Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Über die Wurzeln des Rassismus

Innenpolitik Über die Wurzeln des Rassismus

Karl
Karl
Administrator

Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von Karl
Heute findet sich auf Seite 5 der Druckausgabe der Badischen Zeitung ein Interview mit dem Berliner Historiker Wolfgang Benz über Vorurteile gesellschaftlicher Mehrheiten gegenüber Juden, Flüchtlingen und anderen Minderheiten. Es lohnt sich, dieses Interview (hier online) zu lesen und darüber nachzudenken.
Im Laufe der Zeit habe ich immer wieder versucht, durch Vergleiche zu ergründen, warum die Mehrheit mit Minderheiten denunziatorisch, diskriminierend und stigmatisierend umgeht, welchen Vorteil sie davon hat. Es ist unglaublich schwierig, dem Publikum klarzumachen, dass es nicht an den Opfern liegt, an den Juden, weil sie so heimtückisch, an den Muslimen, weil sie angeblich so kriegerisch, an den Zigeunern, weil sie geborene Diebe sind. Das sind alles Zuschreibungen, der Hass, die Feindseligkeit entsteht in unseren Köpfen, in den Köpfen der Mehrheit.
...
Aber man muss sich darüber verständigen, dass es nichts bringt, wenn man am einen Tag trauernd nach Auschwitz zurückblickt und am anderen Tag gegen Flüchtlinge, gegen Muslime, gegen Arme, gegen Griechen, gegen irgendwelche Feinde wütet. Das Gedenken ist die Gelegenheit daran zu erinnern, dass man aus der Geschichte lernen könnte.
geschrieben von Wolfgang Benz


Ich bin trotz aller Ernüchterung noch immer Kulturoptimist und glaube, dass es sich lohnt, sich gegen den Fremdenhass aufzulehnen. Gerade heute wird gemeldet, dass in Baden-Württemberg eine scharfe Handgranate in ein Flüchtlingsheim geworfen wurde. Wacht auf und wehrt Euch gegen den Hass um Euch herum. Bremst diesen realen rechtsradikalen Terror in Deutschland, der immer mit verbalen Ausfällen gegen Minderheiten beginnt.

Karl
JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von JuergenS
ein interessanter thread.

Auch ich kann bestätigen, dass ich bereits als Kind merkte, dass alle, die nicht "typisch deutsche Namen" hatten und nicht so "deutsch" aussahen, markiert waren, verbal. Das war nicht automatisch was "anti" mäßiges.
Aber viele Nationen haben für Nachbar-Völker etwas abwertende Spitznamen, Österreicher zum Beispiel bezeichnen Deutsche als Piefkes, nehmen dabei Bayern meist aus.
Der Begriff Antisemitisch und der "Kampf gegen den Antisemitismus", letzterer ist ja semantisch durch merkwürdige zweimalige Gegen-Begriffe "gegen....Anti" gekennzeichnet. Das ist ja direkt pervers.
Warum gibt es zum Beispiel keinen Antideuschismus?
Warum sagt man nicht einfach statt gegen - anti einfach FÜR etwas zu sein?
Zum Beispiel judenfreundlich, muslimfreundlich.

Wer gegen ein gutes Verhältnis zwischen ethnischen Gruppen ist, der wäre ein anti-gegen-anti.......

Ob Merkmale historisch sich parallel auseinander entwickelten Ethnien reichen, um eine Rasseneinteilung sinnvoll erscheinen zu lassen, weiß ich nicht, ist das relavant, solange man gegenseitige Achtung hat?
hobbyradler
hobbyradler
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf Karl vom 29.01.2016, 10:27:25
..Benz: Rituale sind wichtig. Wie halte ich das Thema sonst wach, wenn wir uns nicht in der gebotenen Feierlichkeit erinnern? Aber man muss sich darüber verständigen, dass es nichts bringt, wenn man am einen Tag trauernd nach Auschwitz zurückblickt und am anderen Tag gegen Flüchtlinge, gegen Muslime, gegen Arme, gegen Griechen, gegen irgendwelche Feinde wütet. Das Gedenken ist die Gegelegenheit daran zu erinnern, dass man aus der Geschichte lernen könnte.
geschrieben von Link von Karl

Ich teile die Meinung des Historikers nicht.

Ob gegen andere Menschen Vorbehalte entstehen, ist eine Frage der Sozialisierung in frühester Kindheit. Meist am Vorbild der nahen Verwandten ausgerichtet.

Ritualisierung kann ich zum Gedenken, als Achtung oder Trauer vor Vergangenem sehen, aber nicht um mich wach zu halten. Damit würde ich den Vorgang des Gedenkens entwürdigen.

Die Einstellung zu anderen, fremden Menschen wird sich im Laufe eines Lebens nur durch signifikante persönliche Ereignisse verändern. Es wird wohl jeder verstehen, dass Deutsche nach dem zweiten Weltkrieg bei ihren Nachbarn einen schlimmen Ruf genossen. Ich habe das als Jugendlicher verstanden, hätte auch niemals von Rassismus gegenüber uns gesprochen. In den 50/60ern war ich froh, dass man uns gegenüber keine offene Feindseligkeit lebte.

