Diskussion historischer Ereignisse 17. JUNI 1953

wandersmann
wandersmann
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf ehemaligesMitglied42 vom 18.06.2015, 16:51:25
Ich habe beim Ungarnaufstand und auch 1953 in meinem kindlichen Gemüt gedacht, warum hilft uns der Westen nicht!!!!??
geschrieben von Paris1


Gute Frage. Aber mal ehrlich - weshalb hätte "der Westen" das denn tun sollen? Der war doch im großen und ganzen recht zufrieden mit dem, wie es war. Die Wirtschaft ließ ihre Billigmarken für'n Appel und n Ei im Osten produzieren, Adenauer war mit dem halben Deutschland nach eigenem Bekenntnis ja auch ganz zufrieden, und die Westbürger hatten sicherlich auch andere Probleme, so kurz nach dem Krieg, als sich nun unbedingt für die Menschen in der Zone zu engagieren, und sich dabei am Ende noch mit dem Russ' anzulegen. Versteh' ich gut. Zur Zeit der Wende 1989 allerdings hatte ich anfangs etwas mehr Engagement seitens der Bundis erwartet, aber seltsamerweise verharrten sie in ihren Wohnzimmern, und betrachteten die Geschehnisse in der DDR auch sicherer Distanz am Fernseher. Hätten sich ja auch mal in Leipzig mit einreihen und unterhaken können. Mal einfach so den Brüdern und Schwestern zeigen, dass sie bereit sind, auch mal andere Dinge zu geben, als Kaffee und Schokolade, Solidarität zum Beispiel.
Nein - ich sehe den Grund für die auffällige Zurückhaltung eher darin begründet, dass für den Westen doch die Welt eigentlich soweit ganz in Ordnung war, wie sie war, man hatte sich mit dem Nebeneinanderleben doch über die Jahrzehnte arrangiert, alles hatte sich irgendwie für den Westen so gemütlich eingeschaukelt. Dann kommen auf einmal die Ostler, und machen Alarm. Und getreu dem bewährten Motto: "Ruhe bewar'n bei Fliegeralarm" wurde erstmal in einer Art Duldungsstarre der Dinge geharrt, die da kamen.
adam
adam
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von adam
als Antwort auf wandersmann vom 18.06.2015, 20:21:05
Hätten sich ja auch mal in Leipzig mit einreihen und unterhaken können. Mal einfach so den Brüdern und Schwestern zeigen, dass sie bereit sind, auch mal andere Dinge zu geben, als Kaffee und Schokolade, Solidarität zum Beispiel.


Mal einfach so spontan an Grenzübergängen in die DDR einreisen? Oder doch über Stacheldraht klettern, durch Minenfelder robben, durch die Elbe schwimmen und den Schüssen der Grenzsoldaten ausweichen?

Was hast Du denn für Ansprüche und Vorstellungen?

--

adam
Monja_moin
Monja_moin
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von Monja_moin
als Antwort auf adam vom 18.06.2015, 23:44:49
Hätten sich ja auch mal in Leipzig mit einreihen und unterhaken können. Mal einfach so den Brüdern und Schwestern zeigen, dass sie bereit sind, auch mal andere Dinge zu geben, als Kaffee und Schokolade, Solidarität zum Beispiel.
geschrieben von adam


Mal einfach so spontan an Grenzübergängen in die DDR einreisen? Oder doch über Stacheldraht klettern, durch Minenfelder robben, durch die Elbe schwimmen und den Schüssen der Grenzsoldaten ausweichen?

Was hast Du denn für Ansprüche und Vorstellungen?

--

adam


Ich schließe mich Adam an ...
Wie sollte das gehen?

Visum beantragen?
So einfach war das nicht!
Da mußte man den Namen, wen man besuchen will, die Adresse und Verwandtschaftsgrad angeben.
Als Westberliner hatte man es einfacher, da dauerte es bis man das Visum bekam nur ein paar Tage, Westdeutsche mußten viel länger warten!

