Forum Kunst und Literatur Literatur Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute - am 9.10. - z.B. an:

Literatur Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute - am 9.10. - z.B. an:

longtime
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Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an Fritz Mauthner
geschrieben von longtime
als Antwort auf enigma vom 21.11.2009, 14:12:34
Fritz Mauthner (22.11.1849 in Horitz/Böhmen - gestorben am 29.6.1923 in Meersburg) gehört heute nicht mehr zu den häufig gelesenen Feuilletonisten, Philosophen oder Sprachkritikern.

Nachdem der Sohn eines deutsch-jüdischen Webereibesitzers das Jurastudium abgebrochen hatte und eine Anstellung in einer Kanzlei nur kurz dauerte, entschloß er sich um 1876, freier Schriftsteller zu werden.

Trotzdem stehen unter den vielen Stichwörtern, die in seinem dreibändigen Werk „Wörterbuch der Philosophie“ stehen, wichtige Texte.

Hier ausgewählt:
In einer Zeit, als die Schulromane von den wichtigsten Autoren (Thomas Mann, Brecht, Hesse…) entstanden, schrieb er dieses Stichwort:

Fritz Mauthner: Schule

(Aus »Wörterbuch der Philosophie«, 1910/11. Teil I)

Mit einem seiner vielen berückenden und verrückenden Wortspiele hat Nietzsche im Zarathustra (Von alten und neuen Tafeln 12) unbewußt das Geheimnis verraten, weshalb die prächtige Pädagogik der Jahrhunderte seit Comenius und insbesondere die preisenswerte Pädagogik der letzten Jahrzehnte wesentlich unfruchtbar geblieben ist. »Euer Kinder Land sollt ihr lieben: diese Liebe sei euer neuer Adel, – das unentdeckte, im fernsten Meere! Nach ihm heiße ich euere Segel suchen und suchen! An euern Kindern sollt ihr gutmachen, daß ihr euerer Väter Kinder seid: alles Vergangene sollt ihr so erlösen!«
Euerer Kinder Land, das heißt doch wohl: die künftige Gestaltung der Gesellschaft sollt ihr lieben. Nirgends steht geschrieben, auch nicht in den zehn Geboten, nirgends als im Evangelium: liebet eure Kinder. Alle Reformatoren der Pädagogik glaubten die Kinder lieb zu haben; aber alle waren sie ruchlose Weltverbesserer, ruchlose Optimisten, welche die Kinder irgend einer Zucht unterwarfen, die Schule zum Zuchthaus machten um der Zukunft willen, um einer Utopie willen, um der Kinder Land nach ihrer eigenen Phantasie zu gestalten. Ob vaterlandslos oder kosmopolitisch wie Pestalozzi, ob vaterländisch wie Fichte, ob kirchlich wie die Jesuiten und die Pietisten, ob antikirchlich wie die Prediger der freien Gemeinden, alle diese Kinderfreunde wurden zu Kindermördern, so edle Menschen sie waren, weil sie Weltverbesserer waren, weil ihnen der Kinder zukünftiges Land wertvoller dünkte als des Kindes gegenwärtiges Glück. Auch der Staat hatte keine böse Absicht dabei, da er die Schule, auf die er so stolz ist, so einrichtete, daß sie dem alten Moloch ähnlicher geworden ist als einem Kindergarten. Ob die Kinder für einen unbekannten Gott verbrannt werden, oder ob sie für eine unbekannte Zukunft sieben bis siebzehn Jahre gemartert werden, es ist die gleiche Verirrung.
Eine solche Erbitterung gegen unsere Schule, wie sie ist, mag in den letzten Jahrzehnten oft genug zum Ausdrucke gekommen sein; der Eintritt der Frauen in die historisch gewordenen Bildungsanstalten, das instinktiv stärkere Mitleid der Frau mit den Leiden eines Kindes, der unhistorische Gang der Frauenbildung mag solche Ausbrüche besonders veranlaßt und gefördert haben. Ich meine aber, daß das ganze Elend, der ganze Jammer unseres Schülermartyriums nicht begriffen ist, solange man noch über so kleine Fragen streitet wie: kirchliche oder staatliche Aufsicht, Gymnasium oder Realschule. Der Staat peinigt die Kinder in der Volksschule nicht minder als die Kirche, französische und englische Grammatik kann ebenso blödsinnig vorgetragen werden wie lateinische und griechische Grammatik. Auch mit der besseren Besoldung der Lehrer ist es nicht getan. Die Lehrer an den Volks-, Mittel- und Hochschulen sind Menschen und keine Engel; es gibt unter ihnen alle Zwischenstufen vom Adelsmenschen bis zum Schuft. Aber im Durchschnitt sind sie tüchtige, opferfreudige Leute; und sind sie's nicht im Durchschnitt, so sind's doch ihrer viele, oder auch einige. Nur die obersten Behörden tragen die Schuld an dem Elend der Schule, nicht die Lehrer. Die stehen unter der Fuchtel, die von ihnen verlangt, daß sie aus jedem Schüler die Durchschnittsleistung herauspressen. So können Durchschnittslehrer zu Kinderschindern werden, wie unter einer ähnlichen Fuchtel mittelgute Unteroffiziere zu Soldatenschindern. Der Staat will wirklich Kinder und Soldaten nicht zum Selbstmorde treiben; er tut es nur. (…)

