22 Uhr

Autor: ehemaliges Mitglied

22 Uhr


22Uhr26Minuten und 58Sekunden

Ling Ling Hu Leung- was übersetzt wahrscheinlich „Lächelnde Morgenröte“, oder gar „Glitzernde Perle auf einer Lotosblüte nach dem Regen bedeutet“- seufzte leicht. Es war kurz vor Feierabend also ca. 19Uhr. Der 12 Stunden Tag war lang und hart und wurde nur durch eine kurze Mittagspause, in der es ein Schälchen Nudel mit Gemüse gab, unterbrochen. Heute wird das sauer verdiente Geld ausbezahlt, heute war Samstag, und heute wird ausgegangen.
Irgendwie hatte sie wohl schon den Feierabend im Sinn und freute sie sich auf diesen Abend nach dem Einerlei der Woche. Sie wollte mit ihren 7 Freundinnen, die alle mit ihr in einem kleinen Zimmerchen in der großen Industriestadt in Chen Zengh wohnten und schliefen, bummeln gehen. Sie hatten sich vorgenommen in einer Garküche an irgend einer Straßenecke richtig zu schlemmen. Es war Samstag abends und Zahltag und im geheimen hofften die Mädchen kichernd, auch auf Jungs zu treffen und dann könnte man eventuell zusammen eine Disco oder eine Karaokebar besuchen.
Ling Ling Hu Leung seufzte nochmals, als sie meine Uhr versehentlich ungeprüft aus der Endprüfung nahm, in eine farbige Faltschachtel packte und den Prüfstempel und ihre zierliche Unterschrift auf den Qualitycontrol- Zettel setzte. Sie legte die Bedienungsanleitung, die von Kanton- Chinesisch auf Englisch und anschließend aus diesem Kauderwelsch, in einem babylonischem Deutsch endete, dazu.
Das Band stand still und meine Uhr plumpste als letzte in einen Karton, indem schon einige anderen hundert Uhren meines Kalibers ein geschichtet lagen. Lings Kollege Wu Han Unhug Quai Son schloss den Karton, verklebte ihn sorgfältig und ein Stapler nahm diesen Karton, der letzte einer Schicht- Chinesischen Fleisses- und stapelte ihn bei vielen anderen Kartons auf.
Am Montag wurde mein Karton in einen Container geladen -Via Hamburg. Wer sollte mich da hören, oben auf dem Deck in meinem wasserdichten Lloyd 40 Feet Container? Selbst in der Firma, die mich-- „Uhr„-- Designet in Germany, Made in China“ geordert hatte, konnte mich niemand hören, denn ich piepste, immer genau um 22Uhr26Minuten und 58Sekunden. Da waren bereits alle zu Hause, saßen vor dem Fernseher und knusperten Chips. Hätte Ling Ling Hu Leung nur eine Minute länger gewartet und dann wäre ich in den Gelben Sack für Elektronikmüll gesteckt worden-mit dem Makel, dass ich mein Gesicht verlor, in diesem Falle das Ziffernblatt und wäre als eine untragbare Schande für ganz China in die Schrottpresse gekommen.
Zufall oder Vorsehung, wie man es sehen oder hören will.
Die Uhr mit dem Prüfstempel“ Quality tested by:“ von Ling Ling Hu Leung, kaufte ich , ausgerechnet ich für 14.90€ als Schnäppchen, als nämlich meine teure Taucheruhr zu 150€ Made in Japan, eine Automatik mit Nachtleuchtenden Zeigern ihren Geist aufgab. Es war meine 2te dieser Art und ich gebe zu ich habe diese Uhren für alles benutzt, wie zum Nüsse knacken, Nägel in die Wände schlagen, Bierflaschen öffnen, Champagnerflaschenhälse köpfen, Autofenster zu knacken, wenn der Schlüssel verloren wurde, als Glühwurmimitation einsetzen und vielen mehr wichtiger Dinge.
Und ganz super wichtig, um meinem Enkel zu imponieren, wenn nach dem Vorlesen im Bett das Licht ausgeschaltet werden musste.
Dann tauchten wir beide 100 Meter tief ab- unsichtbar für Omas scharfen Blicken – und schlüpften unter die Bettdecke. Dort erzählte ich flüsterleise von meinem verrückten Onkel Fritz, der in einem U-Boot in völliger Dunkelheit, den Krieg überstand, der todesmutig wilden Haie Zähne zog, die er uns Kinder als Amulette um den Hals hängte. Er erzählte von anmutigen Meermaiden die unerreichbar für die U-Bootfahrer mit langen grünen Haaren aus Tang am Bullauge vorbei schwammen.
Und da war die Geschichte mit dem Riesenkraken, der sich durch ein Torpedorohr einen Matrosen gegriffen hatte und dem mein Onkel in letzter Sekunde mit seinem Schweizer Offiziersmesser den ellenlangen gierigen Fangarm samts umwickelten Matrosen absäbelte. Danach gab es eine Meuterei, weil die Mannschaft 8 Wochen gekochten und gebratenen Riesenkrankenfangarm vorgesetzt bekam.
Von einer Kaperfahrt brachte er eine, mit Schottischem Whisky gefüllte Seekiste mit nach Hause. Er soff täglich von dem Zeug und schoss dabei regelmäßig, dem Schottischen Wasser des Lebens nicht gewachsen, in unsere Wohnzimmerdecke. Die Einschüsse zeigten wir noch lange nach dem Krieg stolz unseren Besuchern. °Da guck einmal, da hat unser Onkel Fritz piff paff mit seiner Pistole in die Decke geknallt- toll was!“

