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Innenpolitik Zauberklang des Sozialismus

dmz
dmz
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Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von dmz
als Antwort auf ehemaligesMitglied45 vom 19.07.2007, 19:37:16
Hier ist vom 'Sozialismus mit menschlichem Antlitz'
oder vom 'wahren Sozialismus' geschrieben worden.
Bescheidene Frage:
Ist darunter etwa eine Form des 'Anarchismus' zu verstehen ?
[Anarchismus: Def.s. http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchismus]
MfGdmz.
Karl
Karl
Administrator

Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaligesMitglied45 vom 19.07.2007, 11:00:11
Ich mache euch mal die Freude zu antworten, denn vernachlässigen möchte ich euch nicht
Ich wundere mich schon über so Sätze wie

Aber die menschliche Schwäche des Karl widerlegt natürlich die sozialistische Lehre so wenig wie der sündige Priester den katholischen Glauben.
geschrieben von ziesemann


Ich dachte, hier wird über Sozialismus diskutiert, was hat dies mit meinen vielen menschlichen Schwächen zu tun, frage ich mich tatsächlich sehr verwundert.

Das Thema ist aber schon interessant und deshalb lohnt sich die Diskussion. Obwohl ich vermute, dass obiger Spruch wohl bedeutet, dass ich bereits von dir, Ziesemann, in eine sozialistische Schublade gesteckt worden bin, muss ich mich als bekennenden Marktwirtschaftler outen. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht mit großem Gewinn in Karl Marx "Das Kapital" gelesen hätte. Dieser Mann hatte sehr viel Durchblick und hat sich meine Bewunderung verdient. Er war ohne Frage ein großer Wirtschaftswissenschaftler und zudem noch ein Gutmensch, der sich - das ist zwischen den Zeilen deutlich herauszulesen - noch so richtig über kapitalistische Ausbeuterei aufregen konnte. Viele der von ihm geschaffenen Begriffe sind heute noch in aller Munde und Bestandteil der Wirtschaftswissenschaften geworden, z. B. der Mehrwert

Ziesemann sagt, der Sozialismus sei gescheitert, weil er davon ausgehe, dass der Mensch seinem Wesen nach gut (altruistisch) sei. Also dieses Axiom ist mir noch nicht untergekommen, eher habe ich gelesen, dass das Milieu den Menschen formt, also die Hoffnung besteht, ihn durch Besserung des Milieus selber zum Besseren zu ändern.

Es ist inzwischen erkannt worden, dass das Milieu nicht alles ist. Daraus folgt aber doch keineswegs, dass ab sofort das Gegenteil richtig ist. Die Wechselwirkung zwischen Umweltfaktoren und Genen ist es, die einen Menschen formt. In allen Bevölkerungsgruppen gilt z. B., dass frühkindliche Gewalterfahrung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der spätere Erwachsene straffällig wird. Fehlt ein bestimmtes Gen für den Gehirnstoffwechsel hat dies bei normaler Erziehung praktisch keine Bedeutung für eine Straffälligkeitsprognose, wird das Kind aber geschlagen und fehlt ihm dieses Gen, dann steigert sich die Wahrscheinlichkeit straffällig zu werden überproportional (Linktipp als Beleg).

Es ist also beides wahr, der Mensch ist erziehbar und er ist auch von seinen Anlagen abhängig.

Ebensowenig ist es logisch richtig, aus dem Misserfolg der Versuche, sozialistische Gesellschaftsformen aufzubauen, zu folgern, also müsse der Kapitalismus das richtige System sein. Es wird offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, dass der Kapitalismus als Gesellschaftsform gerade dabei ist ganz gewaltig Schiffbruch zu erleiden - oder wie würdet ihr seine Folgen, die Kriege um Öl und wirtschaftliche Macht bezeichnen? Als Erfolg? Ist es ein Erfolg des Kapitalismus, wenn der Unterschied zwischen Arm und Reich, nicht nur innerhalb der USA, nicht nur innerhalb Chinas, nicht nur innerhalb Europas, nein, sondern auch zwischen der Ersten und der Dritten Welt immer weiter anwächst?