**

Zu Mauthners Leben und Werk:




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longtime
enigma
enigma
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Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an Fritz Mauthner
geschrieben von enigma
als Antwort auf longtime vom 22.11.2009, 09:24:38
Hallo Longtime,

Von Mauthner kannte ich überhaupt nichts, außer, dass ich seinen Namen schon mal gelesen hatte.
Jetzt weiß ich wenigstens etwas mehr.
Weiß Du auch, was aus der Tochter Grete Mauthner geworden ist?

*

Heute möchte ich erinnern an Erich Fried, den Lyriker, Übersetzer und Essayisten, geboren am 6. Mai 1921 in Wien, verstorben am 22. November 1988 in Baden-Baden.

Ich kenne von Fried ausschließlich einen Teil seiner Lyrik und besitze auch nur ein DTV-Bändchen mit Gedichten von ihm. Aber da gucke ich oft mal rein. Und was ich lese, gefällt mir immer wieder.

Zu meinem Erstaunen - wegen der noch bestehenden Urheberrechte - habe ich eine umfangreiche Seite mit Hinweisen auf seine Gedichte gefunden. Ich weiß nicht, ob alle Links funktionieren, aber einige habe ich probiert. Mit denen klappte es, dass auch die Texte der Gedichte erschienen.
Hier der Gedichtindex:
Eine Textcollage zum 15. Todestag von Erich Fried (das muss dann 2003 gewesen sein) zeigt vielleicht auch ein interessantes Bild, wie ihn Freunde, Verleger oder Kollegen gesehen haben.
Hier diese Collage mit dem Titel Ein gebrauchter Dichter.


Eine Kurzbiografie von Erich Fried - Linktipp!


Gruß


--
enigma
miriam
miriam
Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an Fritz Mauthner
geschrieben von miriam
als Antwort auf enigma vom 22.11.2009, 12:19:27
Hallo Enigma,

nun hatte ich auch einen Beitrag über Erich Fried geschrieben - wie so oft verschwand er ins Nirvana als ich ihn abschickte.

Zum Teil hatte ich ihn kopiert - leider nur zum Teil, danach habe ich dem System vertraut - was man anscheinend nicht machen sollte.

Den kopierten Teil setze ich - trotz deines Beitrags - hier ein:

Longtime, da habe ich mit mir gewettet wen du heute hier ein kleines Denkmal setzten wirst – und was machst du?
Du schreibst über einen Philosophen bzw. Feuilletonisten bei dem ich wieder mal mit meiner halbwegs-Büldung konfrontiert werde!

Gut – nun bleibt mir nix anderes übrig, als mich für einen der zahlreichen anderen Namen die es ausgerechnet heute in die Welt oder aber in den Himmel drängte, mich zu entscheiden.

Es stünden zur Wahl: Aldous Huxley, John F. Kennedy, Jack London (deren Todestag sich heute jährt), André Gide, Charles de Gaulle, Benjamin Britten, Boris Becker - um nur einige zu nennen, die alle an einem 22. Nov. zur Welt kamen.

Und da es so bedeutende Namen sind, habe ich vom Umstand, dass sie nicht alle Schriftsteller waren, abgesehen.
Sie haben sicherlich auch Bedeutendes geschrieben - der General hielt sich sogar selbst für so bedeutend, dass er in seinen Memoiren über sich nur in der dritten Person schreibt!
Und von Boris Becker erwarte ich noch so etwas wie "Memoiren aus der Besenkammer"-

Ich aber habe mich für Erich Fried entschlossen, geboren am 6. Mai 1921 in Wien, gestorben am 22. November 1988 in Baden-Baden. (Wenigstens eine Gemeinsamkeit zwischen Erich Fried und mir: der Geburtstag - nicht aber das Jahr!)

