Blutwurscht mit Sauerkraut


30. März 99.
Schon vor Tagen erfolgte die Einladung von unseren Gartennachbarn zum Kaffee heute Nachmittag.
So steht bereits der Vormittag im Zeichen einer Festlichkeit.
Mit gleicher Intensität laufen die Mittags Vorbereitungen für das Wahlessen: Pellkartoffeln mit Blutwurscht und Sauerkraut.
Ein Leckerchen wird das, köstlich, köstlich. Schon gedanklich verspür' ich den Gaumenkitzel und arbeite desto sorgfältiger am Computer.
Gartenzeit-Kalender werden gedruckt und das Foto Angebot deshalb gewissenhaft ausgewählt.
Meine bessere Hälfte, die liebe Ilse, heute auch Chefköchin, hilft, soweit sie zeitlich kann.
Wir diskutieren ausgiebig über Motiv, Anblick, Aussagefähigkeit und familiäre Bedeutung einer fast historischen Aufnahme aus dem vergehenden Jahrtausend.
Diese besagte Aufnahme zeigt mich bei einer Neptun ähnlichen Tätigkeit im Goldfischteich: Mit Schnorchel und Taucherbrille, bei ganz hoch gekrempelten Hosenbeinen, welche nur ganz schwach die kraftvollen Schenkel andeuten können. Die Goldfische und Kois ringsum im halbleeren Teich staunen.
Oma Ilse kommt dabei in echte Rage, will mir ihren Willen unbedingt und auch handfestlich überzeugend nahe legen, weil das Foto nach ihrer Meinung meine etwas ausgeweitete Römerfigur hervorragend dokumentiert.
Eben muß sie tief Luft holen nach dem eifrigen Gerede, da hören wir einen dumpfen Knall.
"Wumm".
Noch einmal "Wumm".
Und ein drittes Mal "Wumm".
Sofort stehen unsere Mäuler still und die Ohren an beiden Köpfen schalten auf höchste Energie!
Was war das?
Könnte ein Blumentopf umgefallen sein?
Hat der Wind die Tür zu geschlagen?
Wir lauschen.
Nichts weiter zu hören.
Nach und nach zieht aber ein feiner Duft aus der Küche zu uns herein.
Es riecht nach Leberwurscht,-oder ist es Blutwurscht?
Schnuppernd recken sich unsere Hälse.
"Das Mittag, Ilselein..." wag ich leise zu bemerken.
Ilselein guckt erst mich an, daß es mir im Bauch heiß und kalt kribbelt und dann zur Tür.
Jetzt, wie ein Blitz im Tal flitzt sie davon.
So schnell, schneller als ihre stabile Figur es wirklich erlaubt, so saust die Gute raus aus meinem Computerraum, rum um die Ecke im engen Flur und rein durch die halb offene Schiebetür in die Küche.
Beleidigt klappernd zieht sich die Tür an den Türpfosten zurück.
Ich, noch etwas bange, weil sie beim Anblick des ausgesuchten Fotos von meiner Persönlichkeit so arg in echte Aufregung geriet, langsam hinterdrein.
Vorsichtigen Blickes wage ich um die Küchentürecke zu gucken.
Da steht die Gute, einen mittleren Holzlöffel in der Hand und schaut ganz angestrengt in einen dampfenden Topf auf der Gasflamme.
Schon etwas mutiger geworden trete ich der Sache näher, möchte erfahren, warum die liebe Ilse, wie gelähmt, so in den Kochtopp starrt.
"Is' was?"
Keine Antwort auf mein höfliches Mitgefühl.
Obwohl mir ihr Verhalten immer noch als ein Rätsel erscheint, wage ich mich zwei Schritte näher an die Topfguckerei der Ilse.
Da fängt die Chefköchin des Tages plötzlich an zu wettern, verflucht ganz unzüchtig, ja fast unchristlich alles und jedem, mich besonders, rührt dabei ganz energisch mit der Holzkelle im Topf herum.
Ich springe ruckhaft zurück!
Nach einigen Augenblicken wage ich mich erneut mit einem "was is'nß" heran.
"Mist", quetscht fauchend Frau Ilse zwischen ihren zusammengepreßten Zähnen hervor, " die Würschte sind hin!!"
Ilse nickt sehr erzürnt und rührt weiter im Topf herum. Dabei fischt sie einige Häute aus der Brühe.
Zusammengeschrumpelt liegen dann die Dinger auf dem Teller.
"Ade du schönes Mittag" entweicht es unbedacht meinen Lippen - und schon kommt ihre Reaktion in Form des hölzernen Löffels gefährlich nahe an meinem Haupt vorbei, daß die schütternen Locken durch den Luftdruck in die Höhe getrieben werden.
Aufgeregt erklärt lautstark Frau Ilse was geschehen sei, kann sie nicht gleich beruhigen.
Nach reichlichen Rechtfertigungen, die fast nicht enden wollen, bekommt sie einen Mundwerkskrampf.
Laut und eintönig schallt ihre Mittagsklage durch die Gartenlaube.
Lange bemühe ich mich die so Gestreßte zu beruhigen, verspreche fast alles, was mir dabei so einfällt, bis uns beiden endlich die Luft ausgeht.
Dann steht unswer Entschluß fest: Zum Abend gibt es frische Wurschtsuppe!
Wieder friedlich, fahren wir später los in Richtung Schöneiche.
Es wurden angenehme Stunden bei Irmgard und Werner, den netten Nachbarn.


(Aus meinen Tagebuch-Aufzeichnungen (4) 1999)

Anzeige

Kommentare (0)


Anzeige