Sport Wer ist hier "behindert"?

Ich habe es kommen sehen. Irgendwann werden Beinamputierte mit modernen Prothesen schneller laufen können (und Gehörlose mit Cochlea-Implant besser hören) als Gesunde. Zunächst einmal ist das eine wunderbare, eine hoffnungsvolle Entwicklung für alle Versehrten, aber die weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen dringen erst langsam an die Oberfläche. Vielleicht jetzt? Oscar Pistorius, ein südafrikanischer 400m Läufer, der beidbeinig unterschenkelamputiert ist, darf bei den Olympischen Spielen in London mit seinen Carbonprothesen starten - und er ist schnell! Der internationale Sportgerichtshof hat so entscheiden. Natürlich - die Benachteiligung Behinderter darf nicht sein!

Aber wer ist hier "behindert"? Was steht uns noch bevor, wenn die Entwicklung von motorischen und sensorischen Prothesen (hoffentlich) weitere Fortschritte macht? Homo cyborgensis übernehmen Sie?

Was, wenn (zugegeben, eine noch absurd erscheinende Vorstellung heutzutage) in naher/ferner Zukunft Ehrgeizlinge sich amputieren lassen, um eine Goldmedaille zu gewinnen?

Wann werden bei den Paralympics die wahren Rekorde gefeiert - und statt wie Gewichtklassen im Boxen, technische Kategorien wie bei Autorennen auch die Leichtathletik dominieren?

Lest hierzu auch meinen vor Wochen eingestellten Blog " Intelligente Prothesen" in meiner Gruppe " Zukunft".

Oscar Pistorius wünsche ich alles Glück der Welt und großen Erfolg in London. Was er tut ist bahnbrechend - in vielerlei Hinsicht.

Karl

Auch wenn ich mich hier in die Nesseln der political correctness setze: ich finde das nicht in Ordnung!

Wozu gibt es die Paralympics?

Irre ich mich, oder wurden nicht immer wieder "normale" (bitte die "" beachten!!!) Sportler disqualifiziert, weil sie zur Optimierung der Windschlüpfrigkeit geringfügige technische Verbesserungen an ihrer Kleidung vorgenommen haben (Schwimmanzüge, Skianzüge, Fahrradhelme), die ebensowenig Teile ihres Körpers sind wie Prothesen?

Diesen Prothesen werden andere, bessere, für den Sport noch mehr optimierte folgen - und so läuft es auf einen Wettkampf der Konstrukteure hinaus. Womöglich wird es dann bald Laufprothesen (Sprint-, 400m-, Langlauf-, Marathonprothesen), Hochsprungprothesen, Weitsprungprothesen etc. etc. geben

Was, wenn (zugegeben, eine noch absurd erscheinende Vorstellung heutzutage) in naher/ferner Zukunft Ehrgeizlinge sich amputieren lassen, um eine Goldmedaille zu gewinnen?

einen fictionalen zugang zu diesem thema , lieferte schon anfang der 1970 jahre die US-serie :

"The Six Million Dollar Man" .

auge, arm und beide beine durch "bionische prothesen" ersetzt , arbeitete der sechs millionen teure "supermann" fortan als agent für das "Office of Scientific Intelligence" .

in dieser geschichte offenbart sich auch das zu erwartende problem .

diesen dialektischen umschlag von "quantität in qualität" ,
möchte ich mir unter gegebenen verhältnissen nicht ausmalen .


sitting bull

Es ist nicht immer wünschenswert, dass alles Machbare auch wirklich gemacht wird.

Pippa

Ich bin zwiegespalten, was die Teilnahme von O. Pistorius beim olympischen 400m-Lauf betrifft.
Natürlich muss es für einen Sportler mit einer so extremen Behinderung, wie er sie hat, ein absoluter Höhepunkt sein, bei den ganz "normalen" Olympics zu starten, und nicht bei den Paralympics.
Ich bin ja Leichtathletik-Fan, und habe diesen Läufer schon oft bei meetings bewundern dürfen.
Dennoch darf nicht der Fall eintreten, dass diese technischen Hilfsmittel dazu führen, dass es zu einer Benachteiligung der "normalen" Sportler kommt. Und da ist für mich die Grenze nur schwer zu ziehen.

@ alle Vorredner,

ich teile Eure Gefühle, natürlich ist diese Entwicklung zwiespältig. Einerseits ist es toll und zu begrüßen, dass durch moderne Technik Handicaps ausgeglichen werden können. Ich denke niemand würde dies verurteilen (außer vielleicht einige religiöse Fanatiker, die selbst Zahnprothesen ablehnen). Was aber, wenn Handicaps nicht nur ausgeglichen, sondern in Vorteile umgemünzt werden? Selbst dann hätte ich im persönlichen Bereich nichts dagegen ins Feld zu führen. Wir akzeptieren ja auch kosmetische Crèmes oder Schönheitsoperationen. Es wäre schwierig, jemandem ein mechanisches Herz zu verwehren, wenn ihm dies Vorteile über ein organisches Herz hinaus brächte. Wenn ich sehe, wie viele Menschen einhändig durch die Straßen laufen, Fahrrad oder Auto fahren, weil sie mit einer Hand das Handy ans Ohr halten, dann ist mir klar, dass irgendwann Handies voll integriert implantiert werden - darin sehe ich eine logische Entwicklung.

Ein sehr ungutes Gefühl beschleicht mich jedoch, wenn ich daran denke, was sittingbull geschrieben hat. Mit Recht erinnert er daran, dass Homo cyborgensis zuerst vom Militär vereinnahmt werden wird. Sehr ungute Gefühle beschleichen mich dann.

Ich habe lange überlegt, wo dieses Thema zu platzieren sei. Es war mir klar, dass der sportliche Rahmen bald gesprengt werden würde. Die kulturelle Evolution hat ein wahnwitziges Tempo aufgenommen.

Karl

Ja - Karl - die Entwicklung nimmt rasante Fortschritte,
ich-als 83jährige- komme nicht mehr mit, versuche, zu
begreifen - aber eine Handy-Implatation ?!

Es könnte irgendwann wohl möglich sein -

Jeder der eine Behinderung hat ist froh, dass es heute die Möglichkeiten gibt, dies auszugleichen. Ich hatte die Möglichkeit schon Ende der 60er Jahre Behinderte beim Skifahren zu erleben.
Z.B.: Blinde die sich übers das Gehör bewegen oder Menschen die mit diversen Prothesen über eine Skipiste fahren. Ich finde es gut so, solange nicht schindluder getrieben wird.
In manchen Belangen würde meiner Meinung nach ein Rückschritt mehr bringen als der "Fortschritt".( damit meine ich z. B.: den Umgang mit der Natur)

Felide:

Ich bewundere in diesem Zusammenhang auch seit Jahrzehnten unseren Finanzminister, Herrn Schäuble. ER macht einen immens aufreibenden Job,verausgabt sich, wird bald 70 und ist unermüdlich. Wahrscheinlich kann es nur so gehen,dass man das Leben annimmt und nicht verzweifelt oder sich selbst tötet.
wie mir meine behinderten Freunde versichern, ist er ein gutes Beispiel für sie; für die sog. Gesunden sollte er es sein, damit diese mit ihren oft altersbedingten Wehwehchen nich zu sehr übertreiben und ihnen zu viel Platz in ihrem Leben geben. Olga