Erich Fried stammt aus einer jüdischen Familie - im Jahr 1938 werden Frieds Eltern verhaftet. Sein Vater wird beim Gestapo-Verhör zu Tode getreten, die Grossmutter später in Auschwitz ermordet.

Erich, gerade mal 17 Jahre alt, flieht nach London ins Exil. In London betätigte er sich als Journalist für einige Zeitschriften - bzw. arbeitet beim BBC für den "German service".

Nach dem Krieg wählt Erich Fried London als entgültigen Wohnsitz - und entscheidet sich erst ab dem Jahr 1953 Deutschland aufzusuchen, später auch Österreich.

Ab 1968 widmet sich Erich Fried nur noch seiner schriftstellerischen Tätigkeit - und hintelässt ein umfangreiches und vielseitiges Werk:

- Ein Soldat und ein Mädchen 1960
- Reich der Steine 1963
- Warngedichte 1964
- Überlegungen 1964
- Kinder und Narren 1965
- und Vietnam und 1966
- Anfechtungen 1967
- Die Beine der größten Lügen 1969
- Unter Nebenfeinden 1970
- Die Freiheit den Mund aufzumachen 1972
- Höre Israel 1974
- So kam ich unter die Deutschen 1977
- 100 Gedichte ohne Vaterland 1978
- Liebesgedichte 1979
- Es ist was es ist 1983
- Um Klarheit 1985
- Mitunter sogar Lachen 1986

Einige der Gedichte - die Wahl fällt schwer, da ich sie alle so klug und schön finde:


Zu guter Letzt

Als Kind wusste ich:
Jeder Schmetterling
den ich rette
jede Schnecke
und jede Spinne
und jede Mücke
jeder Ohrwurm
und jeder Regenwurm
wird kommen und weinen
wenn ich begraben werde

Einmal von mir gerettet
muss keines mehr sterben
Alle werden sie kommen
zu meinem Begräbnis

Als ich dann groß wurde
erkannte ich:
Das ist Unsinn
Keines wird kommen
ich überlebe sie alle

Jetzt im Alter
frage ich: Wenn ich sie aber
rette bis ganz zuletzt
kommen vielleicht doch zwei oder drei?


Aber vielleicht

Meine großen Worte
werden mich nicht vor dem Tod schützen
und meine kleinen Worte
werden mich nicht vor dem Tod schützen
überhaupt kein Wort
und auch nicht das Schweigen zwischen
den großen und kleinen Worten
wird mich vor dem Tod schützen

Aber vielleicht
werden einige
von diesen Worten
und vielleicht
besonders die kleineren
oder auch nur das Schweigen
zwischen den Worten
einige vor dem Tod schützen
wenn ich tot bin



--
miriam

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enigma
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Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an Fritz Mauthner
geschrieben von enigma
als Antwort auf miriam vom 22.11.2009, 12:37:04
Hallo Miriam,

da hatten wir die gleiche Idee?
Das ist doch gut, dann ergänzen sich die Beiträge.


Ich hatte auch schon den Roman des von Dir erwähnten Aldous Huxley herausgelegt, um etwas über ihn einzustellen, habe dann aber auch Erich Fried gewählt.

Es ist auch schon so lange her, dass ich “Schöne Neue Welt” gelesen habe. Eigentlich hätte ich es komplett neu lesen müssen. Das ging aber auch nicht mehr.

Und darum stelle ich jetzt einen ganz kurzen Beitrag über Huxley ein, den ich gefunden habe und bei dem der Klappentext genau mit dem in meinem TB übereinstimmt, nur das Cover nicht, denn meine Ausgabe ist von 1987.
Hier also der Klappentext:

Interessant auch der Auszug aus dem Buch “Elementarteilchen” von Michel Houellebecq.
Und über die Behauptung, dass “Schöne Neue Welt” ursprünglich als positive Utopie intendiert gewesen sei, habe ich auch schon an anderer Stelle gelesen.

In “meinem” Klappentext steht noch etwas mehr, da ist offenbar die veränderte Sicht von Aldous Huxley bereits berücksichtigt.

