Forum Kunst und Literatur Literatur Marcel Reich-Ranicki ist tot!

Literatur Marcel Reich-Ranicki ist tot!

miriam
miriam
Mitglied

Re: "Ich fürchte die Nichtexistenz. Wenn das Leben weitergeht - und man erfährt nichts mehr "
geschrieben von miriam
Er war ein "gnadenloser Kritiker" - wie die Sendung Kulturzeit (3sat) ihren Nachruf auf Marcel Reich-Ranicki betitelt.



Sein Credo lautete: "Die Klarheit ist die Höflichkeit des Kritikers, die Deutlichkeit seine Pflicht und Aufgabe"
Und er blieb sein Leben lang klar in seinen Aussagen, zugleich auch seine selbstauferlegte Pflicht - respektierend.

Toschas Tod im Jahr 2010 war für ihm ein schwerer Schlag, seine Treue zu ihr und zu ihren Andenken sagt uns sehr viel über den Menschen Marcel Reich-Ranicki.

Miriam
olga64
olga64
Mitglied

Re: "Ich fürchte die Nichtexistenz. Wenn das Leben weitergeht - und man erfährt nichts mehr "
geschrieben von olga64
als Antwort auf miriam vom 18.09.2013, 17:29:18
Als er seiner Frau im Warschauer Getto den Heiratsantrag machte, geschah dies in dem Moment (und wohl auch deshalb) als sich deren Vater erhängt hatte - die Tochter wusste da noch nichts davon. Dies fand ich unter vielen anderen Dingen sehr, sehr berührend.
Ich habe mir bei ihm oft gedacht - egal wie er argumentierte oder auftrat, ob es umgekehrt Deutsche gäbe,die ähnlich wenig nachtragend wären, wenn deren Familien und Volk gnadenlos ausradiert worden wäre. Vor solchen Menschen wie RR werde ich lebenslang einen ungeheuren Respekt haben - und dies nicht nur wegen der hohen Intellektualität. Olga
circe
circe
Mitglied

Re: "Ich fürchte die Nichtexistenz. Wenn das Leben weitergeht - und man erfährt nichts mehr "
geschrieben von circe
als Antwort auf olga64 vom 18.09.2013, 17:34:54
da sind wir ja ganz einer Meinung!!

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Malinda
Malinda
Mitglied

Re: "Ich fürchte die Nichtexistenz. Wenn das Leben weitergeht - und man erfährt nichts mehr "
geschrieben von Malinda
als Antwort auf circe vom 18.09.2013, 17:36:46
Eine wandelnde Bibliothek hat die Tür für immer geschlossen. Doch so lange unsere Generation und wohl auch die nachfolgende lebt, bleibt RR in den Gedanken lebendig.
Ich habe ihn außerordentlich gern gemocht. Immer höre ich beim
Kauf eines Buches seine Stimme: " Ein Buch, dass mehr als 300 Seiten hat, ist schlääächt!" Kann ich nicht bestätigen, aber auch nicht vergessen.
Seine Biografie `Mein Leben` steht auch bei mir schon griffbereit.
Ich bin sehr dankbar für seine Anregungen, Denkanstöße und nicht zuletzt für seine Gradlinigkeit.
Möge er in Frieden ruhen! Oder wunderbare Streitgespräche mit der Himmelsmannschaft führen.
Malinda
Re: "Ich fürchte die Nichtexistenz. Wenn das Leben weitergeht - und man erfährt nichts mehr "
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Malinda vom 18.09.2013, 19:56:20
Er wird wohl nicht schnell in Vergessenheit geraten, dafür hat er die Szene zu stark geprägt.

Möge er in Frieden ruhen.

Meli
miriam
miriam
Mitglied

Re: "Ich fürchte die Nichtexistenz. Wenn das Leben weitergeht - und man erfährt nichts mehr "
geschrieben von miriam
Einen Teil des Nachrufs zum Tod von Marcel Reich-Ranicke, betitelt die NZZ...

Ohrenmensch

Er war einer, der nicht abtreten konnte und den man nun mit Trauer abtreten sieht. Marcel Reich-Ranicki war eine Institution, mit ihm endet ein Kapitel deutscher Literaturgeschichte, ja eine Ära: die des sogenannten Grosskritikers, der mit der Person einsteht für seine Urteile, Vorlieben oder Irrtümer.
Bissig wie Kraus, ironisch wie Heine, gewandt wie Kerr wollte – und konnte – er sein. Sein grosser Jugendschwarm war das Theater, seine Passion die Literatur, seine Lebensliebe aber war die Musik. Er war ein Ohrenmensch, wie Canetti das genannt hätte, einer der leidenschaftlich gern telefonierte, ein amüsanter, pointensicherer Plauderer. Womöglich lässt sich an den vielen Karikaturen die Bedeutung dieses Meisters der Selbstkarikatur einmal am besten ermessen. Denn Marcel Reich-Ranicki war originell wie sonst kaum einer. Papst, Priester, Herr der Bücher: Vielleicht war es der Triumph und die Tragik dieses zuweilen erstaunlich zartbesaiteten Mannes, dass niemand ihm seine Rollen und Selbstbilder nahm bis zum Schluss.

