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Gesundheit Das Problem, um Hilfe zu ersuchen

Espresso
Espresso
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Das Problem, um Hilfe zu ersuchen
geschrieben von Espresso

Heute ist (leider) ein schlechter Tag. Meine Beine spielen wieder mal verrückt und ich habe heftige Ataxien. Das alles beunruhigt mich nicht, denn ich weiß ja, woher es konmmt. Es ist meine MS. So what. Was ich aber nicht kann, oder nur selten, ist, jemanden zu ersuchen, mir zu helfen. Mein Haushalt macht mir oft zu schaffen, denn schon alleine, den Geschirrspüler ein- oder auszuräumen, bereitet mir oft heftige Probleme. Nach dem Duschen muss ich zumeist erst mal eine halbe Stunde Pause macfhen, bevor ich wieder halbwegs funktioniere.

In früheren Zeiten war ich sehr aktiv, habe nie ein Problem mit kurzen Nächten und langen Tagen gehabt. Arbeit war für mich ein Vergnügen und mir reichten oft kleine Fluchten am Wochenende, um wieder auf 100 % zu kommen. Ich war selbständig - in jeder Beziehung. Und ich war ein Sturkopf - es gab nichts, was ich nicht schaffen konnte. Ich konnte alles selber erledigen und brauchte nie Hilfe. Ok, wenn ich etwas nicht wollte, dann besorgte ich mir die betreffenden Arbeiter und bezahlte sie dafür. Ich hatte, weil ich immer an anderen Orten eingesetzt war, keine tieferen Freundschaften. Es war nur wichtig, dass ich genug Geld verdiente. Allerdings konnte es nie genug sein😂 Das ist ok und es war meine Wahl - ich lebe jetzt mit den Konsequenzen und bedaure (mittlerweile) nichts.Das war in den ersten drei Jahren nach meiner Diagnose anders. Da kämpfte ich mit heftigen Depressionen - die habe ich schließlich "besiegt". Sie haben keinen Platz mehr bei mir.

Mein einziges Problem, das hin und wieder sehr belastend für mich ist, wenn ich mittlerweile etwas nicht mehr (so gut wie früher) kann und Hilfe benötige. Es fällt mir sehr schwer, um Hilfe zu ersuchen. Dadurch mache ich gewisse Dinge (Haushalt) sehr belastend. Heute sind zwei Frauen und ein Mann in meiner Wohnung, um (wieder einmal) die Wohnung auf Vordermann zu bringen. 

Ich notiere das hier nicht, um Tipps zu bekommen, denn mein Wesen umzukrempeln ist nahezu unmöglich 😉Aber ich glaube, dass ich hier Verständnis finde, wenn ich es mir einfach von der Seele schreibe. Ich war noch nie ein einfacher Charakter und ich bilde mir ein, dass ich mit Intellekt und Wille alles schaffen kann. Die Realität sieht ein wenig anders aus. 

schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Das Problem, um Hilfe zu ersuchen
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Espresso vom 25.08.2022, 11:49:05

Schon das "Von-der-Seele-schreiben" bringt oft kleine Wunder......

Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Das Problem, um Hilfe zu ersuchen
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf Espresso vom 25.08.2022, 11:49:05
Ich denke, Espresso, dass jeder Mensch so lange es irgend geht, unabhängig und selbständig sein will. Wird man durch Erkrankung gezwungen, sich helfen zu lassen, kann ich mir gut vorstellen, dass das ein langer und mühsamer Lernprozess ist, bis man sich damit abfinden oder besser es akzeptieren kann.

Lieben Gruß
Roxanna

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Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Das Problem, um Hilfe zu ersuchen
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Espresso vom 25.08.2022, 11:49:05

Hallo, espresso,

ich kann das sehr gut nachempfinden, SEHR gut sogar. Ich war ein Power-Mensch, habe in einem therapeutischen Heim gearbeitet, Eltern und deren (behinderte) Kinder und Jugendliche beraten, mit Ärzten, Neurologen, Orthopäden und Psychiatern Therapien für die Menschen in dem Heim entwickelt, und nebenbei das Entertainment für das Heim organisiert. Ich hatte Wechseldienste, Wochenenddienste, Feiertagsdienste. Und dann von einer auf die andere Sekunde lag ich spätabends/nachts im Wohnzimmer auf dem Boden, mit einem Elefanten auf der Brust und einem glühenden Ring um den Brustkorb, bewegungsunfähig, unfähig um Hilfe zu rufen, und dann weiß ich lange Zeit nichts mehr. Als ich mich Tage später wieder erinnerte, hatte ich einen schweren Herzinfarkt hinter mir, den man angeblich "so gut wie nie" überlebt, er war nahe am Aorten-Stamm, und mein halbes Herz war kaputt. Vorher NIE irgendwelche Symptome, bzw. genauer: nie Symptome, die ich mit dem Herzen in Verbindung gebracht habe. Und plötzlich Knall auf Fall kraftlos und hilflos, und zunächst vollkommen auf die Hilfe anderer angewiesen, vor allem von der Hilfe meiner Frau. Ich habe lange gebraucht, um mir sagen zu können: Das kannst nicht mehr. Und NOCH länger habe ich gebraucht, in so einem Fall um Hilfe zu bitten.

