Religionen-Weltanschauungen Pietismus - Wiedergeborene?

Sirona
Sirona
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Pietismus - Wiedergeborene?
geschrieben von Sirona
Da mir diese Religionsgemeinschaft bisher unbekannt war, habe ich mich im Internet umgeschaut. Dort las ich u.a. dass derjenige, der nicht wiedergeboren worden ist, nicht zu der Gemeinschaft der Kinder Gottes gehört, weshalb sich die »Wiedergeborenen« von solchen Personen abgrenzen.
Außerdem richten sie ihr Leben nach der Bibel und setzen ihr Vertrauen in die Wahrheit der Heiligen Schrift und nicht - wie in der Aufklärung - in die Vernunft. Auch sympathisieren sie mit Israel und sind verpflichtet zu missionieren.

Und was mich allerdings irritiert ist, dass es in Bezug auf Pietismus unterschiedliche Richtungen gibt (siehe unten). Da frage ich mich allen Ernstes welcher Pietismus denn nun der echte ist? Und was verstehen Pietisten eigentlich unter »wiedergeboren«, und woran können sie erkennen dass ein Mensch wiedergeboren ist?

Pietistische Richtungen:

Der lutherische Pietismus (Spener): gemeinschaftsliebend und luthertreu.
Der hallesche Pietismus (Francke): zuchtvoll, strukturiert und weltverändernd.
Der reformierte Pietismus (Tersteegen): innig, mystisch, laienfördernd.
Der Herrnhuter Pietismus (Zinzendorf): ökumenisch, liebevoll, mit Weltperspektive.
Der schwäbische Pietismus (Bengel): tiefsinnig, grüblerisch, kirchennah.
Der radikale Pietismus (von Buttlar): separatistisch, häretisch.

Pietismus

Vielleicht können uns die Pietisten - falls sie hier im Forum vertreten sind und Beiträge lesen - uns über ihre Religion aufklären.

Sirona
barbarakary
barbarakary
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Re: Pietismus – Wiedergeborene?
geschrieben von barbarakary
als Antwort auf Sirona vom 07.09.2016, 09:01:40
Da möchte ich mal bezweifeln, dass Pietisten sich mit solch teuflischem Zeug wie dem Internet beschäftigen! Die werden doch keinen Kontakt mit nicht Wiedergeborenen wünschen.

Aber ich frage mich auch, woran sie diese erkennen wollen? Es gibt viele seltsame Religionsrichtungen, die nur ihre Auslegung der Bibel gelten lassen und meist sehr fanatisch sind.

Atheisten werden nun wieder sagen: Gott sei Dank, dass ich an keinen Gott glaube!
Sirona
Sirona
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Re: Pietismus – Wiedergeborene?
geschrieben von Sirona
als Antwort auf barbarakary vom 07.09.2016, 10:37:00
Atheisten werden nun wieder sagen: Gott sei Dank, dass ich an keinen Gott glaube!

Sollten Atheisten nicht besser sagen: "Gott sei Dank, dass ich keiner Glaubensgemeinschaft angehöre?" Sie glauben nicht an den Gott der Bibel, verständlich wenn man bedenkt was man aus diesem Gott gemacht und ihm alles in den Mund gelegt hat. An einen solchen Gott kann auch ich nicht glauben. Aber an einen allmächtigen Schöpfer, den Urgrund allen Daseins, allen Lebens - ja daran kann ich glauben und auch dass dieser reinste Liebe ist.

Apropos Pietisten - wenn diese sich hier nicht äußern wollen, dann haben sie die Botschaft des Jesus von Nazareth (das Evangelium) keinesfalls verstanden. Jesus hat keine Menschen ausgegrenzt, im Gegenteil, er mischte sich gerade unter die am Rande lebenden Zeitgenossen, unter Ungläubige (Zöllner, Dirnen, Diebe) und brachte ihnen die göttliche Liebe entgegen.

Sirona

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Karl
Karl
Administrator

Re: Pietismus - Wiedergeborene?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Sirona vom 07.09.2016, 09:01:40
Nun, ich bin pietistisch erzogen worden. Dass es unterschiedliche Richtungen gibt, wurde mir jedoch nicht gelehrt. Es war wohl die reformierte Richtung, die ich erlebt habe. Als Kind habe ich verzweifelt daran gearbeitet wiedergeboren zu werden, habe es jedoch nicht geschafft. Meinem Vater, einem herzensguten Mann, der Vorstand des CVJMs und der ev. Gemeinschaft war und so etwas wie der Gegenpol zum evangelischen Pfarrer, habe ich dann als Jugendlicher sehr zugesetzt, weil ich mich im Gemeindehaus bei den Andachten, in denen diskutiert werden durfte, zu Wort meldete und alles in Frage stellte, was natürlich nicht vorgesehen war.

