Forum Kunst und Literatur Musik Wer kennt noch echte Volksmusik?

Musik Wer kennt noch echte Volksmusik?

pilli
pilli
Mitglied

vom volkslied zum weltschlager...
geschrieben von pilli
als Antwort auf luchs35 vom 25.09.2008, 07:27:05
sicherlich werden viele das "Friesenlied - Wo die Nordseewellen trekken an den Strand" kennen? :

Die wenigsten wissen, dass die eigentliche Dichterin die Ostseewellen meinte. Noch weniger kennen den Namen der Verfasserin: Martha Müller-Grählert.

In Zingst aufgewachsen schrieb sie vor Heimweh ein Gedicht, das unter der Überschrift: "Mine Heimat" 1907 zum ersten Mal in den "Meggendorfer Blättern" veröffentlicht wurde.

In Zürich vom Thüringer Simon Krannig vertont, vom Soltauer Verleger Peter Fischer-Friesenhausen in seine endgültige Form gebracht, entwickelte sich das Lied schnell zum Weltschlager.

Martha Müller-Grählert profitierte nicht von dem Erfolg ihres Gedichtes. Erst nach langjährigem Prozessieren wurden 1936 ihr und dem Komponisten die Urheberrechte zugesprochen. Der damit verbundene finanzielle Ausgleich kam für sie jedoch zu spät.

Manche Regionen schrieben das Lied in ihrer benötigten Version um: die Friesen besingen die Nordseewellen, die Ostpreußen die Haffes Wellen. Im Fassatal, fernab von Wasser und Wellen, heißt es sogar "Wo die Wiesen sind mit Blumen übersät".

Heute trecken die Wellen durch ganz Europa, ja sogar durch die ganze Welt. Das Lied erklingt in Amerika, Kanada, als Rumba verfremdet in Brasilien, Afrika und Australien.

geschrieben von www.ostsee.de


http://up.picr.de/1339313.jpg[/img]


Wo de Ostseewellen trecken an den Strand,
Wo de gele Ginster bleuht in´n Dünensand,
Wo de Möwen schriegen, grell in´t Stormgebrus, -
Da is mine Heimat, da bün ick tau Hus.
Well- und Wogenrunschen, wir min Weigenlied,
Un de hogen Dünen, seg´n min Kinnertied,
Seg´n uch mine Sehnsucht, un min heit Begehr,
In de Welt tau fleigen öwer Land un Meer.

Woll het mi dat Leben dit Verlangen stillt,
Het mi allens geben, wat min Herz erfüllt,
Allens is verswunden, wat mi quält un drew,
Hev nu Frieden funden, doch de Sehnsucht blew.
Sehnsucht na dat lütte, stille Inselland,
Wo de Wellen trecken an den witten Strand,
Wo de Möwen schriegen grell in´t Stormgebrus, -
Denn da is min Heimat, da bün ick tau Hus.

...

lange habe ich gesucht im netz, die originalfassung zu finden, leider, bis auf eine kurze hörprobe, ergebnislos; darum [i]trekken
im link die Nordseewellen.


--
pilli
Linta
Linta
Mitglied

Re: vom volkslied zum weltschlager...
geschrieben von Linta
als Antwort auf pilli vom 25.09.2008, 11:50:59


Es waren die Ostseewellen gemeint die auf die Insel
Fischland-Darß spülten.

Insel Fischland, eine traumhafte Insel, eines der
reinsten Urlaubsgebiete überhaupt, wo man vieles
über die Heimatdichterin Martha M.G. finden kann.

Bin neulich noch ein Wochenende dort gewesen.

n.
pilli
pilli
Mitglied

volkslieder
geschrieben von pilli
als Antwort auf Linta vom 25.09.2008, 12:28:40
das urlaubsgebiet Fischland-Darss habe ich in guter erinnerung von einem ferienaufenthalt in Prerow im jahr nach der maueröffnung. wir hatten eines der Kapitänshäuser gleich am strand gemietet und von dort aus zu fuß mit boot und per rad sehenswertes erkundet: leuchtturm, einsame wasserwege und nicht zu vergessen, die zahlreichen buntbemalten haustüren; aber auch die ferien-bungalow-siedlung von Honnecker und seinen sicherlich gut ausgewählten getreuen mitarbeitern;

wie mag es wohl heute dort aussehen, nachdem die halbinsel touristisch erschlossen ist?

...

ein weiteres beispiel für das verschmelzen von texten in einem volkslied zu unterschiedlichen zeiten, möchte ich nennen:

"Es dunkelt schon in der Heide"

Es dunkelt schon in der Heide
Nach Hause laßt uns gehn
Wir haben das Korn geschnitten
Mit unserm blanken Schwert.

Ich hörte die Sichel rauschen,
Sie rauschte durch das Korn;
Ich hört' mein Feinslieb klagen,
Sie hätt' ihr Lieb verlor'n.

Hast du dein Lieb verloren,
So hab' ich noch das mein'.
So wollen wir beide mit'nander
Uns winden ein Kränzelein.

