Auf der anderen Seite des großen Wassers


Da bewegst du dich in einem Land, von dem du bisher nur aus Büchern, Filmen, dem Radio und von einigen Menschen etwas gesehen und gehört hast. Du gehst in ein Land, von dem du selbst nur das Ferne kanntest, es dir nicht vorstellen konntest, dass du diesen Boden einmal mit deinen Füßen betreten durftest.

Zunächst nehmen dich Andere mit, lenken dich, begeistern dich, mit zu gehen, für dich Neues zu erfassen. Prall gefüllt von den Eindrücken kehrst du zurück und blätterst dich durch die Tagesseiten, die du da drüben geschlafen, gebadet, gegessen, geatmet und erlebt hast. Trunken von alledem lernst du zu verstehen, was so das unterschiedliche Gefühl zwischen dem Hüben und dem Drüben ausmacht.

Du erlebst Landschaften, die man dir bisher nur in Bildern zeigen konnte. Und nun hast du sie gesehen: die Felsmassive, ihre Schluchten, die Formen des Gesteins, die Gewässer, die endlosen Wege, die riesigen Bauten und mittendrin die Menschen, die einem fast kindlich vorkamen, heiter sorglos erscheinend.

Du kanntest bisher nur die Menschen, die von drüben hierher kamen, in einer Uniform oder auch nicht, manches Mal in einer Mode, die nicht so streng genommen wurde wie hier, du sahst die weißen Socken, die wie ein Markenzeichen getragen wurden. Alles so locker ?

Aber du sahst auch Menschen, weißhaarig, also nicht mehr die Jüngsten, flott gekleidet, so mal eben von einem Steward im Rollstuhl von Flugsteig A nach Flugsteig G gerollt. Mobilität bis ins hohe Alter – etwas, was uns hier noch fehlte. Und Alles mit so herzlich erscheinender Freundlichkeit.

Da wolltest du in einem Laden oder Restaurant zum Essen ein Bier: „Ich muss erst einen finden, der das servieren kann“ – Bedenke, du warst im Land der Mormonen, im Staate Utah. Du sahst ein Männlein mit zwei drei Frauen und eine Horde Kindern – Bedenke, du warst bei denen „of the latter days“, sie haben da ihr gelobtes Land, zwar reichlich unterwandert von Andersgläubigen. Aber sie leben dort zusammen, man kann sich ja auch etwas aus dem Weg gehen. Viele Menschen hatten den Weg in dieses Land gefunden, befreiten sich von den Problemen aus Glauben und fehlendem Vorwärtskommen, fingen ein neues Leben an. Und sie leben auf ihre Weise.

Du sahst an der Bar im rötlichen Dunkel-Licht, ein Beer oder Cocktail vor dir, so wie dein Gesprächspartner, der da zu Hause war. Und er fragte dich nach deiner Meinung zu den Hostages (Geiseln) im Iran, wo gerade der Befreiungsversuch kläglich in der Wüste zu Bruch gegangen ist: was sagst du da? Wie windest du dich aus der Antwort heraus, sind doch die Ansichten so verschieden – und du warst als Gast in dem Land.

Was da in der Abfertigungshalle im Flugplatzgebäude aus den Lautsprechern an dein Ohr drang, du bestauntest diese Art der Ansage, fast wie ein Wiegenlied, du gabst dir nicht die Mühe, es zu übersetzen, ging es dich etwa an?

Du suchst das Hartgeld zusammen, kennst nun schon die Wertigkeiten. Du gehst in eines der Zauberhäuschen der „Bell Telephone Company“, wirfst ein Coin ein, willst wählen und … ein Operator dringt in dein Ohr und fragt dich noch einmal nach der gewünschten und schon gewählten Nummer, er freut sich, dass das Gespräch nach Germany geht, möchte auch sogleich tätig sein. Doch eine Frage möchte er beantwortet haben: „station to station?“ oder „person to person?“ – du stutzt „person to person!“, was will ich mit ‘ner Station?! – Ich möge noch einen „Diam“ einwerfen. – Eine Pause – Funkstille. Dann ein Knacken und … ich höre mein Weib zu Hause in Deutschland. Dazwischen die Frage des Operator, ob die Person am Telefon ist – Nicht hinhören! Einfach fragen, ob alles zu Hause in Ordnung ist, ein Ja kam, schnell noch Grüße – auflegen. Und da klingelt es in der Zelle: der Operator ist wieder dran, erkundigt sich, ob die gewünschte Person erreicht wurde. Sage „nein“ – und prompt klickert dein eingeworfenes Geld wieder heraus. Bedenke, du hast gerade einen Dollar-DM-Kurs von 1.0 zu 1.5 erfahren und so ein Gespräch kostete damals mindestens sieben Dollar für drei Minuten.

Dein Englisch lässt zu wünschen übrig. Also kauftest du dir für 20$ einen Webster, ein ganz dickes, schweres Nachschlagewerk, so Dictionary und „Duden“ zugleich, alles in beiderlei English. Du bekamst Schwierigkeiten, beim Einchecken, weil dein Gepäck hart am Limit wog. Sei still, du hattest auch viele Landkarten mit eingepackt und auch die Hefte aus den National Parks. Aber du kamst durch – eben ohne geschmuggelte Zigaretten.

Da bewegtest du dich in einem Land, das du etwas von oben und viel von unten her kennenlernen durftest – nur ein wenig, aber doch sehr eindrucksvoll. Du begannst die Menschen zu verstehen, waren sie doch nun besser begreifbar. Glücklich konntest du dich schätzen, dass du noch zweimal in dieses Land der vielen Möglichkeiten reisen konntest, dass du es ganz alleine, ohne Vorbeter, bereisen konntest. Ob du denn nicht zu ihnen kommen wolltest? Du sagtest: „Nein! Wenn ich noch so in den Zwanzigern wäre, dann vielleicht, aber nicht für ewig“.

Inzwischen hat sich in der Welt so vieles verändert, du bist zu Hause. Möchtest du noch einmal hinüber? Du weißt es nicht, hast du doch hier noch soviel vom Land zu „erobern“, da wo du mit deiner Sprache und Art und Weise den Alltag bestreiten kannst. Grüße dich fernes Land, da auf der anderen Seite des großen Wassers.


ortwin

Anzeige

Kommentare (0)


Anzeige