Ich lebte über 13 Jahre in Westberlin. War mehrmals von Westberlin aus in der DDR Verwandte besuchen.
Da wurde man am Grenzübergang befragt und durchsucht.
Wer keine engere Verwandte dort hatte, konnte nicht so einfach in die DDR fahren.

Westberlinern waren allerdings Tagesausflüge mit vorherigen beantragen eines Visums möglich. Es mußte dann genau der Ort angegeben werden, diese Route durfte man nicht verlassen. Unterwegs gab es auch Stichprobenweise Kontrollen. Habe es erlebt.

Monja.

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ingo
ingo
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von ingo
als Antwort auf ehemaligesMitglied42 vom 18.06.2015, 18:42:53
"...es war die Stärke der Widerstandsbewegunmg der DDR und die Vernunft einiger wirklich vernünftiger Funktionäre der DDR , das sollte man endlich mal anerkennen.""
Um Himmels Willen, Paris. Diese Anerkennung haben all diese Menschen, einschl. des Offiziers, der den Befehl zum Öffnen des Schlagbaumes gegeben hat. Am Hauptverdienst all dieser Menschen gibt es nichts zu rütteln. Ich würde auch nicht behaupten, dass die Wiedervereinigung Kohls "Verdienst" war. Aber Kohl und Gorbatschow waren halt im richtigen Moment die richtigen Männer an der richtigen Stelle.
wandersmann
wandersmann
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf Monja_moin vom 19.06.2015, 01:26:54
@ Adam und monja_moin

Ich wusste gar nicht, dass es derart kompliziert war, eine Genehmigung zu bekommen, um von der Bundesrepublik in die DDR einzureisen. Dann erklärt das zumindest die Zurückhaltung der Bundis, wenn's im Osten prekär wurde. Wobei - im Juni 1953, da waren die Grenzen doch noch weitestgehend offen, oder? Und nach dem 9.11.89 eigentlich sogar ganz. Naja, ich will mal nicht so pingelig sein, denn umgekehrt wäre es sicher genauso gewesen, es liegt vermutlich im Naturell des Deutschen, sich aus bestimmten Dingen herauszuhalten, wenn diese eine bestehende stabile Ordnung nur durcheinanderbringen würden.

Aber an die Demonstrationen in München, Stuttgart, Hamburg, Frankfurt/M. im Wendeherbst '89 kann sich ja jeder noch lebhaft erinnern, als Hunderttausende, ach was sage ich, Millionen von Alt-Bundesbürgern vereint durch ihre Städte zogen, und in Sprechchören und auf Plakaten die Öffnung der Mauer und die Einheit Deutschlands forderten, und den Schulterschluss mit ihren Brüdern und Schwestern im Osten suchten. Unvergessen ihr Motto:
"Fällt die Mauer, bleiben wir.
Fällt sie nicht - geh'n wir zu ihr!"
Monja_moin
Monja_moin
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von Monja_moin
als Antwort auf wandersmann vom 19.06.2015, 19:07:37
Bevor die Mauer errichtet wurde besuchte man sich noch gegenseitig.
Ich erinnere mich, daß eine Halbschwester meiner Mutter, die Alleinstehend war, oft zu uns nach Frankfurt am Main zu Besuch gekommen ist.
Umgekehrt eher nicht. Das lag daran, daß es für meine Eltern mit 4 Kindern zu teuer war.

Von Westberlin und Ostberlin aus und umgekehrt besuchte man sich regelmäßig.
Ich weiß es von Erzählungen meiner Schwiegermutter.
Anfang der 50er bis etwa Mitte der 50er Jahre sind die Westberliner oft auf das Land gefahren um sich Lebensmittel zu besorgen.
Grenzkontrollen gab es damals schon, ebenso reichlich Schikanen.
So berichtete meine Schwiegermutter, daß sie oft Butter von den Bauern bekamen. Diese mußten sie verstecken.
Viele Frauen versteckten sie in ihrem BH.
Das wußten die Grenzkontrollen.
So kam es nicht selten vor, daß man die Frauen über eine Stunde in einen überheizten Raum einsperrte, wenn die Butter flüssig wurde und die Fettflecken von außen zu sehen waren, durften sie gehen.
Meine Schwiegermutter war auch oft unter diesen Frauen

Es gab auch noch andere Schikanen.

