Ruhrpott-Treff

Ruhrpott-Treff

Das Ruhrgebiet literarisch...


Als ich heute meine Buchhandlung in der Innenstadt besuchte, um ein Geschenk zu kaufen, fiel mir direkt dieser Titel eines Taschenbuches auf.
Es war dekoriert auf einem Tisch in der Nähe des Eingangsbereichs.
Das Taschenbuch, ein Lesebuch, das speziell für das Ereignis Ruhr.2010 zusammengestellt wurde, enthält 50 Texte, Gedichte und Lieder, die alle von dieser Region und ihrer Vergangenheit und Gegenwart erzählen.
Es ist erschienen im DTV Taschenbuch Verlag (Ruhr.Buch 13826) und kostet 9,90 €.

Einstellen möchte ich ein Gedicht von Hermann Löns, das auch in dem Bändchen enthalten ist. Es heißt einfach: „Dortmund“.

„Dortmund
Von Hermann Löns

Schwarzgrün war der dürren Gebüsche Laub
Und schwarz war der Himmel bezogen,
Ein schwarzer, wildwirbelnder Kohlenstaub
Kam über die Felder geflogen.

Die Sonne ging aus und es nahte die Nacht,
Es glühten mit flackerndem Brande
Die Hochöfenfeuer in magischer Pracht
Irrlichternd am Himmelsrande.

Ich ging an den schwarzen Fabriken einher,
Dampfschnauben erklang durch die Fenster,
Aus den Schornsteinen wälzten sich wuchtig und schwer
Des Rauches verworr'ne Gespenster.

Es flog auf das Herz mir der häßliche Staub,
Und es schrumpften die Hoffnungsgrünblätter,
Die Ideale – der Altklugheit Raub,
Zertrümmerte Griechenlandsgötter.

Ich genoß den berauschenden, brennenden Trank,
Den fressenden Weltschmerzfusel,
Ich trank mich elend und schwelgte mich krank
Im lebenvergiftenden Dusel.

Am Bahnhof, im kribbelnden Menschengewühl,
Im Donnern und Schnauben und Pfeifen,
Da fühlt' ich ein schluchzendes Stöhnen mir kühl
An die trauernde Seele greifen.

An die Mauer gelehnt ein Mädchen dort stand
Im schwarzen, schlechtsitzenden Kleide,
Das blasse Gesicht in der kräftigen Hand:
»Was tat man dir, Mädchen, zuleide?«

Und schüchtern, wie Ostwind das Röhricht durchzieht,
So erzählte sie schluchzend und leise
Ein uraltschön Proletarierlied
In modern komponierter Weise:

»Unsern Vater, den brachten sie neulich nach Haus,
Vom Rade in Stücke gerissen,
Da ging unsrer Mutter die Lebenskraft aus,
Es hat sie aufs Bett hingeschmissen.

Und der Fritz, mein Bruder, wie'n wildes Tier« –
Ihre Lippen zuckend sich schlossen,
»Den haben die Hunde vorgestern hier
Beim Streikkrawalle erschossen.

Sechs kleine Geschwister, die hungern zu Haus,
Und ich hab' kein Geld für die Reise«
Ihr Kopf sank herab – das Epos war aus –
Sie weinte bitter und leise.

Ich gab ihr das Geld in die schwielige Hand,
Nie werd' ich ihr Lächeln vergessen,
Sie hielt meine Finger festklammernd umspannt
Mit ungläubigdankbarem Pressen.

Fort dampfte der keuchende, jappende Zug
Mit Donnern und Blitzen und Rasen,
Der Weltschmerzgedanken verschrobener Flug
Zerstob wie vom Sturme zerblasen.

Ich sah den verglimmenden Glutaugen nach,
Belächelnd mein trauriges Herzlein –
Was war gegen Jammer von diesem Schlag
Mein rührend Poeten-Schmerzlein?"

Münster, September 1890

Vielleicht werde ich noch andere Texte aus dem Buch, die nicht mehr dem Urheberrechtsschutz unterliegen, einstellen.

Um nicht immer ein neues Thema zu eröffnen, werde ich das dann unter “Kommentar” weiterführen.


Gruß von Enigma


Hermann Löns

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