Forum Kunst und Literatur Literatur Literaturkalender: NEUE Folge 28. November. 2009

Literatur Literaturkalender: NEUE Folge 28. November. 2009

longtime
longtime
Mitglied

Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zur Erinnerung an Gustav Meyrink
geschrieben von longtime
als Antwort auf enigma vom 04.12.2009, 11:30:18
Danke, enigma, für das Interesse unf den Fleiß!

*

Zu Gustav Meyrink

... möchte ich ergänzen, dass er ein großer Übersetzer war; er hat Charles Dickens und Rudyard Kipling in Deutschland berühmt gemacht. - In meiner Internatszeit - im antik durchhauchten Latein-Gymnasium (euphemistisch eine "Humana Schola" genannt; wir sagten einfach Kasten!) - musste ja auch für einige Jahre irgendwie Englisch gelernt werden. Als die erste Lektüre - Dickens "Signal-Man" - anstand, konnte ich mir eine Übersetzung von Meyrink als "Pons" einheimsen, von der der OStR. - Germanist und Humanist - nichts wusste.

Meyrink besorgte auch für den List-Verlag 1928 Übertragung von George Sylvester Vierecks und Paul Eldridges Meine ersten 2000 Jahre: Autobiographie des Ewigen Juden.

– Vgl. den Artikel über den „Ahasverus“, den ewigen Juden bei Wiki, s. Linktipp:

Ahasver - ein Thema ohne Ende. Ich erinnere nur an ein Gedicht von ML Kaschnitz: „Ahasver“ (1957). In: „Neue Gedichte“. Hamburg 1957. – Bei dieser Stofffassung versucht Ahasver, sich in einem Hotelzimmer umzubringen, wird aber gerettet.

Ein Zitat von Meyrink:

"Das Geld liegt auf der Strasse, man braucht sich nur danach zu bücken, um es aufzuheben«, ist ein alter Satz, den ich des öftern von smarten Geschäftsleuten äussern hörte, ohne dass es mir jedoch bis heute gelungen wäre, seine Stichhaltigkeit einwandfrei zu erproben.
Um so mehr bin ich deshalb geneigt, die pessimistische Weltanschauung jener zu teilen, die auf den – allerdings apokryphen – Nachsatz schwören: ‚Wer sich bückt, um es aufzuheben, dem fällt die Brieftasche aus der Jacke.’"
(Aus: „Die heimtückischen Champignons“. In: Almanach 1920. Berlin: Rudolf Mosse. 1919)

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longtime
clara
clara
Mitglied

Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 1. Advent:
geschrieben von clara
als Antwort auf longtime vom 04.12.2009, 08:05:46
Guten Morgen zum 4.12.:

Heute gibt es für verschiedene Geschmäcker einige unterschiedliche Namen als Anlass für Lesen und Nachdenken:

Rainer Maria Rilke




longtime


Der ist's! Einer der wenigen Poeten, dessen Gedichte mich immer wieder
er-greifen!
Wie oft habe ich nicht dieses gelesen! In ihm erkenne ich die ganze Tragik eines unbändigen gebändigten Wesens. Man hat ihm die äußere Freiheit genommen, der unauslöschliche Gedanke an sie ist nicht verloren gegangen. Oder doch?

Der Panther

Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris


Rilke schrieb auch:

Es gibt keine Klassen im Leben für Anfänger,
es ist immer gleich das Schwierigste,
was von einem verlangt wird...


--
clara
Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 1. Advent:
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf longtime vom 04.12.2009, 08:05:46
Noch einmal Rilke:

DIE LIEBENDEN
SIEH, wie sie zu einander erwachsen:
In ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist.
Dürstende, und sie bekommen zu trinken, Wache und sieh: sie bekommen zu sehn.
Lass sie ineinander sinken,
um einander zu überstehn.


LIEBESANFANG
O LÄCHELN, erstes Lächeln, unser Lächeln. Wie war das Eines: Duft der Linden atmen, Parkstille hören -, plötzlich in einander Aufschaun und staunen bis heran ans Lächeln.