Ansonsten ging es den Westlern bis Ende der 50er Jahre selbst nicht besonders gut, sie mußten selbst sehen wie sie über die Runden kamen.

Gerade Anfang der 50er Jahre warteten noch viele Frauen auf ihre Männer, die irgendwo in Kriegsgefangenschaft waren.
Ich erinnere mich noch dunkel an den Kerzen die ins Fenster gestellt wurden bei Familien die noch auf den Mann warteten.
Ich selbst war zu dieser Zeit noch ein Kleinkind, deshalb habe ich nur teilweise Erinnerungen daran.

Monja.

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adam
adam
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von adam
als Antwort auf wandersmann vom 19.06.2015, 19:07:37
Wandersmann,

ich zitiere den Unsinn nicht, den Du da von Dir erwünschten Demonstrationen in der Bundesrepublik zusammen fantasierst. Dazu nur soviel:

Derartige Demonstrationen in der Bundesrepublik verboten sich von selbst. Sie wären für das SED-Regime der willkommene Anlaß gewesen, die Montagsdemonstrationen mit Waffengewalt niederzuschlagen, mit der Begründung, sie seinen vom Klassenfeind im Westen inszeniert.

Was den DDR-Demonstranten half, waren westliche Journalisten, deren Anwesenheit die Stasi daran hinderte, brutale Mittel anzuwenden. Sie hatten Angst vor der Veröffentlichung im Westen, was natürlich auch in der DDR gesehen wurde.

--

adam
wandersmann
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf adam vom 19.06.2015, 21:56:55
Da ist natürlich was dran, und die bewusste Zurückhaltung der Bevölkerung kann man unter Berücksichtigung der von Dir benannten Argumente gar nicht hoch genug einschätzen.

Und überhaupt, ganz so unbeteiligt waren die Altbundesbürger daran dann ja doch nicht, sie sollten sich ihr Licht in dieser Sache nicht so leicht unter den Scheffel stellen lassen. Denn - der Slogan
"Wir sind ein Volk" stammt von ihnen, den Altbundesbürgern, speziell von der Abt. Öffentlichkeitsarbeit der CDU. So jedenfalls berichtet es der damalige Chef dieser Abteilung Peter Radunski.

"Wir sind EIN Volk" - Wer hat's erfunden? Die CDU!

Also, kein Grund zum Traurigsein, Adam. So ein ganz klein bisschen habt ja dann doch mitgewirkt an der Wende damals.
sittingbull
sittingbull
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von sittingbull
als Antwort auf adam vom 19.06.2015, 21:56:55
Was den DDR-Demonstranten half, waren westliche Journalisten ...
geschrieben von adam


und westliche politiker sowie westliche geheimdienste .

etwa zur gleichen zeit , am 11. Mai 1952 wurde in west-deutschland der kommunist Phillip Müller ermordet . Er starb, als die Polizei in Essen auf Teilnehmer einer Demonstration gegen die bundesdeutsche Wiederbewaffnung schoss.

der BRD war das keinen pfifferling geschweige einen gedenktag wert ...

sitting bull
ingo
ingo
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Re: 17. JUNI 1953
geschrieben von ingo
als Antwort auf sittingbull vom 22.06.2015, 12:34:14
Damit man überhaupt versteht, was Du meinst:

""Philipp Müller (* 5. April 1931 in Neuaubing (heute München); † 11. Mai 1952 in Essen) war ein deutscher Arbeiter und Kommunist. Er starb, als die Polizei in Essen auf Teilnehmer einer Demonstration gegen die bundesdeutsche Wiederbewaffnung schoss. Dies war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Demonstrant durch die Polizei getötet wurde. 1954 wurde im Rahmen der Volkskammerwahlen in der DDR die nach ihm benannte Philipp-Müller-Medaille von der FDJ gestiftet.""
Quelle: Wikipedia

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