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Gesundheit Demenzkranke als Versuchstiere?

Karl
Karl
Administrator

Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von Karl
Der Deutsche Bundestag hat einem Gesetz zugestimmt, dass die Erprobung von Medikamenten an Demenzkranken auch dann erlaubt, wenn es diesen nichts nützt. Bisher dürfen Medikamente an Personen, die nicht selber mehr für sich entscheiden können, nur dann getestet werden, wenn dies einen Nutzen für den Patienten verspricht.

Das neue Gesetz sieht zwar eine Vorausverfügung des Patienten in einem Zustand vor, indem er noch urteilsfähig ist, aber wer bescheinigt diese Urteilsfähigkeit? Wie wird sichergestellt, dass der beratende Arzt nicht ein Interesse daran hat, dass Medikamente erprobt werden dürfen? Wer kontrolliert den Einfluss der Pharmaindustrie auf die beratenden Ärzte?

Ich will selber kein zu schnelles Urteil fällen. Der Forschungsdruck durch die realen Verhältnisse ist enorm. Derzeit leben in Deutschland 1,6 Millionen Demenzkranke und die Zahl wird mit zunehmendem Alter der Bevölkerung dramatisch steigen. Es ist volkswirtschaftlich geboten, viel in die Forschung zu investieren, aber die Frage muss schon diskutiert werden, ob dieses Gesetz nicht zu weit geht und Demenzkranke zu Versuchstieren degradiert?

Karl
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Karl vom 12.11.2016, 11:02:58
Ob man die zusammenführen könnte? Ist ja noch nicht alt.

http://community.seniorentreff.de/forum/board/Klinische-Forschung-an-Demenzkranken;tpc18,345956

Liebe Grüße
Andrea
Karl
Karl
Administrator

Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Elmos vom 12.11.2016, 11:19:34
Liebe Andrea,

Du hast Recht. Ich hatte vergessen, dass wir im Juni bereits einmal darüber diskutiert haben (hoffentlich sind das keine ersten Symptome). Ich habe Deinen Link zu diesem Thread aktiviert.

Gestern wurde das Gesetz nun aber beschlossen, die Sachlage hat sich also geändert und das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen?

Ich hatte damals gefordert, dass der Patient vor der Demenz seine Zustimmung geben müsse. Das steht jetzt so im Gesetz, aber deshalb ist es sehr kritisch, wer wann die Noch-Zurechnungsfähigkeit feststellen darf.

Karl

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werderanerin
werderanerin
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Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von werderanerin
als Antwort auf Karl vom 12.11.2016, 11:29:48
Ganz sicher ein hochsensibles Thema, denn wer weiß denn letztlich, wann und ob ein Demenzkranker noch "zurechnungsfähig" ist und wirklich die Tragweite erfasst...andererseits kann nur Forschung helfen, späteres Leid zu mildern.

Ein sehr schwieriges Thema mit sicher hohen Emotionen.
Kristine
Klara39
Klara39
Mitglied

Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von Klara39
als Antwort auf werderanerin vom 12.11.2016, 11:47:12
Meine ganz persönliche Meinung wäre die, dass ich einer Medikamentenerprobung zustimmen würde, wenn ich mal dement würde (was Gott verhüten wolle!!) Es ist so ähnlich wie mit der Organspende (wenigstens nach meinem Laiensachverstand). Der Vorgang nützt mir persönlich nichts mehr, kann aber anderen helfen. (Ich würde mich auch nicht als Versuchskaninchen fühlen...)
Ich bin alleinstehend und keine Medizinerin - wer überprüft denn, was mir für Medikamente verabreicht werden, wenn ich in einem Zustand bin, der kein lebenswertes Leben mehr zulässt?
Klara
Karl
Karl
Administrator

Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Klara39 vom 12.11.2016, 11:55:31
Liebe Klara,

ich bin für Organspenden, aber bei dem Demenzgesetz habe ich doch Bauchschmerzen. Ein dementer Mensch ist nicht tot und es gibt oft noch lichte Momente. Ich wollte kein willenloses Versuchskaninchen sein.

