Kennst Du unseren Columbus?


Im Wohnzimmer – in Schöneweide, in Eichwalde und in Bonn hing er „Unser Columbus“, ein Ölschinken, der die Landung Columbus‘ in Amerika darstellt. Darstellt, so, wie es sich ein Historien-Maler vorstellte.

Wie ist die Familie da rangekommen, an das ganz schön große und schwere Gemälde.
Also, das war so, so hatte es Opa Müller erzählte, der hat’s wohl von seinem Vater gehört, und uns hat es die Mutter oder auch der Vater recht interessant erzählt.
Das ist wichtig zu wissen, denn die bei „Kunst und Krempel“ vom Bayerischen Fernsehen haben da eine andere Erklärung parat.

Was stimmt nun? Egal, nehmen wir erst mal die Geschichte, wie wir sie schon früh als Kinder erzählt bekommen haben:
Ein Vorfahre am Kasseler Hof bekam dieses Bild als Entlohnung für besondere Dienste wie einen Orden geschenkt. Der Schenkende war der König von Westfalen, von Napoleon dazu eingesetzt. Das nur nebenbei.

Was uns Kinder schon so imponierte, waren die dabei immer wieder gesagten Worte, die zwischen den dargestellten Personen gewechselt wurden:
Indianer (kaffeebraun) fragt: „Bist du Columbus?“ – der Boss der an Land gegangenen Fußtruppe antwortet: „Ja, der bin ich.“ – Alle Indianer (kaffeebraun) im Chor: „Na, dann sind wir ja entdeckt!

So also musste man das ganze Bild lesen und verstehen: Columbus, im Gefolge, Krieger und ein mit dem Kreuzstab in der Hand kniend, betend, steht vier dunkelbraunen Gestalten mit Stirnband und Piepmatz-Feder – etwas erhöht am Ufer – gegenüber. Das Schiff, mit dem die Leutchen angekommen sein sollen, hat Segel schlaff hängend. Ein paar Palmen dazu und auch seichte Wellen – so hat der Maler das wirklich miterlebt.

Das Ölbild schleppte unsere Mutter durch Berlin in die Behrenstraße zur „Friedrich Wilhelm“ zusammen mit anderen Bildern. Die Herren der Versicherung expedierten das – wohlgemerkt 1946 – zum „Gerling Konzern“ in Köln. Da harrten die Bilder aus, bis wir in Bonn – 1950 – eine Wohnung bekamen. Da erst konnte das Gemälde wieder „sprechen“, da im Wohnzimmer über dem Mahagoni-Sideboard, das Mutter bei einer Auktion ersteigert hatte.

Meine Bildbeschreibung beruht auf dem Rest des Gedächtnisses dazu. Nach Mutters Tod hatte niemand Platz zum Aufhängen. Bruder Ulrich nahm so vieles an sich, er hatte „Platz“ in seinem Haus, so auch das Bild.
Eleonore und Ulrich entschlossen sich, das Bild mit dem Klumbumbus doch bei „Kunst und Krempel“ einmal bewerten zu lassen. Also packte Ulrich dann das „Meisterwerk“ ein und fuhr es von Unna nach Bayreuth, wo diese Sendung vom Bayerischen Fernsehen aufgezeichnet werden sollte. Schwester Eleonore und ihr Mann Klaus kamen aus Oberbayern dazu, mit dem Auto, genauso wie ich aus Ingolstadt.

Zuerst wurde das Bild noch vor der Darstellung von den beiden Sachverständigen abgeschätzt und in den Fahrplan zur Sendeaufnahme eingeordnet. Das Bild wurde mit den Beiden, Ulrich mit Eleonore, nahe der im Saal angeordneten „Backstage“ abgestellt. Ich saß bei den Zuschauern – wo war denn Klaus? Egal. Der Zirkus begann, Leute kamen mit ihren Exponaten, andere Leutchen lösten ab. Und dann waren „wir“ dran.
Uli stellte unsere glaubhafte und „nachgewiesene“ Geschichte zum Bild vor. Atempause. Und dann kam das Zerfetzen unserer schönsten Geschichte, die wir von Opa, Vater und Mutter immer gehört hatten. Typische Familiengeschichte – das Bild ist Ende des neunzehnten Jahrhunderts entstanden, kein Jerome usw. Das Ganze: man hat uns unser schönstes und wahrstes Märchen geklaut.Uli fuhr nach Hause – sinnlos, da noch den Amerikanern etwas anzubieten. Wir Bayern fuhren bei strömendem Regen (siehste, sogar der Himmel heult mit uns) in undurchsichtiger Dunkelheit gen Süden, nach Hause.
Keiner spricht mehr über unser bestes Stück.

Ich bin noch immer sooo traurig.


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