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Internationale Politik Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen

aixois
aixois
Mitglied

RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von aixois
als Antwort auf carlos1 vom 16.01.2021, 19:29:54

Lieber Carlos,

ich denke,  wir sind  beide einer Meinung , was die ökologischen Aspekte und , ganz generell, die Sinnhaftigkeit dieser zweiten Gaspipeline angeht : sie ist so unnötig wie ein Kropf.

 
Mir geht es aber eher um die Frage „gibt es ‚gutes‘ Gas und schlechtes (Russengas) Gas“und wer entscheidet ggf. darüber und mit welchem Recht, dass das schlechte Gas quasi  verboten“ wird ? Die USA ?

Festzuhalten ist, Nord Stream II (NSII) hat volles Baurecht, d.h. ist von allen nationalen Behörden unter Berücksichtigung der Ergebnisse aller Prüfverfahren  (auch bzgl. seiner Umweltauswirkungen) genehmigt  worden. 
Das ‚Häusle‘ darf also gebaut werden, auch gegen den Widerstand verärgerter Nachbarn.

 
Ein paar Kommentare meinerseits:
 
í  Multilateralismus: funktioniert nur, wenn alle sich an die Spielregeln halten. Für Biden wird seine Position zu NSII  ein Test sein , ob er sich zurück in die multilaterale Gemeinschaft begeben wird (wo durchaus gehauen und gestochen wird) oder sich wie sein Amtsvorgänger einen Dreck darum schert.
 
í Umstrittenes Projekt : die Opposition ist rein politisch (bzw. was die USA angeht auch handelspolitisch) begründet, den EU Mitgliedsstaaten und der NATO kann es völlig wurscht sein, was das Ding kostet und ob es sich rechnet. Auch ist das Argument der Versorgungssicherheit durch NSII wegen der Erpressbarkeit durch Russland nicht stichhaltig. Zum einen gibt es Gas genug von verschiedenen Lieferanten,  Russland war und bleibt einer der Hauptlieferanten von Gas. Ob das Russengas nun über die Ostsee oder über Land oder über die Türkei in die EU geliefert wird: es bleibt ‚Russengas‘.
 
Aufregen tut man sich aber nur über NSII –so als ob es sogar gutes und böses Russengas gäbe.
í Erpressbarkeit durch Russengas: Da es keine Deckungslücken (wie von NSII behauptet) zu geben scheint, löst sich auch das Hauptargument gegen die Pipeline, die Abhängigkeit /Erpressbarkeit von den Russen im Nichts auf. „Du kriegst kein Gas mehr !“- „ so what. Behalt dein Gas . Ich hab selber genug!“
 
í Polen: in gut 1 ½ Jahren läuft der Jamal Gasliefervertrag mit den Russen aus. Bis dahin ist Balt Pipe fertig, über das  Gas aus den norwegischen Gasfeldern (die Polen gekauft hat) über Dänemark nach Polen fliessen. Übrigens zu erheblich höheren Preisen als das Russengas. Polen (wie die Ukraine) wird die nicht unerheblichen Einnahmen aus den Transitgebühren (und Einfluss) der Jamalpipeline verlieren. Das ist der Hauptgrund für ihr Ärgernis.
Sollte es nötig sein, kann Polen (wie auch die Ukraine) weiterhin Russengas bekommen, u.a.   über das europäische Gasverbundnetz (EUGAL interconnection- die Jamalpipeline wird bi-direktional sein, d.h. Gas kann auch von West nach Ost fliessen). Polen wäre nicht gegen eine  neue Pipeline, wenn sie durch Polen ginge und nicht aussen rum.
 
í Dänemark: die dänische Energieagentur hat vor wenigen –Tagen grünes Licht gegeben, was die Querung der Pipelines NSII-Balt Pipe südlich von Bornholm angeht. Die Gespräche DKs bezogen sich auf die Querung der beiden Pipelines im Raum südlich von Bornholm.  Das ist gelöst. Sowohl die dänische Energieagentur wie auch das BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrogeographie) haben in den letzten Tagen offiziell ihr Plazet zum Weiterbau gegeben. Geopolitische Erwägungen spielten dabei keine Rolle. Im Gegenteil, Dänemark ist daran interessiert, dass die Baltic Pipe termingerecht weitergebaut wird, hat es doch seine (See) Fläche vergrößern können und wird neben den Vorteilen aus der  neuen Polen-Pipeline , auch noch  kräftig Transitgebühren kassieren.
 