Als ich dann zum Biologiestudium das elterliche Haus verlassen habe, war mein Vater etwas "erleichtert", wir haben dann zeitlebens immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt.

Bei unserem letzten Besuch in meinem Heimatdorf im Siegerland war ich doch etwas erschüttert zu hören, dass sich die ev. Gemeinschaft inzwischen aufgelöst habe und das Gemeindehaus zweckentfremdet sei. Mein Vater wäre entsetzt gewesen.

Zum Religionsverständnis: Die Bibel wurde wörtlich genommen, die modernen Theologen, die die Bibel interpretierten, waren des Teufels. Der Papst war der Antichrist. Pietisten waren/sind religiöse Fundamentalisten. Es handelt sich um Menschen, die einen Halt suchen. Ich habe viele Pietisten, wie z. B. meinen Vater, gekannt, die aus ihrem Glauben tatsächlich viel Kraft schöpften. Ich selbst habe das nie nachvollziehen können, aber ich hatte es auch gut und nicht seine Geschichte.

Karl
Re: Pietismus – Wiedergeborene?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 07.09.2016, 12:27:23
Atheisten werden nun wieder sagen: Gott sei Dank, dass ich an keinen Gott glaube!
Sirona

Warum würden Atheisten überhaupt "Gott sei Dank" sagen?
Bruny
barbarakary
barbarakary
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Re: Pietismus – Wiedergeborene?
geschrieben von barbarakary
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.09.2016, 15:41:56
Von einer sich selbst als Atheistin bezeichnenden Bekannten bekomme ich diesen Ausspruch ständig zu hören, wenn sie wieder über Kirche und 'kirchliche Menschen' (wie man hier sagt) wettert! Auf meine Frage, welchem Gott sie dann danke, meint sie nur, das ist halt so eine Redensart....

LG barbarakary

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julchentx
julchentx
Mitglied

Re: Pietismus – Wiedergeborene?
geschrieben von julchentx
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.09.2016, 15:41:56
Atheisten sind doch auch eine Religions Gemeinschaft. Sie GLAUBEN
dass es keinen Gott gibt.

Was genaues wissen weder die Einen noch die Andern :)
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Pietismus - Wiedergeborene?
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Karl vom 07.09.2016, 12:41:02
Hallo Karl, ich danke für Deinen Beitrag und Deine Offenheit. Nur zu gut kann ich Deine Erziehung nachvollziehen, beobachte ich doch Ähnliches bei meinen Enkeln. Meine Tochter hat einen Zeugen Jehovas geheiratet. Die Beiden fühlen sich verpflichtet ihre beiden Kinder nach den Vorgaben dieser Sekte zu erziehen.

Unlängst habe ich meine Tochter in Kärnten besucht und musste mich wieder einmal wegen dieser religiösen Erziehung aufregen, dabei fühlte ich mich so ohnmächtig weil ich mich nicht einmischen konnte. Mein 7-jähriger Enkel sollte abends nach einem langen Tag müde und abgeschlagen drei Seiten auf dem iPad lesen – es war eine Bibelaufgabe für die Zusammenkunft, die er dort vorlesen sollte. Er leierte als Erstklässler die Bibeltexte herunter und hat nicht verstanden was er gelesen hat. Später habe ich ihn vorsichtig danach gefragt und er gab zu dass er gar nicht wusste was dort geschrieben war. Zu allem Überfluss bemerkte ich anschließend dass mein Schwiegersohn die Zeit des Lesens gestoppt hat und hochzufrieden war, dass sein Söhnchen den Lesestoff in knapp 5 Minuten geschafft hat. Er erklärte mir dass das Schulungsprogramm (Predigtdienstschule nennt sich das) in der Versammlung minutiös eingeplant wird.