In das Triumpfgeheul der Gegner des Sozialismus kann ich nicht einstimmen. Im Grunde sollten wir alle bedauern, dass diese Versuche kläglich gescheitert sind. Nein, zur Freude und zum Triumpfgeheul gibt es keinen Grund. Zuviele Menschen werden derzeit geopfert, um die Reichen noch reicher werden zu lassen.

Ich weiß nicht, Ziesemann, ob dein dem Sozialismus in den Mund gelegter Satz "Es ist besser, wenn alle möglichst gleichmäßig arm sind, als wenn einige reich, viele wohlhabend (Mittelstand) sind und der Rest im Prekariat lebt" jemals wirklich gesagt wurde, ich würde ihn selbst jedenfalls niemals so formulieren, obwohl in ihm ja eigentlich nichts anderes zum Ausdruck kommt als in dem christlichen "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein". Der Mensch will nicht nur essen, er will auch Würde und Anerkennung. Er hasst es, Sklave zu sein.

Was eigentlich ist falsch daran, vom Paradies zu träumen? Der Mensch muss Ziele haben, auch der Kapitalist hat Ziele und träumt von seinem Paradies, dem Bad im Geldspeicher. Andere träumen von einer gerechteren Welt.

Wie arm wären wir wirklich, wenn wir nun sagen müssten, dieser Traum ist für immer ausgeträumt. Die Welt ist eben ungerecht, also akzeptiert Ungerechtigkeit, sie ist Gott gewollt.

Das aber ist das Denken vergangener Epochen. Wie armselig sind diejenigen, die behaupten der Mensch sei von Grund auf böse. Er ist mindestens ebenso von Grund auf gut. Es liegt an uns, welcher Seite wir den Vorzug geben.

Ich jedenfalls träume noch. Ich träume davon, dass versucht werden kann, die eigenen Interessen und die der anderen zur Deckung zu bringen. Die völlige Deckungsgleichheit wird ein nie zu erreichendes Ideal bleiben, aber schon der Weg dorthin kann ein Ziel sein, jede Abweichung davon wird m. E. sehr teuer erkauft.

--
karl
eko
eko
Mitglied

Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von eko
als Antwort auf dmz vom 19.07.2007, 22:25:54


Zitat von ziesemann


Aber die menschliche Schwäche des Karl widerlegt natürlich die sozialistische Lehre so wenig wie der sündige Priester den katholischen Glauben
.

Also ich habe dieses Zitat so verstanden, dass er damit den Karl Marx gemeint hat und nicht den karl alias Webmaster.

Dann möchte ich auch noch anfügen, dass ich keinesfalls Freude darüber empfinde, dass der Sozialismus gescheitert ist und immer scheitern wird. Es wäre schön, wenn es ihn geben könnte, aber leider ist der Wunschtraum realitätsfern. Der Mensch ist zwar einesteils ein Herdentier, andrerseits aber auch wieder Individualist. Und darin liegt der Hund begraben. Für einen funktionierenden Sozialismus ist der Mensch zu sehr individualistisch, zu sehr seinen eigenen, ganz persönlichen Interessen verhaftet und bremst somit den Sozialismus aus.

Ich bin auch nicht mit der Unterstellung einverstanden, dass man dann, wenn man den S. als schönen Traum bezeichnet, man dann unbedingt dem Kapitalismus huldigt.

Es gibt halt nur diese beiden Extreme und deshalb ist mir persönlich der Kapitalismus mit all seinen Schwachstellen doch noch lieber als der Traum vom Sozialismus.

