Heute, am 27. März, wird in unserer kleingartenanlage das Wasser angestellt.
Ein Bombenwetter hier im Garten.
Die Fische tanken Sonnenstrahlen.
Oma Ilse läßt sich nicht bremsen. Kein noch so gut gemeinter Hinweis, sie möge doch an ihr wohl betagtes Kreuz denken, fruchtet.
Ilse scheint heute von der Arbeitswut besessen zu sein. Das ist für jeden, der ihr dabei zu nahe kommt, ein riskantes Abenteuer.
Wenn Ilse umbuddelt, und das tut sie jetzt, dann buddelt sie und kann jeden Umherstehenden einspannen.
Oder, wenn er nicht aufpaßt, wird er einfach mit untergebuddelt!
Da ist Kompost nötig.
Kuhmist muß ran und Platz für einen zweiten Umbuddler, den gibt es immer.
Leider bin ich in dem Augenblick etwas zu langsam für ihr schnelles Auge und das bedeutet für mich: "Mach' flinke Füße, karre Kompost ran"! Dabei wühlt sich die liebe Ilse mit ihrem Lieblingsspaten Schritt für Schritt voran.
Meine heimlichen Fluchtgedanken runterschluckend, leere ich schwitzend mit knurrender Seele zwei Komposter, belade bei höchst gefährlich ansteigendem Blutdruck eine Schubkarre nach der anderen mit duftendem Kuhmist für die zukünftige Kartoffelackerfläche.
Wann komme ich endlich zu meiner geliebten Tasse Kaffee?
Keine Aussicht.
Ilse buddelt weiter, jagt mich armen Deiwl im Garten hin und her.
Oh, mein Kreuz!
Ich kann nicht mehr.
demonstrativ, ja bis aufs Blut erzürnt ob dieser Ausbeuterei steht jetzt mein Entschluß fest:
Ich werde streiken!
So gedacht, so getan.
Die Eisenbahnerbank am Aprikosenbaum, vor der Wende noch von Kollektiven aus der Gleisbaumechanik Brandenburg als Massenbedarfsgüter hergestellt und besonders von Kleingärtnern begehrt, wird mein Streikbüro.
Als Leiter, Sekretär und gewerkschaftliche Obrigkeit meines so von Ilses Arbeitswut ausgebeutetem Körpers, nehme ich souverän den Vorsitz ein.
Schnell wird demokratisch ein Beschluß gefaßt.
Gegenstimmen?
Nein, keine Gegenstimmen.
Also ruht ab sofort die Arbeit!
Kein Rad der Schubkarre dreht sich mehr, weil ich es so will!
Ilse buddelt.
In unmittelbarer Nähe des Familienfeldwebels stakst Amselmann Fridolin einher. Emsig werden Regenwürmer und andere schmackhafte Leckerbissen gesammelt.
Ilse buddelt immer noch Spatenstich für Spatenstich in der Zeile.
Jetzt endlich muß die Gute in ihrem schaffenden Tun einhalten, der Kuhmist ist alle!
Ein Glück.
Ob ich jetzt zu meinem Kaffee komme?
Warten wir's ab.
Endlich richtet sich die liebe Ilse auf.
Na?
Was kommt jetzt?
Auf ihren Spaten gestützt inspizieren ihre scharfen Guggln die gewohnte Umgebung von der Terrasse an der Laube bis zum Ziehbrunnen.
"Aha!! DAA sitzte"!
So schallt es drohend an meine zarten Ohrwascheln.
Sie hat mich in meinem Aprikosenbaumstreikbüro entdeckt.
"Mach' endlich Kaffee und gammle nich' so rum. Ich habe DURSCHT!"
Na endlich.
So komme ich doch noch zu meinem geliebten Türkischen.
Gleich sieht die Welt anders aus. Freundlich, sonnig, zum Umarmen.
Aber, das traue ich mir doch noch nicht bei der lieben Ilse, das Umarmen. Erst, wenn wohl der ganze Garten umgebuddelt ist. Schließlich will die Arbeitswut abreagiert sein.
Gemeinsam schlabbern wir auf der Terrasse unter dem Wein unseren frisch Aufgebrühten, mit Genuß und letztlich guter Laune.
Auch auf Parzelle Drei tut sich allerhand. Elke sortiert gewissenhaft und nach Plan mit ihrem neuen Spaten die beiden schmalen Streifenenden am Plattenweg für ihre geliebten Rosen.
Mir scheint, die Rosen nehmen hinter Kater Charlie den zweiten Platz in ihrem Leben ein.
Rosen sind auch etwas Besonderes, verdienen unsere Aufmerksamkeit und Achtung.
Ostern wird dann aus Mahlow umgesetzt.
In all den Jahren waren auch ihre Rosen im Garten von Angelika beheimatet, wurden gepflegt, mit großer Sorgfalt von Elke herangezogen.
Jetzt ist die Zeit gekommen, ihre Lieblinge auf die eigene kleine Scholle heimzuholen.
Ein Moment im Leben meiner Tochter, den man kaum beschreiben kann.
So prüft und plant sie, schreitet die vorgesehenen Pflanzstellen ab.
Elke ist in ihrem Element.
Ihr Garten, ein Stück zu Hause.
Mittags treffen Monika und Dieter ein. Wir freuen uns alle gegenseitig, weil wir uns eben im Garten wiedersehen.
Ist doch verständlich?
Dann wird geackert und gegackert, auf beiden Gartenparzellen, so, daß unsere Nachbarn in der Mitte fast neidisch werden.

(Tagebuchnotizen (1) aus dem Jahre 1999.
Wird, wenn gewünscht, fortgesetzt)

Anzeige

Kommentare (2)

outofspain hat mir gefallen und eine Fortsetzung wird erwünscht. Kommt doch jetzt die arbeitsreichste Zeit für den Kleingärtner. Ich würde mein Streikbüro tarnen.

Gruß Mo.

minu aus dem Leben gegriffen.
Ich hatte auch einen Schrebergarten und Kartoffeln
waren mir wichtig. Leider musste ich alles alleine machen
und niemand war da, der sich mit mir freute.
Es ist schön, wenn man sich im Garten zusammen findet und
sich freuen kann.
Fortsetzung erwünscht.
Gr. Emy

Anzeige