Jonathans Ei


Jonathans Ei (gekürzte Fassung)
von Zauberkerstin @ 2012-04-04 – 08:35:01
Jonathan Förster war körperlich und geistig leicht behindert zur Welt gekommen. Als er zwölf Jahre alt war, ging er mit viel jüngeren Kindern zusammen in eine Klasse. Es hatte den Anschein, dass er einfach nicht lernen konnte. Oft brachte er seine Lehrerin Doris Müller schier zur Verzweiflung, wenn er sich auf seinem Stuhl hin und her wand, vor sich hin stierte und dabei grunzende Geräusche von sich gab........
Es gab allerdings auch Augenblicke, in denen Jonathan klar und deutlich sprach - gerade so, als sei ein Lichtstrahl in die Dunkelheit seines Gehirns gedrungen. Die meiste Zeit jedoch empfand es Doris als ausgesprochen unbefriedigend, Jonathan zu unterrichten. Eines Tages rief sie seine Eltern an und bat sie zu einem Gespräch in die Schule.
Als das Ehepaar schließlich in dem leeren Klassenraum schweigend vor ihr saß, eröffnete Doris ihnen:
"Jonathan gehört eigentlich in eine Sonderschule. Es ist nicht fair ihm gegenüber, dass er immer mit viel jüngeren Kindern zusammen sein muß, die zudem keine Lernprobleme haben. Schließlich ist er drei Jahre älter als seine Mitschüler!"
Frau Förster weinte leise in ihr Taschentuch, während ihr  Mann das Wort ergriff.
"Frau Müller es gibt hier in der Nähe keine derartige Schule. Für Jonathan wäre es ein furchtbarer Schock, wenn wir ihn aus seiner gewohnten Umgebung herausnehmen müssten. Ich weiß, dass es ihm hier in dieser Schule sehr gut gefällt."
Nachdem beide gegangen waren, saß Doris noch lange auf ihrem Platz am Fenster. Einerseits empfand sie Mitleid mit den Försters. Schließlich hatten sie nur dieses eine Kind, und das war unheilbar krank. Aber andererseits war es einfach nicht zu verantworten, Jonathan in dieser Klasse zu lassen.Er würde sowieso nie lesen und schreiben lernen. Warum also sollte sie sich noch länger abmühen und ihre Zeit an ihn verschwenden?
Der Frühling kam, und die Kinder unterhielten sich angeregt über das bevorstehende Osterfest. Doris erzählte ihnen die Geschichte von der Auferstehung Jesu, und um den Gedanken des hervor keimenden neuen Lebens zu unterstreichen, gab sie abschließend jedem Kind ein großes Plastikei.
Sie sagte:
"Hört zu",ich möchte, dass ihr das Ei mit nach Hause nehmt und es morgen wieder mitbringt - mit etwas darin, was neues Leben zeigt. Habt ihr mich verstanden?"
"Na klar, Frau Müller!" riefen die Kinder begeistert - alle außer  Jonathan. Er hörte aufmerksam zu, seine Augen unverwandt auf ihr Gesicht geheftet.
Ob er wohl begriffen hatte, was sie über den Tod und die Auferstehung Jesu gesagt hatte? Und verstand er, welche Aufgabe sie den Kindern gestellt hatte? Vielleicht sollte sie lieber seine Eltern anrufen und es ihnen erklären. Als Doris am späten Nachmittag nach  Hause kam, stellte sie fest, dass der Abfluss in ihrer Küche verstopft war. Sie rief den Hausbesitzer an und wartete dann eine volle Stunde, bis er endlich kam und die Sache in Ordnung brachte. Anschließend musste sie noch einkaufen, bügeln und einen Vokabeltest für den nächsten Tag vorbereiten. So kam es, dass sie den Anruf bei Jonathans Eltern völlig vergaß.........
Am folgenden Morgen stürmten ihre 15 Kinder aufgeregt in den Klassenraum, um den großen Weidenkorb auf dem Tisch ihrer Lehrerin mit den mitgebrachten Plastikeiern zu füllen. Aber erst nach der Mathematikstunde durften die Eier geöffnet werden.
Im ersten Ei befand sich eine Blume.
Doris sagte:
"O ja, eine Blume ist wirklich ein Zeichen des neuen Lebens. Wenn die ersten grünen Spitzen aus der Erde ragen, wissen wir, dass es Frühling wird."
Ein kleines Mädchen in der ersten Reihe winkte heftig mit der Hand. "Das ist  mein Ei, Frau Müller, das ist meins!" rief sie dabei laut. Das nächste Ei enthielt einen Plastik-Schmetterling, der richtig lebensecht aussah. Doris hielt ihn in die Höhe.
"Wir wissen alle, dass aus einer hässlichen Raupe ein wunderschöner Schmetterling wird. Ja,   auch das ist ein Zeichen für neues Leben!"
Die kleine Judith lächelte stolz und sagte: "Das ist von mir, Frau Müller."
Als nächstes fand Doris einen Stein, mit Moos bewachsen. Die erklärte der Klasse, dass Moos ebenfalls ein Beweis für Leben sei. Willi aus der letzten Reihe meldete sich zu Wort. "Mein Papa hat mir beim Suchen geholfen!" verkündete er strahlend.
Doris öffnete nun das vierte Ei - es war merkwürdig leicht - und hole tief Luft: Das Ei war leer! "Das ist bestimmt Jonathans", dachte sie. "Natürlich hat er nicht verstanden, was er damit machen sollte. Hätte ich doch bloß nicht vergessen, seine Eltern anzurufen!" Und weil  sie ihn nicht in Verlegenheit bringen wollte, legte sie dieses Ei, ohne ein Wort zu sagen, beiseite und griff nach dem nächsten. Da meldete sich plötzlich Jonathan.
"Frau Müller" wollen Sie denn nicht über mein Ei sprechen?"
Verwirrt gab Doris zurück:  Aber Jonathan - dein Ei ist leer!" Er sah ihr offen in die Augen und meinte leise:
"Ja, aber das Grab Jesu war doch auch leer!"
Eine ganze Weile sprach niemand ein Wort. Als die Lehrerin sich endlich wieder gefangen hatte, fragte sie: "Jonathan, weißt du denn, warum das Grab leer war?" -
"O ja Jesus wurde getötet und ins Grab gelegt. Aber dann hat ihn sein Vater wieder lebendig gemacht!"
Drei  Monate später war Jonathan tot. Die Leute, die in die Friedhofskapelle kamen, um von dem Entschlafenen Abschied zu nehmen, wunderten sich nicht wenig:


Oben auf dem Sarg waren 15 leere Eierschalen zu sehen.

 


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Kommentare (7)

Syrdal

Nun habe ich die Geschichte vom behinderten Jungen Jonathan erst in der Nach-Osterzeit gelesen, bin aber nicht minder beeindruckt von der tiefliegenden Weisheit, die die Exegese dieser "Botschaft" vermittelt. Gerade habe ich wieder einmal das Buch "Das Mysterium von Golgatha" (Bo Yin Ra) gelesen, in dem genau die geistige Schwingung Deiner Geschichte vom Jonathan "lebendig" ist. So ist es wohl eine Fügung, gerade jetzt diese (Deine) Geschichte vor Augen bekommen zu haben. - Danke sagt
Syrdal





 

wegbegleiter

Vielen Dank für die guten Kommentare! Ich hoffe Ihr hattet alle ein schönes gesegnetes Osterfest. Das Kostbarste an diesem Fest ist, dass Jesus Christus für uns gestorben und auferstanden ist und lebt! So können wir wieder Gemeinschaft mit unserem Herrn und Schöpfer haben.

Liebe Grüße

Roxanna

Diese Geschichte, liebe Wegbegleiter, hat mich sehr bewegt. Sie zeigt etwas sehr Kostbares. Oft ist nicht zu erkennen, was in einem Menschen steckt, weil wir nur das sehen oder hören was uns von unserem Denken, unseren Prägungen usw. vorgegeben ist. Dieses als behindert angesehene Kind hat als einziges wirklich begriffen, worum es an Ostern geht. Eine wunderbare Geschichte, auch wenn sie ein wenig traurig endet.

Ein schönes und frohes Osterfest wünscht

Roxanna

Maslina

eine wunderschöne Geschichte
Frohe Ostern
Maslina

Muscari

Dies ist eine ganz außergewöhnliche Ostergeschichte, die mich sehr berührt hat.
Mit Seltenheitswert und schön.
Ich sage Danke und wünsche Dir ein frohes Osterfest.
Andrea

indeed

Eine sehr bewegende kleine Geschichte. Das sind manchmal die Überraschungen von Kindern, die man erst auf dem zweiten Blick wahrnimmt. 
Danke dafür, dass ich sie lesen durfte und wünsche dir frohe Ostertage.
LG indeed 

ehemaliges Mitglied

eine sehr  rührende Geschichte  zum Nachdenken .

 wünsche dir  ein gesegnetes Osterfest  jochen 



 


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