--
eko

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eko
eko
Mitglied

Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von eko
als Antwort auf Karl vom 19.07.2007, 22:57:26
Meine Antwort sollte karls Beitrag gelten, weiß nicht, warum das anders gelaufen ist.
--
eko
Karl
Karl
Administrator

Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von Karl
als Antwort auf eko vom 20.07.2007, 02:35:18
Oh, dann hätte ich mich ja wirklich zu wichtig genommen ))

Ich bin übrigens nicht der Meinung, es gäbe nur die beiden Extreme. Wir haben als Menschheit sicherlich noch nicht alle möglichen Varianten ausprobiert. Es wurde schon des öfteren hier im ST festgestellt, dass ein sozial gezügelter Kapitalismus, z. B. die soziale Marktwirtschaft, sich durchaus vom reinen Kapitalismus oder Neoliberalismus unterscheidet.
--
karl
telramund
telramund
Mitglied

Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von telramund
als Antwort auf Karl vom 20.07.2007, 07:26:49
Oh, dann hätte ich mich ja wirklich zu wichtig genommen ))

Ich bin übrigens nicht der Meinung, es gäbe nur die beiden Extreme. Wir haben als Menschheit sicherlich noch nicht alle möglichen Varianten ausprobiert. Es wurde schon des öfteren hier im ST festgestellt, dass ein sozial gezügelter Kapitalismus, z. B. die soziale Marktwirtschaft, sich durchaus vom reinen Kapitalismus oder Neoliberalismus unterscheidet.
--
karl
geschrieben von karl



Ich bin durchaus der Überzeugung, daß sich der marktwirtschaftliche Wettbewerb als die effektivste Wirtschaftsform erwiesen hat.

Die Frage ist nur, inwieweit es noch eines regelnden Rahmens bedarf, der sowohl die fehlenden Möglichkeiten des nach wie vor benötigten Nationalstaates ersetzt und andererseits keine neue Welle des Protektionismus und
der wirtschaftlichen Hemmnisse in Gang setzt.

Wie bereits an anderer Stelle angeführt, ist es bis zur Erzielung solcher überregionaler oder internationaler Schutzvorgaben und Mindeststandards, noch ein weiter Schritt, da die im globalen Wettbewerb stehenden Länder, vorwiegend daran interessiert sind, durch günstige Standorte, niedere Steuern, geringere Ökostandards und Abgabelasten, die Wirtschaft und die Arbeitsplätze ins eigene Land zu holen.

Daraus folgt, daß wir zuerst unseren eigenen Laden in Ordnung bringen sollten. D.h., alles unternehmen sollten um die schlimmen Fehlentwicklungen durch eine verfehlte Zuwanderungspraxis, falsche Weichenstellung in der Gesellschaftspolitik, Leistungshemmnisse etc., etc., zu
korrigieren.

Als rohstoffarmes von einer wettbewerbsfähigen Hochtechnologie abhängiges Hochlohnland, müssen wir zu den Besten zählen, um im globalen Wettbewerb mithalten und unseren sozialen Standard erhalten zu können.

--
telramund

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schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von schorsch
als Antwort auf telramund vom 20.07.2007, 08:43:48
Ich denke mal, dass der "Kapitalismus" schon vor der Zeit der Menschwerdung der Primaten stattgefunden hat: Eine Äffin hätte gern eine Banane von einem Affenmann bekommen. Sie hielt ihm ihr Hinterteil hin und bekam dafür die Banane.
Später wurde Tauschgeschäft zur Norm. Natürlich gab es auch schon da Gewinner und Verlierer, Fettwänste und Hungerleider. Aber bevor jemand Hungers sterben musste, gaben ihm die "kapitalistischen" Artgenossen vom gehorteten Futter ab.
Heute aber sind die "Kapitalisten" nicht mehr zufrieden mit Notvorrat. Sie horten Geld im Gegenwert von zig Schiffsladungen von Nahrungsmitteln. Natürlich wissen sie genau, dass sie dieses Geld nie im Leben werden aufbrauchen können. Aber der Gedanke "Ich habe doppelt so viel als der Krösus von nebenan" wirkt wunderbar auf das Ego - und ist oft noch die einzige Freude im Leben....
--
schorsch
Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 20.07.2007, 07:26:49
der Kapitalismus ist sehr schön, wenn man auf der Seite der Gewinner ist, und noch viel schöner wen man die Verlierer nicht ständig im Auge hat oder wenn man abgestumpft genug ist um diese "Hungerleider" nicht als störend zu empfinden.

