Ich weiß nicht mehr, wo das war


Ich weiß nicht mehr, wo das war

Die westlichen Alliierten waren in Berlin angekommen. Man sah Soldaten in fremden Uniformen. Und das so mitten in den von Ruinen umsäumten Straßen im Britischen Sektor von Berlin. Sie sahen schnieke aus, die Herren von der Military Police mit dem roten Mützen-Überzug, mit den sauberen und gebügelten Uniformen, gut genährt, adrett. Der eine der Doppelstreife führte einen Hund an der Leine, einen Dackel mit braunem Fell. Es sah schon komisch aus, so ‘n langer Kerl und so ‘n winziger „Wachhund“. Oder was hatte der Hund für eine Aufgabe?! Doch nicht etwa den „Werwolf“ abwehren?!

So erlebt im Sommer 1945 auf dem Weg zu unserer „Auswanderung“. Und dann bestiegen wir einen Militär-Laster, einen Bedford, der keine Motorschnauze hatte, wir Auswanderer und andere Flüchtlinge. Der Fahrer ließ mich auf dem Beifahrersitz mitfahren, er mit seiner ärmellosen Lederjoppe. Er steuerte sein Vehikel durch die EssBeeZett (SBZ) über die Autobahn bis hinter Helmstedt .

Und da im Westen liefen die Tommies auch immer geputzt und geschniegelt herum. Manches deutsche Mädel hängte sich bei so einem Manne ein. Das gab mindestens NavyCut für den Vater zu Hause und Coffee für die Mutter und Plumpudding in Dosen für die jüngeren Geschwister.

Frieden.

ortwin

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Kommentare (5)

ortwin Angefangen hat Alles damit, daß Mutter 1946 noch einmal (alleine) nach Eichwalde gefahren ist, Bücher, Vaters Ahnenforschung, Foto-Glasplatten und Ölschinken nach Hämelschenburg bugsierte - was sie nicht anderweitig schicken konnte (Schiller's und Goethe's Erstausgaben als Einzelpäckchen, die Ölbilder gingen zur "Friedrich Wlhelm" [Gerling Konzern] in der Behrenstraße in Berlin, die sie "rüber" schafften), ging mit ihr als 8 Zentner »Handgepäck« mit auf die Rückreise. So löste sie Eichwalde auf.
Und dann fuhren Mutter und ich nach Eystrup an der Weser mit dem Zug und holten eine Nähmaschine (mit Schiffchen, ohne Motor) ab, im Tausch für die so geliebte »Singer«.
Sie hatte auch Stoffe aus der Truhe mitgebracht, so auch blaue Seide, die sie 1932 von der Schwester meines Vaters geerbt hatte - die nun daraus geschneiderten Kleidchen für die Nachtaufe dreier Geschwister hielten bis zum Ende der Feierlichkeiten in der Kirche, die Seide brach und ... das Dorf hat über den Anblick der Geschwister nur gelacht.
Mutter fand einen dunkelbraunen Plüschvorhang: daraus wurden sparsam im Zuschnitt Teddybären-Felle genäht. Ich schnitt die Scheiben für die Gelenke, mit Blumendraht wurde immer zwei zusammen montiert. Heu war die Füllung.
Da saßen die fertigen Figuren auf einem Bord, »Nähh, Frrau Milla, da satz ech mech auf de Arsch! Wie sie das so hinjekriecht ham!?« Eine Astpreissin...
Die Teddies gingen dann mit Mutter auf die Reise zu Vatern in Köln, wohin wir nicht ziehen konnten, Zuzugssperre wegen der hohen Bombenschäden.

ortwin
henryk henryk(henryk)

...ich will Dir sehr herzlich fuer Deine Erinnerungen bedanken...sie beruehren mich sehr....fuer Deine ganze Familie mein Bild von meinem Garten....ja...lieber Ortwin...fuer alle kommt die Zeit,dass nur uns ein Laecheln in der Fotografie bleibt...wie traurig das ist....Alles Gute....Henryk
oessilady Ja dein Bild von damals könnte sich mit dem von uns gleichen,auch bei uns gab es zu der zeit schon 6 Geschwister und die Mutter hat aus allen gebrauchten Sachen etwas neues gemacht.Aus abgetragenen Mänteln wurde noch Hausschuhe gemacht und und und !Es wurde alles wieder verwertet und wenig weg geworfen.Ich habe mir dieses auch so angenommen und
in meinen nicht üppigen Jahren später von dieser Eigenschaft profitiert.
Not macht erfinderisch aber es macht einen unabhängiger,wenn die Zeiten magerer werden
Wir waren aber keine Kriegsflüchtlinge, wie ihr es leider sein mußtet,aber Sparhans war
auch bei uns stets Küchenmeister!Es ist schon schön, sich zu erinnern ,auch wenn das harte Zeiten waren.Und da bald Muttertag ist,wollte ich nur noch sagen,was eine Mutter
imstande ist zu tun, wenn es um das Wohl der Kinder geht-das unglaublichste !
Deshalb ein Gedanke an alle Mütter die gewesen und es noch sind ! Ohne sie wäre die Welt ärmer!
ortwin Lieber Henryk,
dieses Bild schoß ein Flüchtling, ein Fotogaf aus Oberschreiberhau (wie heißt dieser Ort heute?) in Schlesien.
Einer von vielen Flüchtlingen (eigentlich Vertriebenen),
die da in Hämelschenburg im Kreis Hameln-Pyrmont,
hinter dem altehrwürdigen Schloß eine neue,
aber gewiß vorübergehende Bleibe gefunden haben.
Wir sind 1949 weiter gezogen, es ging zum Vater nach Bonn.
Und da kam zwei Jahre später das siebente von gewünschten acht Kindern in die Familie
- wenn dieses Schwesterlein doch auch auf diesem Bild hätte Platz nehmen können!
Unser Nesthäkchen gleicht ganz unserer Mutter,
ganz besonders in Frische, Lebendigkeit und Tatkraft
- viele Menschen tragen heute die von ihr kreierten Hosen,
das hätte Mutter nicht besser gemacht,
sie saß da in der Flüchtlingsbehausung
und schneiderte für die Geschwister Kleider
und für mich aus Zeltbahnen meinen ersten Arbeitsanzug für die Schmiedelehre,
sie schneiderte Teddybären, die Vater in Köln verkaufte,
damit das Fahrgeld und etwas Kungelware dabei heraus kam.
1947 - Schmiedelehre gesundheitlich abgebrochen,
Versuch, noch einmal wieder ins Gymnasium zu gehen.
Das ist nun schon langa, lange her.

henryk ...Das Bild ist wunderschoen.....die Erinnerungen haben geblieben...Henryk

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