í Norwegische Gasreserven: Es stimmt, die Reserven werden geringer. Etliche Gasfelder sind ausgebeutet und wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben. Bekannte Reserven betragen ca. 1,5 Billionen cbm. Polen will aus seinen (von Shell abgekauften) Gasfeldern, jährlich 0,2 Milliarden cbm rausholen also auch langfristig keine Probleme haben.
 
í LNG Terminals: Es sieht so aus, als ob sich kein Investor findet, der an LNG Terminals Interesse hätte. Die Nachfrage an dem teuren LNG (bes aus USA) ist einfach nicht da. In Wihelmshaven ist das Vorhaben abgesagt worden. Also können die versprochenen DE Subventionen nicht an den Mann gebracht werden und der Bund hat kein Interesse einen bundeseigenen Terminal zu bauen. Es gibt in anderen EU Staaten genug Terminals , selbst in Polen (wo das US fracking gas  problemlos angeliefert werden könnte), Deutschland hat keins, das tut aber der vorhandenen Diversifizierung keinen Abbruch. LNG Exportländer e wären froh, wenn sie mehr liefern könnten.
 
í Green Deal –Pariser Klimaziele: Vorausgesetzt, die Methanlecks von NSII bleiben minimal, dann kann per Saldo die Umstellung von Kohle und Erdöl auf EE und Gas helfen, den CO2 Ausstoss bezogen auf den status quo zu verringern. Das gilt besonders für Polen, wo insbesondere die Industrie, aber auch der Hausbrand noch sehr kohlelastig sind. Im Rahmen des green deals soll da umgebaut werden. Gas hat einen höheren Wirkungsgrad als Kohle /Erdöl und kann  gut mit mehr EE kombiniert werden, denn nur EE in grossem Massstab geht derzeit kaum (wenig Wind , wenig Sonne mehr Gas). Kurz- und mittelfristig kann Gas also als Übergangstechnologie seinen Sinn haben. Der Verbrauch kann durch höhere Preise (CO2 Steuer) gesteuert werden, d.h. es wird in Hocheffizienzanlagen investiert und dafür kann ja der EU Topf auch verwendet werden.
 
í Emmissionshandel : muss dringend reformiert werden, denn die Preise und das Handelssystem(Emmissionsrechte)  sind viel zu schwach, um den Effekt zu erzielen, den es für die Erreichung der CO2 Ziele braucht.Das hat aber mit der Russengaspipeline direkt nichts zu tun.
 
í Fazit: Die Sanktionsdrohungen um NSII zu torpedieren, sind Ausdruck purer Machtpolitik zur Durchsetzung eigener US Interessen, darunter nicht nur der Absatz von Fracking Gas (dessen Produktion Biden hoffentlich zurückfahren wird), sondern auch, um die Europäer gegeneinander auszuspielen und die Uneinigkeit zu schüren (was ja auch Russland will, solange die EU /NATO sich einig sind, was ihre Russlandphobie angeht).
Für die EU und insbesondere DE – Russland Beziehungen ist es deshalb besser , die Pipeline fertigzustellen (trotz ihrer möglichen Sinnlosigkeit) als weiter auf die Bauruine zusetzen. Es gibt auch ein Leben nach Putin.
 
RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf aixois vom 17.01.2021, 13:13:19
Danke Dir und Carlos 1 für die ausführlichen Informationen.
Ich werde mich nicht mehr zu einzelnen Diskussionen zur  Details der Pipeline beteiligen.

Denke aber das ein sogenannter Wirtschaftskrieg ( so würde ich ihn bezeichnen), nicht erst seit Präsident Trump herscht, sondern auch schon vorher.
Ich würde auch keine Länder mit den verschiedensten Gesellschaftsordnungen nicht mehr Weltmächte nennen. Macht bedeutet immer den einen oder anderen zu unterdrücken bzw. in die Knie zu zwingn.
Dies ist hierzu aber nun endgültig mein letzter Wort, denn meine Fragen wurden beantwortet und ich hasse ewige Wiederholungen .
Einen schönen Sonntag Euch wünscht Heddy
olga64
olga64
Mitglied

RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.01.2021, 14:00:32

Denke aber das ein sogenannter Wirtschaftskrieg ( so würde ich ihn bezeichnen), nicht erst seit Präsident Trump herscht, sondern auch schon vorher.
Ich würde auch keine Länder mit den verschiedensten Gesellschaftsordnungen nicht mehr Weltmächte nennen. Macht bedeutet immer den einen oder anderen zu unterdrücken bzw. in die Knie zu zwingn.