In diesem Lächeln war Erinnerung
an einen Hasen, der da eben drüben
im Rasen spielte; dieses war die Kindheit
des Lächelns. Ernster schon war ihm des Schwanes
Bewegung eingegeben, den wir später
den Weiher teilen sahen in zwei Hälften
Lautlosen Abends. – Und der Wipfel Ränder gegen den reinen, freien, ganz schon künftig nächtigen Himmel hatten diesem Lächeln Ränder gezogen gegen die entzückte
Zukunft im Antlitz.


WUNDERLICHES Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten, wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem? -

Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt -

Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; -
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.


--
spatzl

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enigma
enigma
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Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 1. Advent:
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.12.2009, 16:35:41
Feridun Zaimoglu, geboren am 4. Dezember 1964 in Bolu/Türkei, ist ein deutscher Schriftsteller und bildender Künstler türkischer Herkunft.

Bereits 1965 zog er mit seinen Eltern nach Deutschland, ist also in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen.

Nach abgebrochenem Studium arbeitet er als freier Schriftsteller und schreibt als Journalist u.a. für die Zeit, die Welt, SPEX und den Tagesspiegel. Außerdem war er Theaterdichter.

Mit seinem ersten Buch “Kanak Sprak” wurde er auf einen Schlag ziemlich bekannt. Das Buch diente später als Vorlage für den Film “Kanak Attack”.

Eine Freundin hat vor kurzem seinen Roman Leyla, in dem er die Situation seiner Mutter beschreibt, gelesen und war davon angetan.

Ich bekomme das Buch in Kürze. Die Kritiken sind eigentlich durchgängig gut, wie hier zu lesen ist.

Vielleicht kennt jemand Bücher von Zaimoglu?

Auf dieser Seite sind auch noch Informationen über Zaimoglu abrufbar.


Gruß


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enigma
longtime
longtime
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Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 5.12.:
geschrieben von longtime
als Antwort auf enigma vom 04.12.2009, 18:18:10
Kandidaten für den 5.12….?


Alexandre Dumas (der Ältere)

Wolfgang Amadeus Mozart (wg. seiner Briefe)

August Graf von Platen

Sri Aurobindo (indischer Philosoph und Schriftsteller)

Eugenie Marlitt

Gustav Sack

Fjodor Sologub

Hans Hellmut Kirst

Ferdinand Bruckner

Übrigens:
Heute ist der Nikolausabend: Vorabend des Nikolaustages (6.12.); da kommt (meist) unerkannt und geheimnisvoll nach christlich-abendländischem Brauch der „Heilige Mann“ ins Haus für die gut erzogenen oder zu erziehenden Kinder.
Traditionell bringt er abends oder über Nacht Geschenke für die Kinder, die dafür z. B. einen Stiefel vor die Tür stellen. - Erwachsenen müssen für sich selbst sorgen... (Literarisch z.B.)

**


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longtime
miriam
miriam
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Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 5.12.:
geschrieben von miriam
als Antwort auf longtime vom 05.12.2009, 08:50:35
Leicht off topic:

habe heute keine Zeit - möchte aber am morgigen 6.12 gerne über Hanns Dieter Hüsch einiges schreiben.

Liebe Grüße

Miriam

Vielleicht schreibe ich im Nachhinein auch etwas über Mozarts Briefe.



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enigma
enigma
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Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 5.12.: Christina Rossetti
geschrieben von enigma
als Antwort auf miriam vom 05.12.2009, 09:06:32
Heute erinnere ich an Christina Rossetti, geboren am 5. Dezember 1830 in London als Tochter italienischer Flüchtlinge aus Neapel, die in England politisches Asyl gefunden hatten.
Ein Onkel mütterlicherseits war mit Lord Byron befreundet.

Ich kenne einige ihrer Gedichte und war auch an der persönlichen Geschichte der viktorianischen Dichterin interessiert.
Offenbar gibt aber nicht viele Informationen über ihr Leben außer denen, die über ihre Familie und einige Biografen vermittelt wurden, denn Christina Rossetti hatte bereits zu Lebzeiten verfügt,dass
nach ihrem Tode wichtige Dokumente aus ihrem Leben, wie z.B. sämtliche Briefe, vernichtet werden sollten.