Ende des Zitats aus der NZZ

Es sind alle diese Eigenschaften die zugleich MRR in die Nähe von Karl Kraus, von Heinrich Heine oder von Alfred Kerr rücken, die den Abschied von ihm so schwer machen.
Denn auf magischer Weise, war er eine große, eigenständige Persönlichkeit - zugleich aber auch jemand der uns ständig an die Tradition der besten deutschsprachigen Literatur erinnert.

Miriam

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wandersmann
wandersmann
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Re: Marcel Reich-Ranicki ist tot!
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf olga64 vom 18.09.2013, 16:45:09
Besonders gut fand ich einen seiner letzten Auftritte bei einer Vergabe eines Fernsehpreises. Da liess man den alten Mann stundenlang warten und nachdem er alle möglichen Sternchen ertragen musste, die ihren weinerlichen Dankes-Quatsch rausposaunierten - nahm er den Preis nicht mehr an. Fand ich toll und charaktervoll - war gegen den Mainstream,


Ich fand diesen Auftritt unglaubwürdig und inszeniert.

Als Begründung, weshalb er diesen Preis nicht annehmen könne, meinte er das mangelnde Niwo des Fernsehens ausmachen zu müssen. Da hatte er zweifelsohne Recht, nur hätte er dann dieser Verleihung konsequenterweise gleich ganz fern bleiben können. Sich 3 Stunden im unbequemen Gestühl rumquälen, nur um dann eine theatralische Szene hinzulegen ... das kam nicht als echt rüber.

Dies lediglich als Anmerkung dazu.
pilli
pilli
Mitglied

Marcel Reich-Ranicki ist tot!
geschrieben von pilli
nicht nur kritik als rundumschlag verteilen; sondern auch das eigene tun öffentlich kritisch betrachten; das können nur wenige...Reich Ranitzki konnte:

"Gibt es im 'Quartett' ordentliche Analysen literarischer Werke?
Nein, niemals.
Wird hier vereinfacht?
Unentwegt.
Ist das Ergebnis oberflächlich?
Es ist sogar sehr oberflächlich."


"Wir werden über Bücher sprechen, und zwar, wie wir immer sprechen:
liebevoll und etwas gemein,
gütig und vielleicht ein bisschen bösartig,
aber auf jeden Fall sehr klar und deutlich.
Denn die Deutlichkeit ist die Höflichkeit der Kritiker."


Literatur allgemein verständlich und zugleich unterhaltend zu präsentieren...das medium entertainment als wirkungsvolles werkzeug einsetzen, auch das konnte der Literaturpapst vortrefflich:

genial, wie er im interview mit Harald Schmidt menschen aus seiner sicht beschreibt. die einen müssen auf die bühne und zwingen sich selbst unermüdlich aktiv zu sein; aber nix bleibt, dass es lohnenswert sei, sich daran zu erinnern und die anderen tun nix und gewinnen. auch das verhältnis mit seinen zahlreichen feinden sah er sehr entspannt; weil er sie ertragen konne, die feinde...und zur eigenen unterhaltung nutzte



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pilli
Re: Marcel Reich-Ranicki ist tot!
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf pilli vom 18.09.2013, 23:47:17
.
reich-ranicki mag man oder man mag ihn nicht,
total gleichgültig lässt er aber niemanden.
wenn ich ihn sah oder hörte, "hing ich an seinen lippen".

so wurde es auch eine sehr lange suche auf you tube,
eine suche, die mir viel freude machte,
die mich aber auch nachdenklich stimmte.

endlich hatte ich mein video gefunden, gleich zwei zusammen,
deren fan ich bin: reich ranicki & harald schmidt!
da wartete auf mich eine bittere pille: pilli war schneller.

wenn ihr noch eine halbe minute zeit habt:
der temperamentvolle ranicki stand mit dem tv ja ein wenig auf kriegsfuss.

viele werden ranicki (auch) so in erinnerung behalten.

margarit
.
miriam
miriam
Mitglied

Re: Marcel Reich-Ranicki ist tot!
geschrieben von miriam
Uwe Wittstock ist der Biograph von Marcel Reich-Ranicki.

Hier erst einmal der Hinweis auf sein Buch:

"Marcel Reich-Ranicki: Geschichte eines Lebens"
Pantheon 2006
ISBN-13: 978-3570550106

Gestern hat Wittstock im Rahmen der Sendung Kulturzeit (3sat), der Journalistin Tina Mendelsohn, einige Fragen zur Person bzw. zum großen Literaturkenner Marcel Reich-Ranicki beantwortet.

Bitte rechts auf der Seite, auf Mediathek klicken.


Miriam

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