Einen schönen Sonntag Euch wünscht Heddy
Na klar gab es sog. Wirtschaftskriege schon immer. Sie fanden auch innerhalb der sozialistischen Staaten statt und finden heute ihren Gipfel zwischen dem kommunistischen China und den kapitalistischen USA. Völlig verschiedene "Gesellschaftsordnungen" - aber um Macht und um Geld geht es immer.
Egal ob das nun die EU ist, das Russland mit den Oligarchen, das verarmte Venezuela, Brasilien usw. Irgendeiner - sehr oft ein Diktator - steht ganz oben und holt sich alles, um seine Macht abzusichern. Olga

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ingo
ingo
Mitglied

RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von ingo

Hier wird ja immer mehr zu Nordstream2 geschrieben. Habe ich hier schonmal meine ganz schlichte Meinung dazu geschrieben? Was geht es die USA an, woher wir unser Gas bekommen?  Die EU hätte evtl. die Möglichkeit gehabt, das zu verhindern; weiß ich nicht mehr. Sie hat es aber nicht verhindert, und damit ist das Thema durch, egal, was man davon hält. Jubeln tue ich auch nicht ; aber Fraking-Gas per Schiff aus den USA wäre für mich gewiss nicht die Alternative gewesen.

freddy-2015
freddy-2015
Mitglied

RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von freddy-2015
Wirtschaftspolitik und Krieg hängen oft sehr nahe beisammen.
Ölembargo der USA gegen Japan, 2. Weltkrieg.
olga64
olga64
Mitglied

RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von olga64

Der Konzern Bilfinger, ebenfalls Mitglied in dem internationalen Firmenkonsortium für dieses Projekt hat jetzt seine Mitarbeit gekündigt, die ein Auftragsvolumen von 15 Mio Euro umfasst hätte.
Bilfinger wäre für die Leit- und Sicherheitssysteme und den Bau einer Wärmezentrale zur Vorwärmung von Erdgas am Anlandepunkt in Lubmin zuständig gewesen.
Man befürchtet durch die US-Sanktionen bei Bilfinger ebenfalls auf sehr viel lukrativere Geschäfte in und mit den USA verzichten zu müssen und geht dieses Risiko, wie auch andere beeiligte Firmen, nicht ein.

Wer nun weiterhin jedwede Kritik anden geopolitischen Folgen des Projekts abtut mit der Behauptung, den USA ginge es nur um den VErkauf des Flüssiggases, läuft Gefahr, von Anfang an die Stimmung im Verhältnis zur Biden-Regierung zu vergiften.
Das schlechteste Beispiel sitzt direkt in Mecklenburg-Vorpmmern, nämlich die MP FrauSchwesig mit ihrer von Gazprom finanzierten Stiftung, um damit US-Sanktionen zu unterlaufen, was sich vermutlich nie erfüllen wird.
Als Zeichen der Kumpanei mit dem Kreml entfaltete sie aber eine verheerende Wirkung (Textpassagen teilweise entnommen dem Kommentar "Nord Stream 2 - Kumpanei mit dem Kreml" von Daniel Brössler in der heutigen SZ). Olga


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wandersmann
wandersmann
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RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf olga64 vom 20.01.2021, 17:42:55

Das schlechteste Beispiel sitzt direkt in Mecklenburg-Vorpmmern, nämlich die MP FrauSchwesig mit ihrer von Gazprom finanzierten Stiftung, um damit US-Sanktionen zu unterlaufen, was sich vermutlich nie erfüllen wird.
Als Zeichen der Kumpanei mit dem Kreml entfaltete sie aber eine verheerende Wirkung (Textpassagen teilweise entnommen dem Kommentar "Nord Stream 2 - Kumpanei mit dem Kreml" von Daniel Brössler in der heutigen SZ). Olga
Frau Schwesig beweist mit ihrer Haltung Mut und zeigt, wie aufrechter Gang geht. Mit ihrem, von der überwiegenden Mehrheit der Deutschen mitgetragenem, Widerstand gegen die Erpressungsversuche der USA erüllt sie ihren verfassungsmäßigen Auftrag, nämlich Schaden  vom Land abzuwenden. Falls Dir das entgangen ist, olga64, weder in Berlin noch in Mecklenburg-Vorpommern regiert der US-Präsident, auch hat er keinerlei Befugnisse in unsere Wirtschaft einzugreifen. Macht er das dennoch, handelt er kriminell und untergräbt die Souveränität unseres Landes. Dies sollten sich alle Bürger, denen das Wohl unseres Landes am Herzen liegt, verbitten.
Biden hatte bereits angedeutet, Trumps Politik auf diesem Gebiet fortzuführen, was keineswegs eine vertrauensbildende Maßnahme hinsichtlich der deutsch-amerikanischen Beziehungen wäre. Es bleibt zu hoffen, dass er an dieser Stelle einlenkt.
olga64
olga64
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RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von olga64
als Antwort auf wandersmann vom 20.01.2021, 19:29:31