Ich zitiere:
“Huxley schrieb dieses Buch Anfang der dreißiger Jahre. In seinem Essayband (Brave New World Revisited) konnte er seine Anti-Utopien an der inzwischen veränderten Welt messen. Er kommt darin zu dem Schluss: Sozialer und Technischer Fortschritt und verfeinerte Methoden der psychologischern Manipulation lassen erwarten, dass diese grausige Voraussage sich in einem Bruchteil der veranschlagten Zeitspanne verwirklichen werde.”

Und sind wir nicht wirklich auf dem Weg dahin?

Gruß


--
enigma
miriam
miriam
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Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an Fritz Mauthner
geschrieben von miriam
als Antwort auf enigma vom 22.11.2009, 13:30:54
Toll Enigma - so ist es dir zu verdanken, dass auch an Aldous Huxley hier erinnert wird.

Es ist schon merkwürdig wie meine Wahrnehmung betreffend Aldous Huxley sich im Laufe der Zeit verändert hat: erst mochte ich ihn nicht, da ich seine "Brave New World" irgendwie zu einer gehobenen Science-Fiction-Gattung zählte, später mochte ich ihn nicht, da er mir unheimlich wurde durch die Tatsache, dass seine vorausgesagten Tendenzen ansatzweise stimmten.

Im Grunde genommen geht es da um die Manipulationen des entstehenden Lebens, bei Huxley betrifft dies das Foetus, wir wissen aber, dass diese Versuche sogar das Erbgut betreffen könnten.

In etwa 50 Jahren wird vielleicht "Brave new World" nur ein naiver Vorausblick der Realität vielleicht noch sein.

Nun, um ein Missveständnis zu vermeiden: ich bin wohl für die Stammzellentherapie - nicht aber für die Manipulation des Erguts.

Liebe Grüße

Miriam

longtime
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Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an André Gide.
geschrieben von longtime
als Antwort auf miriam vom 22.11.2009, 14:07:28
Für den 22.11. trage ich noch nach:

André Gide.

Zeitzeichen vom wdr hat ein schönes Porträt heute gesendet; es ist auch als Podcast herunterzuladen.
S. Linktipp:

--
longtime

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longtime
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Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an ??
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 22.11.2009, 22:46:46
Bei den heute z. B. möglicherweise zu benennenden Autoren:

• Marcel Beyer (*23.11.1965 ),

• Paul Celan (*23.11.1920 - †01.05.1970), er wäre 89 Jahre alt geworden,

• Marieluise Fleißer (*23.11.1901 - †02.02.1974); sie wäre 108 Jahre alt geworden –

... werde ich mich erst heute Nachmittag festlegen.

Es gibt bestimmt noch andere Geburtstags- bzw. Ehrentag-PoetInnen.

Dank und Gruß an die fleißigen Mitschreiberinnen.

--
longtime
miriam
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Mitglied

Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an ??
geschrieben von miriam
als Antwort auf longtime vom 23.11.2009, 06:57:22
Schön Longtime, dass du uns erstmal die heutigen Jubilare nennst.

Das gibt mir die Gelegenheit den Wunsch zu äußern über Paul Celan einiges zu schreiben - kann es aber erst im Laufe des Tages tun.

Wobei über Celan so Vieles zu sagen ist, dass natürlich auch andere über ihm schreiben sollten oder können.

Bis später.

--
miriam

Es kann auch sein, dass ich zu André Gide noch einiges nachholen werde - bzw. zu seinem Le Prométhée mal enchaîné.
enigma
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Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an ??
geschrieben von enigma
als Antwort auf miriam vom 23.11.2009, 07:24:24
Ja, dann bin ich ja mal gespannt auf das, was im Laufe des Tages noch kommt.

Nachdem Ihr also jetzt Euren "Claim abgesteckt" habt, halte ich zunächst mal die Stellung und erinnere inzwischen an einen “Sonstigen”, den Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur und Maler Herbert Achternbusch, geboren am 23. November 1938 in München.

Achternbusch, Enfant Terrible der Avantgardistischen Filmszene, scheute keine Konfrontation und kannte kein Tabu-Thema, was ihm mehr als einmal Konflikte einbrachte.

Auch vor Angriffen auf Politiker und die Katholische Kirche machte er nicht halt.
So ließ er z.B. einen Dichter, der nach Grönland auswandern will, sagen: “In Bayern möchte ich nicht einmal gestorben sein” (Film “Servus Bayern“). Daraufhin wurden ihm die Fördergelder gesperrt.
Und in “Der Depp” ließ er sogar FJS im Hofbräuhaus vergiften.

