Gefährliche Begegnung


Gefährliche Begegnung

….Das Schicksal bringt der Menschen Wege
oft miteinander ins Gehege.
Nachdem sie sich nie vorher sahn,
kreuzt sich auf einmal ihre Bahn,
wobei der eine mit Gewalt
beinahe auf den andern prallt.
….Der eine etwa steht im Haus
und hat nur einen Wunsch: Hinaus!
Er denkt im Schein des trüben Lichts
nichts Böses, noch genauer: Nichts.
Dem anderen, der draußen steht,
es grade umgekehrt ergeht,
obwohl, wie er die Schritte lenkt,
auch er nichts und nichts Böses denkt.
Bestrahlt von hellem Sonnenschein
hat er nur einen Wunsch: Hinein!
….Doch gibt es eine Schwierigkeit:
Sie wollen es zur gleichen Zeit.
Gleichzeitig sind sie an der Tür,
die sie erwählt nach eigner Kür,
und keiner kennt in seinem Wahn
des andern Existenz und Plan.
Der eine zieht, der andre drückt;
was sie noch trennte, wird verrückt.
Der eine drückt, der andre zieht;
ein Unglück droht, falls es geschieht.
….Im allerletzten Augenblick
springt jeder einen Schritt zurück.
Von unbekannten Hindernissen
so heftig aus der Bahn gerissen,
probieren sie, den Geist zu sammeln,
wobei sie wirre Worte stammeln,
die eindrucksvoll begleitet werden
von liebenswürdigen Gebärden,-
ein mittelalterlicher Tanz
voll Meisterschaft und Eleganz.
Ein jeder zeigt sich höchst zufrieden,
weil schlimmere Gefahr vermieden,
und deutet taktvoll an, er wolle,
dass erst der andre gehen solle.
So tauschen sie geraume Zeit
Beweise ihrer Höflichkeit.
….Doch dann wird das Brimborium
den Hauptbeteiligten zu dumm.
Sie schmieden stumm und heimlich Pläne,
und plötzlich ändert sich die Szene.
Denn beide stoßen wie im Zorn,
doch ohne Warnungsruf nach vorn,
getrieben von der Raserei,
der schmale Weg zum Glück sei frei.
….Ein dumpfer Schmerzensschrei erklingt,
als ob wer mit dem Tode ringt,
wonach sich zwei Beinaheleichen
mit letzter Kraft vom Schlachtfeld schleichen.
….Das Fazit des Zusammenpralls
ist kompliziert und keinesfalls
als Minus oder Plus verbucht.
Es sei nichtsdestotrotz versucht:
Der Mensch ist, wie er`s immer war,
im Grunde unberechenbar,
entgegenkommend und verletzend,
nachgiebig und sich widersetzend.
Daher das Spannungselement
sogar bei Menschen, die man kennt.


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Kommentare (4)

Roxanna

Gibt es überhaupt etwas Komplizierteres als das Zwischenmenschliche? Ist es nicht die größte Herausforderung im Leben überhaupt? Aber eben auch der Bereich, in dem wir am meisten über uns selbst und andere lernen dürfen/können 😁. Wie WurzelFluegel auch schrieb, auf manches hätte man gerne verzichtet, aber als Mosaiksteinchen gehört auch das zum Großen und Ganzen dazu.

Lieben Gruß
Brigitte

silesio

@Roxanna  
Mir kommt es so vor, als gliche unser Leben einem Mosaikspiel, wie wir es als Kinder hatten und oft in wochenlanger Arbeit zusammengesetzt haben:
Immer wieder fehlt ein Stück oder es ist das falsche.
Vielleicht werden wir nie das vollständige Bild haben 

ehemaliges Mitglied


Wir Menschen sind unberechenbar und ich finde es gut so,
auch wenn ich zugebe, dass ich auf ein paar schmerzliche, unberechenbare Erlebnisse gerne verzichtet hätte.

Aber die voll berechenbare Alternative fände ich wirklich schrecklich: keine Überraschungen, keine unbekannten Facetten in mir und anderen, keine Zusammenstöße…
Wo man doch nie weiß, was sich aus solch `dramatischen Zusammenstößen` an den Türen des Leben alles entwickeln wird und kann…



liebe Grüße
WurzelFluegel

silesio

@WurzelFluegel  
Nein, man weiss nie, was hinter der Tür wartet. Aber es könnte ja das grosse Glück sein und deshalb
macht hoch die Tür, die Tor macht weit!


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