Immer wenn es einem Land einem Staat einer Gruppe eines Landes usw. sehr gut und laufend noch besser geht, kann man sicher sein das anderwärts eben dieses Gegengefälle der Verarmung auftritt.

Sagte mir einer, na guck doch mal die Norweger an, die habens geschafft da gibts keine Armen.
Ok auf den ersten Blick siehts so aus als ob. Auf den zweiten Blick sehe ich aber, das es auch da Riesenunterschiede gibt, erstens im eigenem Land und zweitens bei den Kunden mit denen sie Handel treiben, denn auf deren Kosten kommen sie selber zu Wohlstand.

Ohne diese Kunden würden sie im eigenem Öl "ersaufen" ohne Aussicht auf Riesengewinne.

Bei einigen Ölstaaten ist das noch viel ausgeprägter. Je mehr sie an Reichtümern zusammenscharen, desto mehr Armut müssen sie anderweitig schaffen.

Beispiel Dubai
In den VAE lebten Ende Juni 52'800 Millionäre (mind. 1 Million US-Dollar nach Merrill Lynch). Die Anzahl Millionäre wuchs gegenüber 2004 um 9,5%. Dafür verantwortlich seien in erster Linie die boomenden Aktienmärkte in den VAE und die hohen Erdölpreise, die die Einnahmen des Landes vervielfacht haben. Vor 5 Jahren, wer kann sich noch erinnern, betrug der Ölpreis 10 Dollar pro Barrel.

Es stecken also dahinter kein Fingerkrümmen, keine praktische Tätigkeit, kein produktives Handeln der Reichen, sondern das ist nur eine Umschichtung/ Anhäufung von Geld von unten nach oben.

Schon deshalb geb ich dem Kapitalismus keine Pluspunkte, da er durch rohe Gewalt die Grundlagen für Reichtümer schafft und danach durch diese Besitzverhältnisse eine Ausbeuterische Gesellschaft auf alle Ewigkeit festzurrt.

Oder wurden diese Ölfelder durch die Scheichs geschaffen, ihnen von Allah geschenkt, haben den Ölfirmen die Lizenzen bei den armen Einwohnern gekauft ??

Der K ist nur gut für einen kleinen Teil der Weltbevölkerung, er hat genau so versagt wie alle anderen Gesellschaftsordnungen vor ihm und zusätzlich hat er(zusammen mit den ungeschickten und fehlbesetzten Regierungen in den Staaten die den S probierten) dafür gesorgt, das der S. gar nicht salonfähig werden konnte, indem er seine Übermacht nutzte um latent Knüppel zu werfen.
--
hugo
ehemaligesMitglied45
ehemaligesMitglied45
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Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von ehemaligesMitglied45
als Antwort auf telramund vom 19.07.2007, 22:10:11
So ist es.
Im Januar 1990 nahm ich in Pirna an einem Protestmarsch gegen die SED teil. Auf dem Marktplatz beschwor ein Arbeiter, der sich ausdrücklich zur SPD bekannte: "Lasst Euch nicht wieder von Jenen verführen, die Euch einen neuen sozialistischen Versuch empfehlen. Ihr, die Arbeiter, werdet das nächste Scheitern auszubaden haben, nicht die Herren Schreibtischtäter!"
Besser hätte ich es nicht sagen können.
ehemaligesMitglied45
ehemaligesMitglied45
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Re: Zauberklang des Sozialismus
geschrieben von ehemaligesMitglied45
als Antwort auf dmz vom 19.07.2007, 22:25:54
Hier ist vom 'Sozialismus mit menschlichem Antlitz'
oder vom 'wahren Sozialismus' geschrieben worden.
Bescheidene Frage:
Ist darunter etwa eine Form des 'Anarchismus' zu verstehen ?
[Anarchismus: Def.s. http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchismus]
MfGdmz.
geschrieben von dmz

Nein!
Gruß
--
ziesemann

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