Ich war bedient! Ich kann nur hoffen dass sich die Enkel später aus dieser Sekte befreien können, die durch ihre Lehren auch in das persönliche Leben der Mitglieder eingreift und Vorgaben gibt, die mit dem Evangelium gar nicht in Verbindung gebracht werden können. So dürfen die Frauen z.B. in der Versammlung keine Hosen tragen und haben auch kein Mitspracherecht. Dort hat der Mann das Sagen!
Dass meine Tochter das akzeptiert ist mir unverständlich, aber sie wird sich aufgrund der Liebe zu ihrem Mann allem angepasst haben.
Abgesehen von diesen unmöglichen religiösen Auffassungen haben wir ein gutes und sogar liebevolles Verhältnis.

Es ist wohl eine Eigenart aller Sekten – und dazu gehören wohl auch die Pietisten – die Bibel wortgetreu auf ihre Lebensweise umzusetzen und sich von Andersgläubigen auszugrenzen. Dabei wird gar nicht beachtet, dass die Schreiber der Bibel völlig andere Vorstellungen hatten und in einer ganz anderen Kultur lebten. Was vor über 2000 Jahre im Orient gang und gäbe war kann doch nicht in unsere Zeit übertragen werden. Was ich vor allem ganz absurd finde ist die Tatsache, dass der „liebe Gott“ für all das was geschrieben worden ist verantwortlich gemacht wird - man ihn als Autor darstellt. Dass darüber viele stolpern und deswegen den Glauben an einen solchen Gott nicht entwickeln können, ist nicht verwunderlich.

Sirona

P.S. Das Thema schweift leider etwas ab. Hier soll nicht die Überzeugung von Atheisten diskutiert werden, sondern die Lehre der Wiedergeborenen und was die Pietisten darunter verstehen. Was ich gerne erfahren möchte ist woran man einen Wiedergeborenen erkennt und was man darunter verstehen kann.
Karl
Karl
Administrator

Re: Pietismus - Wiedergeborene?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Sirona vom 07.09.2016, 15:59:09
@ Sirona,

die Pietisten sind keine Sekte. Wir gingen nicht nur in das "Vereinshaus", sondern auch zusätzlich in die Kirche. Die Pietisten (Erweckungsbewegung) war mehr eine lose Gruppe innerhalb der Protestanten im Dorf (Katholiken gab es erst durch die Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg).

Einen "bekehrten", "wiedergeborenen" Menschen erkannte man daran, dass er sich als solchen ausgab und er behauptete "seinen Frieden" gefunden zu haben.

Karl
Sirona
Sirona
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Re: Pietismus - Wiedergeborene?
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Karl vom 07.09.2016, 21:25:53
Einen "bekehrten", "wiedergeborenen" Menschen erkannte man daran, dass er sich als solchen ausgab und er behauptete "seinen Frieden" gefunden zu haben. (Zitat Karl)

Karl das erinnert mich aber stark an die Zeugen Jehovas. Durch meine Tochter habe ich einiges über deren Lehre mitbekommen. Dort gibt es zwei Gruppen von „Erlösten“, einmal die 144.000 und zum anderen die große Volksmenge. Auch dort hatte man zu akzeptieren, wenn sich jemand zu den 144.000 berufen fühlt, die glauben im Himmel mit Christus herrschen zu dürfen, während die große Volksmenge weiterhin hier auf einer paradiesischen Erde ihr Dasein fristen muss. Beweisen konnte es der Betroffene natürlich nicht.

Folgendes las ich im Internet auf dieser Seite:
Pietisten

Die Bibel möchte kein Naturkundebuch oder Geschichtsbuch im geläufigen Sinne sein, sondern ein „Glaubensbuch“ (Joh 20,30 f.). Aber wo sie etwas über die Natur und die Geschichte berichtet (und das ist, wenn man es zusammennimmt, sehr viel!), da ist sie genauso von Gott inspiriert wie in anderen Fragen und somit ohne Irrtum und Fehler.

Wie nur kann man in der heutigen Zeit so etwas behaupten? Damals hatten die Schreiber noch ein unvollständiges Bild von den Zusammenhängen in der Natur, das sich heute durch fortlaufende Forschungen stark von den damaligen Erkenntnissen unterscheidet.
Ich kann verstehen dass Du, lieber Karl, als Wissenschaftler diese engstirnige Lehre nicht akzeptieren konntest.

So wie es aussieht wird ein Pietist nicht erklären können warum er sich als Wiedergeborener fühlt, Außenstehende müssen es eben glauben. Aber das ist mir zu wenig.

Sirona

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