In einer leichtsinnigen Stunde im U-Boot- wir waren gerade auf Tauchtiefe 789 Meter(Dies Tiefe verwirrt die Sinne) angekommen und wollten Korallen für Oma pflücken - versprach ich meinem Enkel meine Taucheruhr als Erbe und setzte dies umgehend- Oma als Zeugen berufend- in meinem Testament fest.
Dort stehts geschrieben und nicht mehr rückgängig zu machen:
Mein Enkel Pad, erbt nach meinem Ableben die nachtleuchtende Japanische Taucheruhr. Punktum.
Was sollte ich auch da oben in der zeitlosen Ewigkeit mit einer Taucheruhr mit Leuchtzeigern?
Ich bin mir nicht sicher, ob sich da oben überhaupt einer für die Geschichten von meinem, Onkel Fritz interessiert und sich mit mir unter einer Wolke versteckt. Dabei dachte ich an die 10 Gebote, wovon doch eines lautet : Du sollst deinen Nächsten keine Märchen erzählen oder so ähnlich- mindestens. Und Licht haben die genug und alles reinster Ökostrom. Aber Hallo, das ist mehr als unwahrscheinlich.
Wie stehe ich nun da? Was wird mein Enkel sagen, zu einer Uhr, die immer zu einer Unzeit um 22Uhr26Minuten und 58Sekunden piepst? Gerade dann, wenn er es absolut nicht brauchen kann
Er wird mich verdammen. Dieser Opa wird er sagen- und auf gut alemannisch hoffe ich,
Gopferdelli sell Sieche Ührli „ fluchen, einen Hammer nehmen und dieser Missgeburt aus China mit einem Schlag zum Schweigen bringen. Seine Freundin wird das von ihm erwarten, sonst waren sie das letzte Mal um 22Uhr26Minuten58Sekunden beisammen!

Von dieser Schmach angetrieben versuchte ich Ling Ling Hu Leung aus dem Chinesischen Telefonbuch mit seinen 99 976 001 Seiten ausfindig zu machen und um ihren Rat zu fragen. 1.3 400 007 024 Telefonnummern bin ich durchgegangen um Ling Ling die Morgenröte aufzustöbern, aber wahrscheinlich hat sie ein Prepaidhandy. Aussichtslos.

Ich holte den Hammer aus der Werkzeugkiste und genau um 22Uhr26Minuten58Sekunden schlug ich erbarmungslos zu!
Nun muss ich mir doch wieder die teure Taucheruhr aus Japan zu legen.Seufz!

 Terry

Mein Onkel Fritz aus dem U-Boot gab es aber tatsächlich!
 


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Kommentare (5)

Rosi65

Hallo Terry,

der große Bruder, es ist ein Wecker, liegt übrigens bei mir Zuhause in einer Schublade. Nach einem Unfall von der Kommode wollte er mich täglich immer um 23.30 Uhr wecken. Eingestellte Zeiten ignorierte einfach hartnäckig. Dabei stammt er doch aus Freilassing, und ist damit sogar ein echtes deutsches Wertarbeitsprodukt!
  
为玲玲 (Ling Ling) hat diesmal also nichts damit zu tun.😉

Beste Grüße
  Rosi65

ehemaliges Mitglied

@Rosi65  
Hallo Rosi,
sicher ist das nicht, die bauen in China auch Rolexuhren für 19.99😃
LG Terry

 

ehemaliges Mitglied

@Terry
Danke! 
Lese Humorgeschichten immer sehr gerne, diese hintergründige ist doch 
toll geschrieben. Kompliment dem Schreiber! 
Wünsche uns Allen, einen schönen Mittag, ob Schlaf oder nur Pause. 
Mauli hatte Spaß beim Lesen und den Hammer hätte ich sehr schnell in 
der Hand gehalten, wer mag sich denn stören lassen ......beim Kabbern am Ohr? 😏

ehemaliges Mitglied

@Maultasche  
Hallo Moni,
danke für dein Lob, da erröte 😊 ich.
Unser Onkel Fritz war ein echtes Unikum. Als der Krieg vorbei wurde er geheiratet von einer blonden Walküre und dann wars aus mit alldem Unsinn , den er vorher getrieben hat.
LG Terry

ehemaliges Mitglied

@Terry Wong  
habe zwar geheiratet,nur ging mir  der Blödsinn ging nicht aus meinem Kopf raus, was habe ich wohl falsch gemacht? 
Fragen wir einfach Dr. Freud .....der hätte seinen Spaß an mir 
und jetzt grüßt zum Abend ....Moni, Mauli, Maultasche 😏


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