Eine sehr schöne Seite von Annie Ice mit einem etwas ausführlicheren Lebenslauf habe ich aber dennoch im Internet gefunden und stelle diese Seite per Linktipp ein.

Hier eines ihrer bekannten Gedichte im Original und in deutscher Übersetzung, wie es auch in der Seite zu finden ist:

Song (1848)
When I am dead, my dearest,
Sing no sad songs for me;
Plant thou no roses at my head,
Nor shady cypress tree.
Be the green grass above me
With showers and dewdrops wet;
And if thou wilt, remember,
And if thou wilt, forget.

I shall not see the shadows,
I shall not feel the rain;
I shall not hear the nightingale
Sing on as if in pain.
And dreaming through the twilight
That doth not rise nor set,
Haply I may remember,
And haply may forget.


Bin ich einst tot, mein Liebster,
sing keine Trauermessen;
pflanz mir zu Häupten Rosen nicht
noch schattige Zypressen:
Lass grünes Gras mich decken,
das Tau und Regen nässt;
und wenn ihr wollt, gedenket,
und wenn ihr wollt, vergesst.

Ich sehe nicht die Schatten,
spür nicht des Regens Fall;
hör nicht den schwermutsatten
Gesang der Nachtigall;
und träumend lang im Dämmer,
der nimmer steigt noch fällt,
wer weiß, ob ich gedenke,
ob ich vergess der Welt


Und ihr als geheimnisvollstes und symbolträchtigstes geltendes Gedicht “Goblin Market“, das sie als “nur ein Märchen” bezeichnete, das aber später vielfache Ausdeutungen erfuhr, ist ebenfalls dort zu finden.

Übrigens, da wir uns gerade in der Vorweihnachtszeit befinden: Ein Weihnachtsgedicht von Christina Rossetti "In the bleak mid-winter" ist vertont worden und ein sehr bekanntes Christmas-Carol
geworden:

Zum Schluss ein Video des Gedichts “A Birthday” von Christina Rossetti, gesprochen von Sir John Gielgud, hier:

Das Gedicht ist auch bei den Interpretationen auf der Rossetti-Seite enthalten.

Gruß


--
enigma
clara
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Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 5.12.:
geschrieben von clara
als Antwort auf longtime vom 05.12.2009, 08:50:35
Kandidaten für den 5.12….?




Wolfgang Amadeus Mozart (wg. seiner Briefe)


longtime


Mozart hat auch "richtig" gedichtet:

Ein kleiner Rat

Du wirst im Eh' stand viel erfahren,
was dir ein halbes Rätsel war;
bald wirst du aus Erfahrung wissen,
wie Eva einst hat handeln müssen,
dass sie hernach den Kain gebar.

Doch, Schwester, diese Eh'standspflichten
wirst du von Herzen gern verrichten,
denn glaube mir, sie sind nicht schwer.
Doch jede Sache hat zwo Seiten:
Der Eh'stand bringt zwar viele Freuden,
allein auch Kummer bringt er.

Drum, wenn dein Mann dir finstre Mienen,
die du nicht glaubest zu verdienen,
in seiner übeln Laune macht,
so denke, das ist Männergrille,
und sag: Herr, es gecheh' dein Wille
bei Tag, und meiner in der Nacht.

- Wolfgang Amadeus Mozart -


Dieses Gedicht schrieb er zur Hochzeit seiner Schwester.


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clara
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Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 5.12.:
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 05.12.2009, 08:50:35
Ich möchte zum 5.12. einen Beitrag liefern zu:
Ferdinand Bruckner (26.08.1891 - 5.12.1958, eigentlich Theodor Tagger, dem österreichisch-deutscher Schriftsteller.

Erinnern will ich an die Dramatik dieses Künstlers, der von den 68er Antitheater-Leuten (um Fassbinder) wieder entdeckt wurde.
Das wichtigste Stücke, das ein erstaunlich expressives sozialpädagogisches Anliegen hatte, hatte den Titel „Die Krankheit der Jugend“.