Karl

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Klara39
Klara39
Mitglied

Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von Klara39
als Antwort auf Karl vom 12.11.2016, 12:31:47
Karl, Du hast ja Recht, aber vorher werden Dir die Vor- und Nachteile erläutert, die durch die Tests zu erwarten sind und da die Medikamente ja anderen - noch nicht so schwer - Erkrankten helfen sollen, werden sie mir ja nicht schaden. Deshalb würde ich (nur für meine Person!) den Tests zustimmen, in der Hoffnung, dass ich dann eventuell auch etwas besser drauf bin als ohne !
Aber vielleicht bin ich wieder mal zu blauäugig !
Klara
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Klara39 vom 12.11.2016, 12:50:36
Hallo Klara,

so geht das ja wohl nicht, denn wenn du noch undement bist kannst du ja nur eine Zusage für die Zukunft geben. Welche Medikamente dann in der Pipeline sind, wenn es für dich "ernst" geworden ist, das weisst du ja nicht.

Wobei, zugegebenermassen, die Medikamente, bis sie in Patientenstudien ankommen, in der Regel schon sehr weit in der Erprobung fortgeschritten sind (es beginnt ja immer mit "diffuser" Forschung, vielleicht auch an Zellkulturen, geht weiter mit Tierversuchen, dann mit gesunden Probanden und erst wenn bis dahin nichts schlimmes passiert ist, dann gehts mit erkrankten Menschen weiter.

Das Problem ist aber in meinen Augen, dass du vielleicht keinen körperlichen Schaden nimmst, aber vielleicht durch die Prozeduren, die bei einem solchen Versuch notwendig sind Schaden nehmen könntest. So muss dabei sehr häufig Blut abgenommen werden, es müssen Vitalparameter bestimmt werden, verschiedeste Tests können notwendig werden. Und die Frage ist halt, wie man, wenn man den Sinn dahinter nicht mehr verstehen kann, mit solchen Dingen umgeht, wie man sie empfindet, ob sie einen nicht gar ängstigen und/oder quälen. Das ist eben vorher nicht vorherzusehen.

Und daher finde ich es in der Tat etwas zweifelhaft einen Menschen, der sich nicht mehr wehren kann, nur auf Grund einer Entscheidung die er traf als er sich seinen derzeitigen Zustand noch nicht wirklich vorstellen konnte, eventuell zu "malträtieren".

Ich weiss nicht, ob es eindeutige "Abbruchkriterien" (psychischer Art) geben muss bei klinischen Studien an dementen Menschen, wenn ja, dann würde mich das sehr beruhigen.

Liebe Grüße
Andrea
schorsch
schorsch
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Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von schorsch
In der Schweiz wurden schon vor Jahrzehnten in Heimen Versuche an Demenzkranken gemacht. Heutige Nachforschungen haben ergeben, dass dabei Ärzte, die mitmachten, von der Pharmaindustrie grosszügige "Geschenke" bekamen. Gegenwärtig versuchen immer wieder Angehörige von damaligen "Versuchskaninchen" die Sache ans Licht zu bringen. Aber das wird von den Behörden so lange sabotiert, bis die letzten damals Verantwortlichen verstorben sind.
Elmos
Elmos
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Re: Demenzkranke als Versuchstiere?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf schorsch vom 12.11.2016, 13:17:33
Schorsch, das ist hier nicht anders gewesen, es wurden Medikamententests an Kindern in Heimen gemacht (und ich rede jetzt NICHT von der Nazizeit) und es wurden mit Sicherheit auch Medikamententests an Behinderten, Alten und ich sage mal - allgemein Wehrlosen vorgenommen. Meinst du es wurden zum Spass so strenge Gesetze und Vorschriften für die Durchführung klinischer Studien erlassen? Nein, das war einfach notwendig, weil nämlich der Schutz von "Schützenswerten" Menschen die sich selber nicht schützen konnten nicht gewährleistet worden war.

Was ich damit sagen möchte: da müssen wir einfach aufpassen, dass die derzeit gute Gesetzgebung nicht aufgeweicht wird.
Ich arbeite ja in der klinischen Forschung und sehe, dass in jeder Studie kurz vorher, aber auch währenddessen, sehr häufig Menschen, die bei voller Geisteskraft ihre Einwilligung gegeben hatten, diese wieder zurück ziehen. Einfach weil sie doch Angst bekommen haben, ihnen doch, beispielsweise nach der Ersteinnahme des Medikamentes nicht gefallen hat wie sie sich fühlten, weil das Essen in der Studienklinik zu schlecht ist, die Prozedur zu schmerzhaft oder was auch immer.

Diese Möglichkeit (die auch verbrieft ist, ein Mensch der an einer klinischen Studie teilnimmt muss sie jederzeit ohne Angabe von Gründen auch wieder verlassen können) die hat ein Demenzkranker Mensch eben nicht, weil er die Entscheidungskraft nicht mehr hat.

Liebe Grüße
Andrea

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