In Deutschland am rechten Rand zu stehen, bedeutet in den Köpfen der überwiegenden Mehrheit, nicht nur konservativ zu sein, sondern Nazi im Sinn unserer schlimmen Vergangenheit. Dagegen ist nichts einzuwenden, es gibt reichlich Neo-Nazis.
Allerdings habe ich etwas dagegen, dass Menschen mit anderer Meinung, ohne dass sie je etwas getan hätten, nur weil sie vielleicht konkrete oder auch diffuse Ängste äußern, dem rechten Rand zugeordnet werden.
Das sehe ich ähnlich schlimm wie Fremdenfeindlichkeit, es ist ein ähnliches Muster. Durch die Zuweisung des anderen an den rechten Rand versucht man seine Überlegenheit auszudrücken.

Unberechtigte Ängste kann man nur durch Erklärungen ausräumen, nicht durch in die Ecke stellen und dem Vorwurf, gegenüber Argumenten uneinsichtig zu sein.

Ciao
Hobbyradler

„Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“

Spruch über dem Sofa meiner Eltern 1950

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freddy-2015
freddy-2015
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von freddy-2015
als Antwort auf hobbyradler vom 29.01.2016, 12:20:54
Gut
Monja_moin
Monja_moin
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von Monja_moin
als Antwort auf hobbyradler vom 29.01.2016, 12:20:54


..............

Ob gegen andere Menschen Vorbehalte entstehen, ist eine Frage der Sozialisierung in frühester Kindheit. Meist am Vorbild der nahen Verwandten ausgerichtet.
........................

Ciao
Hobbyradler



Da bin ich anderer Meinung.

Die meisten fangen spätestens in der Pubertät an zu hinterfragen, auch das vorgegebene Weltbild der Eltern, Verwandte und Umfeld in Frage zu stellen und sich eine eigene Meinung zu bilden.

Zu sehen war / ist es vor allem in der Generation die während des 2. Weltkrieges und danach geboren wurden.
Auch wenn sich deren Eltern öffentlich von den Ideologien des Hitlerreiches distanziert haben, innerlich viele aber nicht.
So versuchten sie, oft unbewußt, einige Einstellungen und Ansichten, die ihnen während des Reiches vermittelt wurden zu fremde Kulturen an ihre Kinder weiter zu geben.

Monja.
hobbyradler
hobbyradler
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf Monja_moin vom 30.01.2016, 02:01:11
Vielleicht fällt dir auf, dass der von dir zitierte Text nicht Worte wie Fremdenfeind, Ausländer etc. enthält.
In der Kindheit entwickelt sich ein Verhältnis zu anderen Kindern. Da sollte jedes Kind merken, dass andere Kinder ähnliche Gefühle kennen wie man selbst. Du hast recht, es sind nicht nur Verwandte an denen man sich ausrichtet, sondern vielleicht sogar im größerem Ausmaß andere Kinder mit denen man Umgang hat. Sicherlich liegt es auch an Büchern die man zu lesen bekommt. Ähnliche Bücher wie die von Karl May, deren Handlung ich heute zwar als wirklichkeitsfern bezeichnen würde, in denen jedoch von fremden Kulturen geschrieben wird. Sie tragen auch zu der Erkenntnis bei, ein Mensch ist ein Mensch, egal aus welchem Kulturkreis.

Wer als Kind, zwar nicht real, doch Bilder vom Krieg oder aus den Kzs gesehen hat wird die sein Leben lang nicht vergessen. Der benötigt keine Gedenkfeiern zum eigenen wachhalten. Diese Bilder sind problemlos abrufbar.

Bild

Obwohl ich gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen keinerlei Vorbehalte besitze, viele kennengelernt habe, erlaube ich mir trotzdem die Meinung, dass der jetzige unkontrollierte, endlose Zuzug nicht gut gehen kann. Da hat sich an meiner Meinung, gegenüber der vor 5 Monaten, nichts geändert.

Der momentane Flüchtlingsstrom wäre besser ohne die immer wieder angesprochene Fremdenfeindlichkeit zu diskutieren. Wer dieses Argument in den Vordergrund stellt, verurteilt zumindest eine Hälfte der Deutschen zu Unrecht.

Ciao
Hobbyradler

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Monja_moin
Monja_moin
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von Monja_moin
als Antwort auf hobbyradler vom 30.01.2016, 09:31:54

Vielleicht fällt dir auf, dass der von dir zitierte Text nicht Worte wie Fremdenfeind, Ausländer etc. enthält.
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...........
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Ciao
Hobbyradler


Direkt von Fremdenhaß sprach ich auch nicht. Meinte es auch nicht.
Eher die ablehnende Haltung, die Skepsis Fremden gegenüber, das Unbekannte, die oft andere Lebensweise.