Ich denke schon ,dass die USA ein Recht darauf haben, auf ihre Handelspartner (also in diesem FAll beteiligte Firmen) einzuwirken. Es funktioniert ja auch, wenn sich immer mehr Firmen aus diesem Projekt entfernen, weil sie auf ihre USA-Geschäfte nicht verzichten wollen. Somit haben die USA sicherlich eine Möglichkeit, in die Ökonomie einzugreifen, wie man aktuell am Ausstieg von Bilfinger ja sehen kann.
Und nicht nur die USA stehen diesem Projekt skeptisch gegenüber; es sind in Deutschland auch die Grünen und einige europäische Staaten, wobei immer die Benachteiligung der Ukraine gesehen werden muss. Immerhin führt Putin in einem Teil er Ukraine seit Jahren Krieg.
Die Verzweiflungstat der Frau Schwesig, sich Gazprom auszuliefern, dürfte mehr mit ihrem Wahlkampf zu tun haben; ich gehe fest davon aus, dass sie damit mehr Schaden angerichtet hat als sie beabsichtigte.
Aber für erste negative Zeichen für Biden reicht es sicherlich in diversen Kreisen, wobei hier vergessen wird, dass er derzeit wichtigere Probleme zu lösen haben wird als ein Lieblingsprojekt von MV. Nicht nur Trump, nicht nur Biden, sondern der USKonzern werden hier ihre Zustimmung nicht geben wollen. Olga

wandersmann
wandersmann
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RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf olga64 vom 20.01.2021, 19:47:36
Ich denke schon ,dass die USA ein Recht darauf haben, auf ihre Handelspartner (also in diesem FAll beteiligte Firmen) einzuwirken. Es funktioniert ja auch, wenn sich immer mehr Firmen aus diesem Projekt entfernen, weil sie auf ihre USA-Geschäfte nicht verzichten wollen.
Selbstverständlich haben sie dieses Recht nicht. Die USA verfolgen mit ihrer kriminellen Erpressungspolitik 2 Ziele: zum einen wollen sie die bewährten deutsch-russischen Beziehungen auf dem Gebiet der Gasversorgung zerstören. Zum anderen wollen sie mit aller macht ihr dreckiges Schiefergas loswerden. Beide Ziele widersprechen den Interessen Deutschlands. Sowohl klima- als auch energiepolitisch.
Bleibt zu wünschen, dass Fr. Merkel den Rest ihrer Amtszeit nutzt, und dies der amerrikanischern Regierung ohne wenn und aber klarmacht. Sie hat auf energiepolitischem Gebiet genug in den Sand gesetzt, jetzt könnte sie einiges wieder gut machen.
freddy-2015
freddy-2015
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RE: Nord Stream 2 , USA verhängen Sanktionen
geschrieben von freddy-2015
als Antwort auf wandersmann vom 20.01.2021, 20:11:21
Da muss ich dir leider Recht geben W.M.,
Frau Merkel hat die Grüne Energie durch Entzug der Zuschüsse blockiert,
auch den Schutz der eigenen Industrie versaubeutelt, Atomabkommen geschlossen nach Fukuschima teuer rückgängig gemacht, Kohle und Atom Ausstieg kostet den Steuerzahler hunderte Milliarden Euro. Folgekosten der Endlagerung in Billionen Höhe könnten folgen.
Wären Windräder und Sonnenenergie weiter in hohem Maße unterstützt wurden,
wäre das für den deutschen Steuerzahle ein Schnäppchen
und dann hätte die Kohle automatisch schlapp gemacht mangels Umsatz.
Eine rechtzeitige Festlegung auf grüne Energie als Ziel bringt auf lange Sicht mehr Gewinn und keine Verluste wie die Kohle, speziell die Steinkohle mit ihren sehr hohen Zuschüssen.

Kohle auf dem Weltmarkt war schon immer billiger.

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