Heute habe ich keine Probleme mehr damit, um Hilfe zu bitten, weil mir sehr klar wurde, dass ich ja an meinem Zustand keine "Schuld" habe. ich habe zwar Verantwortung dafür, dass ich zu viel Stress akzeptiert habe, aber das ist keine Schuld.

Gut, dass Du es Dir von der Seele schreiben kannst...

Alles Gute

DW

zeitlose
zeitlose
Mitglied

RE: Das Problem, um Hilfe zu ersuchen
geschrieben von zeitlose
als Antwort auf Espresso vom 25.08.2022, 11:49:05

Lieber Espresso,
fast jeder ältere Mensch, der noch selbständig ohne Hilfe zurecht kommt,
hat wohl die Befürchtung mal auf Hilfe angewiesen zu sein. Mir geht es auch so.
Andrerseits bewundere ich in meinem Umfeld Frauen, die ganz selbstverständlich 
vor allem von den Kindern, Hilfe einfordern. Sollte ich mir vielleicht auch angewöhnen um bei den Kindern nicht ganz in Vergessenheit zu geraten🤔

Ich wünsche dir von Herzen, dass du es lernst und akzeptierst um Hilfe zu bitten.
Weniger Stress bei Dingen die du nicht mehr so gut hinbekommst,
tun deinem Allgemeinzustand gut.

Liebe Grüße 
Ishild

val
val
Mitglied

RE: Das Problem, um Hilfe zu ersuchen
geschrieben von val
als Antwort auf Espresso vom 25.08.2022, 11:49:05

Wenn der junge Mann* kommt, der mir im Garten und Haus hilft, verkrieche ich mich mit einem Buch.
Denn ich hätte alles gaaanz anders gemacht (und natürlich besser 😇)
Oder nur anders?
Abhängigkeit ist ein schwieriger Lernprozess.
Dabei sollte ich dankbar sein, einfach nur Alt, aber noch
relativ gesund zu sein.
Bin ich auch meistens.

Liebe Grüsse, alles Gute und Geduld

(*Espresso ristretto liebt er)
Val

Mitglied_3fbaf89
Mitglied_3fbaf89
Mitglied

RE: Das Problem, um Hilfe zu ersuchen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Espresso vom 25.08.2022, 11:49:05

Lieber Espresso -  ich glaube Dir gerne, dass es sehr schwer für einen Menschen, der immer sehr selbständig war, sich nun helfen lassen zu müssen. Aber nimm es doch einmal so: Die Menschen, die da Deine Wohnung auf Vordermann bringen, machen das doch nicht umsonst, sondern werden dafür bezaht, oder? Sei es durch Dich direkt oder durch den Pflegekassenleister. Also musst Du DIch doch auch nicht schämen - wenn jemand kommt, und eine bezahlte Dienstleistung erledigt. Du lässt Dich doch auch in einem Restaurant von einemKellner oder einer Servirerin gerne bedienen? Also Kopf hoch ... hol Dir jede Hilfe, die Dir zusteht. Bitte die Pflegekasse nicht, sondern fordere freundlich ein, was Dir zusteht. 

olga64
olga64
Mitglied

RE: Das Problem, um Hilfe zu ersuchen
geschrieben von olga64
als Antwort auf Espresso vom 25.08.2022, 11:49:05

Ich kann Sie sehr gut verstehen - auch mir fällt es sehr schwer, andere um Hilfe zu bitten. Auch mein Leben war lange der umgekehrte Fall - ich habe geholfen und das prägt.
Aber letztendlich geht es nicht anders und wenn man dann auf Menschen trifft, die mit diesem "bitte helfen Sie mir" anständig und fair umgehen, ist das doch auch eine sehr gute und normale Angelegenheit. Sie würden es ja meist nicht tun, wenn sie ausschiesslich schlechte Gedanken damit verbinden würden.
Ich hatte kürzlich auch ein Erlebnis, wo ich überraschend Hilfe benötigte, weil ich durch einen Gefahrumstand hilflos wurde.
Es kamen umgehend - ohne dass ich Hilferufe aussandte - recht viele junge, freundliche und starke Menschen und boten mir ihre Hilfe an.
Das war neben der mich belastenden Situation eine wunderbare Erfahrung für mich: es gibt sie also doch die Solidarität in unserer Gesellschaft und die Verrohung ist nicht so weit fortgeschritten, dass man als älterer Mensch völlig hilflos irgendwo rumliegen muss.
Wünsche Ihnen alles Gute - öffnen Sie öfters mal das Schatzkästchen Ihrer anscheinden vielen schönen Erinnerungen und kramen Sie dort rum und zehren Sie davon . LG Olga


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