die Maulsperre bei Omi


Omi konnte herzzerreißend gähnen und bei dieser Prozedur, sprang ihr der Unterkiefer raus. Mit geöffneten Mund tanzte sie in der Küche rum und quetsche Töne raus, die an Indianer-Gesänge erinnerten.
Mariechen, nicht schon wieder..........
Langsam stand er auf, ging auf sie zu, hielt sie an der Schulter fest und mit der anderen Hand zog er aus.
Klatsch, die Ohrfeige hat gesessen und das Gesicht stand wieder gerade.
Hau doch nicht immer so fest, war ihr Protest!
Opa stand auf - zwei Köpfe größer und blickte auf sie herab.
Na gut, sprach er, das nächste Mal gehst du ins Krankenhaus, aber ohne mich.
Du weißt doch ganz genau, daß Streicheln da nicht hilft.
Höre du mit deiner blöden Gähnerei endlich auf, dann brauche ich dir auch keine zu schmieren.
Eines Tages, ich war ungefär 9 Jahre alt, holte ich ihn am Samstag vom Bahnhof ab und er erklärte mir, was ich zu machen hätte, wenn Omi mal wieder ihre Maulsperre hatte.
Wichtig sei, auf die Richtung der Schiefstellung zu achten. Manchmal geht das Kinn nach rechts und manchmal auch nach links. Und dort, wo das Kinn hinzeigt, dort mußt du in Ohrenhöhe draufhauen. Aha.
Im Nachhinein erinnerte ich mich, daß ihm wohl schon sein Herz Probleme machte.
Jedenfalls wiederholte sich dieses Prozedere noch öfters und eines Tages mußte Opa ins Krankenhaus.
Ich fuhr hin und sein erstes Wort war: weißt du noch, was du machen mußt? mach aber eine Faust, deine Hand ist noch zu klein.
Ja Opa, ich habe es mir gemerkt - ich kriege das schon hin.
Nach 3 Jahren verstarb mein Opa und meine Mutti lag im Sterben. Omi war bei uns im Haus und ich fürchtete mich vor ihren Gähnanfällen.
Vorsichtshalber ging ich zu unserer Hausärztin und meldete ihr mein Problem mit Omi.
Sie beruhigte mich und sagte, daß ich sofort zu ihr kommen sollte, wenn sowas wieder geschieht.
Beruhigt zog ich ab und erzählte meiner Omi von dieser Organisation meinerseits - doch sie winkte ab und meinte nur: was der Opa immer für Gedanken hatte.
Meinem Stiefvater habe ich diese Geschichte erzählt und der war ganz stolz auf mich.
Er meinte nur, daß wir das auch gemeinsam schaffen. Du sagt mir, was zu machen ist und ich haue zu. Mach dir deine Pfötchen nicht kaputt - du willst doch noch Akkordeon spielen.
Das Thema war zu Ende und Omi hat nie wieder eine geklebt bekommen.
Und das Gähnen hat auch aufgehört.
Jahre später fing sie wieder an - ich brauchte sie nur anzusehen und sie brauchte nicht mehr zu gähnen.
Sie las wohl in meinen Augen und las den Text, daß ich zuschlagen würde, wenn ihr Kiefer schief hängt.
Eine seltsame Frau, die Omi.

mit geraden Grüßen
Euer Moni-Finchen





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Kommentare (4)

finchen ob das noch Liebe war? Omi war ein streitsüchtiges Weib und jedes Jahr wurde es schlimmer. Als sie bei uns im Westen war, stritt sie mit mir und meckerte an allem rum. Ganz schnell beleidigt, wenn man nicht nach ihrer Pfeiffe tanzte, ansonsten aber auch hilfsbereit. Aber wehe, wenn sie losgelassen, dann wußte gleich die ganze Stadt, wie es bei "denen" zugeht. Ich muß leider sagen, ich mochte sie nicht...........und weiter ohne Worte.
Liebe Grüße Moni-Finchen
erafina Wie sich "Bedürfnisse" verflüchtigen können, wenn ein Teil des Teams nicht mehr da ist.
Ich bin so frei und lese Liebe zwischen beiden heraus aus der Erzählung, ohne sie gekannt zu haben.
Ich hoffe, es war so.

Für ein Kind war das sicher beängstigend.
Aber Opa und Oma wussten: war mutt, dat mutt.
Man kann ja nicht jedesmal zum Arzt laufen.

erafina
sarahkatja Jetzt erst, habe ich Deine Geschichte gelesen und mußte herzhaft lachen. Ja, die arme Omi, sie wollte eben nur von ihrem Mann eine "Wiederherstellung" haben.

Was für ein Pech aber auch.
Gut, dass das nur wenigen Gähnern passiert.
Dass es das gibt, hatte ich schon mal gehört.
Gruß von
Sarahkatja


Traute die arme Omi! Aber mit Deinen Patscherchen hättest Du das sicher nicht wieder eingerenkt.
Ich glaube, Du hättest kurz vor dem Ziel die Notbremse eingesetzt..
Aber das mit der Maulsperre einrenken auf diese ökologisch/ökonomisch richtige Weise, lass bloß nicht die Krankenkassen kommen, sonst geht es uns bald klatsch-schlecht
Wieder eine skurrile, echte, volksnahe Geschichte, aus der Gesellschaft.
Mit freundlichen Grüßen,
Traute

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