön sagen, für al die schöne, lustige,lebensnahe, spannende und interessante Erzählungen die du hier regelmäßig einstellst.

Du kannst sicher sein, ich freue mich jedes Mal.

Lieber Gruß
Elizabeth

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heide †
heide †
Mitglied

Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von heide †
als Antwort auf gerry vom 22.05.2010, 15:08:10
Deine Geschichten !!! lese ich gerne bis zum Schluss, wobei sich heute echte Schadenfreude bei mir einschlich, nämlich in dem Moment als ich las, dass Du auf einem FP Dein Auto abgestellt hast. Es muss nicht die erst Walküre sein, die Euch Männer darauf hinweist, dass diese Parkplätze ausschließlich Frauen vorbehalten bleiben soll, nein, jede Frau sollte sich wehren und den möglichen Ignoranten die Zähne zeigen.
Wie gut, dass Du brav das Feld geräumt hast, denn sonst wäre es wahrlich nicht Dein Tag gewesen.

Heide
benny
benny
Mitglied

Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von benny
als Antwort auf heide † vom 22.05.2010, 20:05:24
Wo bleibt da die Gleichberechtigung oder war die Frau mit Kind.

Ich fordere Parkplätze nur für Männer.

Gruß
benny
Elizabeth
Elizabeth
Mitglied

Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von Elizabeth
als Antwort auf Elizabeth vom 22.05.2010, 18:57:45
Zugleich Korrektur

@ Gerry

Für all die lebensfrohen, spannenden, lustigen und interessanten Erzählungen, die du hier regelmäßig einstellst (sowie du das auch ins SP getan hast), möchte ich vielen Dank sagen.

Es ist schön, dass auch du nach hier übersiedelt bist.

Lieber Gruß, Elizabeth




Re: Es war nicht mein Tag....
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf gerry vom 22.05.2010, 15:08:10
Eine herrliche Erzählung!
Wer kennt nicht solche Tage,an denen man besser im Bett
geblieben wäre.Das sind Tage,die das Leben schreibt.
Dankeschön Gerry!

LG
Heftzwecke

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