Einen langjährigen Rechtsstreit gegen die Bundesrepublik Deutschland hat Achternbusch schließlich gewonnen.

Mit seiner Heimatstadt München verbindet ihn eine Art von Hassliebe.

In den letzten Jahren hört bzw. sieht man filmisch weniger von ihm. Sein letzter Film ist von 2002.
Aber er widmet sich seinen weiteren Talenten, wie dem Malen, der Bildhauerei, Theateraufführungen und dem Schreiben von Romanen.

Eine Würdigung zu dem 70. Geburtstag von Achternbusch ist beim Evangelischen Pressedienst zu finden, hier:

Und einen Podcast, ebenfalls zu seinem 70. Geburtstag, gibt es auch, verfasst von Josef Bierbichler in "Theater der Zeit", hier anzuhören.

Übrigens erhält Herbert Achternbusch den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor 2010, hier nachzulesen:

Tschüss - bis später!


--
enigma
miriam
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Re: Neueste Folge: Literaturfreunde denken heute z.B. an Paul Celan - oder ??
geschrieben von miriam
als Antwort auf enigma vom 23.11.2009, 09:20:51
Ein schweres Thema wenn man so möchte, weil man beim Thema Paul Celan so viele Möglichkeiten der Annäherung hat.
Wobei Annäherung vielleicht doch der falsche Ausdruck bleibt: wenn man glaubt ihn endlich begriffen zu haben, stellt man sehr bald fest, dass unter dem Erfassten noch Viel-Schichtiges sich verbirgt.

Ich versuche es heute Mal mich etwas einfacher dem Thema anzunähern – Bert Brecht soll den Anfang machen, da ihm Paul Celan eine so schöne Antwort auf seine Verse gibt:

Berthold Brecht:

An die Nachgeborenen

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?


Darauf lautet die Antwort von Paul Celan :

Ein Blatt, baumlos
für Bertolt Brecht

Was sind das für Zeiten,
wo ein Gespräch
beinah ein Verbrechen ist,
weil es soviel Gesagtes
mit einschließt?

Paul Celan


Irgendwann las ich auch, dass es die vielen Metaphern sind die die Texte von Paul Celan schwer erfassbar machen. Doch Bilder (insofern die Metapher darauf aufgebaut ist), sind bloß ein anderes Transportmittel, vielleicht nicht jedermanns Vehikel.
Aber für diejenigen, die sowieso in Bildern "denken" - denken? Nein, eher nachempfinden - ja, für die ist die Metapher eher ein "Sesam öffne Dich..." Eines aber stimmt: Bilder sind viel individueller interpretierbar.

Für mich ist Paul Celan einer derer, die dies beweisen. Aber man muss seine Sprache, seine Bilder, be-greifen, nach-empfinden; dies ist, denke ich, der Schlüssel zu seinem Werk.

Paul Celan wurde in Czernowitz als einziges Kind einer jüdischen Familie geboren. (Bukowina – gehörte damals zu Rumänien).

Er besuchte erst die deutsche Schule, es folgte danach eine hebräische Schule, nach dieser ein rumänisches Gymnasium – danach wechselte er in ein ukrainisches Gymnasium welches Celan mit dem Abitur beendete.

Bukowina (damit auch ihre Bewohner), hatte eine sehr dramatische Geschichte, 1940 wurde der nördliche Teil Bukowinas und auch Czernowitz von der Sowjetunion besetzt, im Jahr 1941 von Deutsch-Rumänischen Truppen eingenommen.
Die Eltern Paul Celans wurden im Jahr 1942 nach Transnistrien deportiert – der Vater starb an Typhus, die Mutter wurde erschossen.
Paul Celan wurde zur Zwangsarbeit in verschiedenen Arbeitslagern deportiert - die Befreiung Bukowinas erfolgte – wie auch für ganz Rumänien – am 23.August 1944.
Paul Celan studierte eine zeitlang in Czernowitz Romanistik, gelang dann über Umwege im Jahr 1948 nach Paris.

Hier setze ich eine kleine Pause ein – entschuldige mich jetzt schon, dass es mir nicht gelingt mich über Paul Celan kürzer zu fassen.

Fortsetzung folgt – Ihr könnt natürlich während meiner kreativen Pause(!) in diesem Thread weiterschreiben.

Im eingesetztem Link liest Paul Celan einige seiner Gedichte vor.

--
miriam

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