Der Maat und die Lederjacke


Die Lederjacke
1946
Karlheinz war nicht in die Gefangenschaft gegangen, die Engländer hatten alle Mariners, die wollten oder auch mit etwas Druck mitmachten, eingefangen und zum Minenräumen auf See geschickt. So gut ein Jahr war Karlheinz dabei, es war immer Alles gut gegangen.

Karlheinz war vom Engländer entlassen worden und wollte zurück nach Berlin, doch dahin haben die Engländer keinen entlassenen Soldaten gehen lassen. Aber der Onkel da an der Weser nahm seinen Neffen zu sich in die Schmiede. Karlheinz hatte Schmied gelernt, ehe er zur Reichsmarine ging. Und nun war der Maat als Schmied erst mal versorgt. Er zog mit in das Zimmer in die Hoch-Paterre, wo der Stift, ein schmächtiges Kerlchen aus Berlin untergebracht war, und der Mann von Beton und Monier, ein hängengebliebener Schlesier, der beim Wiederaufbau der zerstörten Eisenbahn-Brücke über die Weser arbeitete.

Karlheinz kam mit seiner ganzen graufarbenen Lederbekleidung an, so nach und nach wurden die Kleidungsstücke des Meisters, den es im Kriege mit der Polizei nach Polen gejagt hatte, passend für Karlheinz. Aber mit einem gewissen Stolz trug er die lange Lederjacke, die so die Länge eines Collani hatte.

Seine Geschwister und die Mutter waren noch in Berlin und kamen so man gerade über die Runden, denn Karlheinz und der Onkel schickten Geld und Lebensmittelpakete rüber. Eines Tages kam aus Berlin ein Telegramm. Die Mutter war gestorben. Da saßen die minderjährigen Geschwister alleine in Berlin. Was tun? Des Meisters Schwester und auch der andere Onkel von Karlheinz wollten helfen. So also fuhr Karlheinz mit seiner Cousine von nebenan - die Beiden gingen ja miteinander – nach Berlin. Nach der Beerdigung der Mutter wurde der Haushalt geschlossen. Die Kinder, drei an der Zahl, fuhren mit nach hier.

Nun sollten die Geschwister aufgeteilt werden, eins hierhin, eins dahin, und eins dadahin. Man sah nur verweinte Gesichter. So zog Karlheinz seine graufarbene Lederjacke an und ging mit der Cousine an der Hand zum Dorfschultheiß. Sie bestellten das Aufgebot, heirateten nach Ablauf der Anzeigenfrist. Irgendwo fanden die Beiden eine Bleibe unterm Dach, groß genug, die Waisen zu sich zu nehmen.

Karlheinz zog seine graufarbene Lederjacke – die stand ihm hervorragend – an und bewarb sich in Hannover bei Hanomag, sein Können und Wissen als Maschinen-Maat auf einem Kreuzer brachte er in der Fabrik ein. Und bald konnte die Familie das Dorf an der Weser verlassen, zog in eine geräumige Stadtwohnung. Und wenn …



Übrigens dem Maat habe ich mit dem Hammer auf den Daumen geschlagen, wofür er sich mit einem kurzen Schlag in den Nacken bei dem schmächtigem Kerlchen aus Berlin bedankte, das prompt zu Boden ging, den Hammer geschultert.


ortwin

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Kommentare (1)

Traute Das sind Entschlüsse, wie man sie treffen kann, wenn Moral und Kraft und Anstand und Gewissen in einem Mann zu finden sind. Hoffentlich hat er viele Kinder mit seinen Eigenschaften in unsere Welt gesetzt, das sollte sich ausbreiten.
Mit freundlichem Gruß,
Traute

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