Stoff des Theaterspiels, das Ernst machen wollte:

Es handelt von Studenten, die sich in Liebesübertreibung Exzessen der nicht mehr bestimmbaren Hingabe erproben:
Eine Studentin hält ihren Freund, den genusssüchtigen Literaten „Bubi“, aus, der ihrer Freundin Irene nachsteigt. „Mitspielen“ können auch exemplarisch-demonstrativ das Mädchen Desirée und der Zuhälter Freder. So eskaliert die Tragödie der jungen Menschen, die durch Erwachsenen oder berufliche Aufgaben keinen Halt haben.
Das Stück zeigt drastisch die Verlorenheit einer demoralisierten Jugend, die keine gesellschaftlichen Forderungen kennen lernte, mit denen sie sich hätte auseinandersetzen können.

Über Verfilmungen s. auch den Linktipp:


Dazu eine Pressemitteilung der FilmakademiePressemitteilung des Vereins der Freunde der Filmakademie Wien (2007)

.. von der Filmakademie zu Bruckner:

--
longtime
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Re: Literaturkalender: NEUE Folge - zum 5.12.: Nikolausabend
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 05.12.2009, 19:01:37
Vorangestllt ein echt volkstümicher Beitrag zum Nikolausabend, das der Große Gabenbringer gewürdigt wir:

Bald kommt der Nikolaus



- gleichsam ein Volksgedicht, da des Hl. Mannes Loblied Dichter unbekannt blieb -

Im Winter, wenn es stürmt und schneit
Und's Weihnachtsfest ist nicht mehr weit,
Da kommt weit her aus dunklem Tann
Der liebe, gute Weihnachtsmann.

Knecht Ruprecht wird er auch benannt,
Ist allen Kindern wohlbekannt.
Er kommt mit einem großen Schlitten
Grad aus des tiefen Waldes Mitten.

In seinem Sack sind gute Sachen,
Die braven Kindern Freude machen.
Doch auch die Rute ist zur Hand
Für Kinder, die als bös bekannt.

Das mag wohl früher so gewesen sein;
Heut' gibt's nur brave Kinderlein.
Die sagen schnell ihr Sprüchlein auf,
Knecht Ruprecht macht den Sack dann auf.

Und Äpfel, Nüsse, Pfefferkuchen
Darf gleich das liebe Kind versuchen.
Knecht Ruprecht aber fährt geschwind
Davon zum nächsten art'gen Kind.


**

Ein moderner, realistischer, etwas befremdlicher Beitrag zum heutien Nikolausabend:


Marius Drissen-Sattler:
Nico im Sommer –
- Parodie -

Was macht der gute Niklas wohl im Sommer?


Was macht der bärt'ge Rotbepelzte wohl im Mai?
Wird ihm die Zeit nicht elend heiß und lang?
Sehnt er den Abend des Bescherens schon herbei
Per Elch, mit Kerzchen, Glück- und Glöckchenklang?

Ja, was der Mann im Wonne-Mai und mit Maiden?
Krault und kämmt er sich den Bart?
Hat er im Frühling schwer zu leiden
Im Kirschenblütenschnee, ohne Schlittenfahrt?

Wie treibt's der Kerl im Sommer-High -
im Urlaub in der Taiga oder anne Waterkant?
Das flegelt er sich flott im Sand -
Und hat an Schokoladen nix dabei? - Hej!

Am blauen Meer, umheckt von flotten Röschen,
Da liest er Dickens, schlürft Coke, mehr als ein’n,
Das Pelzchen aus! Und in das Badehöschen!
So treibt’s der Herr Nico gern im Mai.

Auch die Elche führn ein flottes Leben!
Die lotsen ihn des Nachts weg vom Strandgedrängel.
Da läßt Herr Pädagogicus von einem scharfen Engel
Nach SM sich flott die Rute und was sonst noch geben.

*

Ob Rute,
ob Tute,
ob Buch,
ob "mehr als genug" -

schönen Nikolausabend wünsche ich allen, die daran glauben!


--
longtime

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