Die Generation meiner Eltern und Großeltern, jedenfalls die meisten, hatten nie wirklich Kontakt zu diesen ihnen fremden Menschen.

In ihrer Kindheit, Jugendzeit, jungem Erwachsenenalter bekamen sie überwiegend negative Informationen über diese fremden Menschen. Auch wenn sich die meisten von diesem Gedankengut später distanzierten, aber zurück blieben doch einige Zweifel, so nach dem Motto vielleicht ist doch etwas daran von dem was ihnen erzählt wurde.

Als Kind hörte ich oft solche Sätze (nicht nur in der Familie, sondern auch im Umfeld), sei vorsichtig, halte Abstand, man kann ja nie wissen ...

Auch später, als die ersten Flugreisen bezahlbar wurden, ich zurück kam und berichtete, warnte man mich, ich sollte nicht immer alles durch die rosarote Brille sehen.

Die Skepsis gegenüber Fremden und dem Unbekannten war immer noch vorhanden.

Monja.
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von Mareike
"Benz: Wenn wir die Guten sind, dann ist es klar, dass die anderen, etwa die Fremdlinge, die jetzt gerade hereinströmen, die Bösen sind. Diese Projektion stiftet Identität, Gemeinschaftsgefühl."

Dies lässt sich variieren, zB:
" Wenn wir die Guten sind, dann ist es klar, dass die anderen, etwa die, die nicht meine Meinung teilen,die jetzt gerade ihre Bedenken und Vorbehalte äußern, die Bösen sind. Diese Projektion stiftet Identität, Gemeinschaftsgefühl."

Das war mein erster Gedankenimpuls beim Lesen dieses Zitates.
Ich schreibe zur Zeit nur noch sporadisch hier im Forum, und zwar aus eben diesem Grund.
War es vor 2, 3 Jahren in diesem Forum noch ein absolutes NO GO einen "Nazivergleich" zu machen, so scheint es jetzt zum guten Ton zu gehören ... ich mag es nicht weiter ausführen.

Der momentane Flüchtlingsstrom wäre besser ohne die immer wieder angesprochene Fremdenfeindlichkeit zu diskutieren.

Ich möchte es etwas differenzierter formulieren:
"Die mit dem momentanen Flüchtlingsstrom verbundene gesellschaftliche Probleme und absolut notwendige Aufgabenstellungen für Staat und Gesellschaft können in diesem vergifteten Klima nicht sachlich erörtert werden."

Dies kann man hier im Forum sehr gut beobachten.

Sehr beunruhigend ist allerdings, dass das "Klima" im ST-Forum keine "Ausnahmserscheinung" ist, sondern ein ganz kleines Abbild einer äußerst beunruhigenden Entwicklung in der gesamten Gesellschaft.

Und zwar eine Entwicklung im gesamten Europa.

In Deutschland meiner Meinung nach jedoch besonders brisant, weil sehr viele unausgegorene und verdrängte Emotionen wie Angst, Wut, Schuld- und Ohnmachtgefühle, über mehrere Generationen weitergegeben wurden: Zwei verlorene Kriege sind eine schwere Hypothek ...

Wie sagte meine Schwiegermutter kurz vor ihrem Tod: "Dieses verpfuschte Leben ..."

Ja, ich bin in Sorge.
Ja, ich verurteile Extremismus egal ob von links oder von rechts oder aus der Mitte.

Statt über Rassismus zu debattieren wäre es meiner Meinung nach hilfreicher, mal zu recherchieren, wie die Politik in den vergangenen 100 Jahren das Thema "Einwanderung" gesteuert hat - da wird vieles klar.

https://de.wikipedia.org/wiki/Einwanderung
hobbyradler
hobbyradler
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf Mareike vom 30.01.2016, 12:09:04
..Ich möchte es etwas differenzierter formulieren:
"Die mit dem momentanen Flüchtlingsstrom verbundene gesellschaftliche Probleme und absolut notwendige Aufgabenstellungen für Staat und Gesellschaft können in diesem vergifteten Klima nicht sachlich erörtert werden." ...

Genau so ist es.

Ciao
Hobbyradler
Gutkarl
Gutkarl
Mitglied

Re: Über die Wurzeln des Rassismus
geschrieben von Gutkarl
als Antwort auf Mareike vom 30.01.2016, 12:09:04

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" Wenn wir die Guten sind, dann ist es klar, dass die anderen, etwa die, die nicht meine Meinung teilen,die jetzt gerade ihre Bedenken und Vorbehalte äußern, die Bösen sind. Diese Projektion stiftet Identität, Gemeinschaftsgefühl."
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Da kann ich nur zustimmen.
Hinzu kommt, dass die Guten sich moralisch den "Bösen" überlegen fühlen, in die braune Ecke schieben, Unmenschlichkeit und Hetze vorwerfen.

Gutkarl

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