Ein Kränzelein von Rosen,
Ein Sträußelein von Klee.
Zu Frankfurt auf der Brücke,
Da liegt ein tiefer Schnee.

Der Schnee, der ist zerschmolzen,
Das Wasser läuft dahin;
Kommst du mir aus den Augen,
Kommst mir aus meinem Sinn.

In meines Vaters Garten,
Da stehn zwei Bäumelein;
Das eine, das trägt Muskaten
Das andere Braunnägelein.

Muskaten, die sind süße,
Braunnägelein sind schön;
Wir beide müssen uns scheiden,
Ja scheiden, das tut weh


...

hierzu fand ich die information, dass die 1. und 2. strophe aus einem volkslied aus Westfalen (1810) stammt und später dann (1860) die 1. - 7. strophe aus Pommern bekannt ist; 1911 wurde es dan zur

Volksweise

aus Ostpreussen.

siehe auch hierzu, mit der gleichen melodie gesungen:

Ich hört ein Sichlein rauschen
Ich hört ein Sichlein rauschen
Wohl rauschen durch das Korn,
Ich hört ein Mägdlein klagen,
Sie hätt´ ihr Lieb verlorn.

Lass rauschen, Lieb, lass rauschen,
Ich acht nicht, wie es geh,
Ich tät mein Lieb vertauschen
In Veiel und grünem Klee.

Hast du ein Buhlen erworben
In Veil und grünem Klee,
So steh ich hier alleine,
Tut meinem Herzen weh.
(Des Knaben Wunderhorn)


--
pilli

Anzeige

Linta
Linta
Mitglied

Re: volkslieder
geschrieben von Linta
als Antwort auf pilli vom 25.09.2008, 14:08:52


Off Topic

Es gibt sie noch.

Viele alte Türen wurden restauriert, aber auch neue nach
alten Mustern hergestellt.

Es lohnt sich, einen Urlaub dort zu machen......

n.
niederrhein
niederrhein
Mitglied

Zum Volksklied - Noch eine Ergänzung
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf Linta vom 25.09.2008, 12:28:40
(Ohne Bezug zum aufgegriffenen Artikel - Frau Ninna wird verzeihen!)


Passend zur Diskussion zum Thema Volksmusik/Volkslied hier ein Artikel/ eine Rezension aus der Samstagausgabe der FAZ (27.09.2008)


Die Deutschen singen wieder - Lasst euch ruhig nieder!

Der Eichelhäher mit Tüll im Nacken ist schon mal ein dolles Entree. Weiß der Geier, wie der Fotograf das hingekriegt hat. Die Äuglein glänzen erwar-tungsfroh: Der Vogel will ja Hochzeit machen. Lau-ter Bilderkalauer ziehen sich durch das Beiheft des Albums „Lied: gut! Die schönsten deutschen Volkslieder“, die das Leipziger Calmus Ensemble jetzt in der „edition chrismon“ herausgebracht hat (zu beziehen über www.calmus.de). Da klappert die Kaffeemühle am rauschenden Bach, Buche mit Feder-ballschläger droht: „Der Mai ist gekommen.“ Volk, mach dich locker! Dein Gesang ist vermurkst, nicht erst seit dem Nationalsozialismus.
Als Joseph Eichendorff seine Erinnerungen „Halle und Heidelberg“ über die dortige Studienzeit niederschrieb, grauste es ihn bereits vor dem bierseligen Vereinsgegröle der Deutschen und ihrer wunderlich komponierten Vaterländerei, die mit keinen gewachsenen Traditionen zu tun hatte, nur ein aggressiver Gegenentwurf zur Moderne war, zum scheinbar Fremden, als „abstrakte Deutschtümelei“. Das Volk will aber singen. Wer einmal im „Dasch-Salon“ war, zu dem die Sopranistin gleichen Namens regelmäßig ins Berliner Radialsystem lädt, kennt die Begeisterung des Publikums, wenn es mitsingen soll: Pfadfinder- oder Barocklieder zur Gitarre. Auch wer 1968 rebellisch war und noch heute mit offenem Hemd herumläuft, sich aber vor Landsmannschaft und Kirche gleichermaßen fürchtet, singt da lauthals mit: Endlich dürfen wir wieder! Volk unter vierzig dagegen, in seinen bildungsnahen Schichten inzwischen scharenweise in die Kirchen zurückgekehrt, kennt diese Verklemmungen nicht. Reinhard Mawick, Produzent der „edition chrismon“, verkörpert selbst solch ein junges, lebensfrohes, kulturell aktives Christentum, das auch als Triebkraft hinter dieser CD steht. Die fünf Mitglieder des Calmus Ensembles sind alle um die dreißig, sie haben im klassischen Gesang ebenso Erfahrung wie im Jazz und im Folk. Die Lied-Arrangements orientieren sich daran: Zungenschnalzen und ein kehliges „Gung-Gung“ als Schlagzeugimitation gehören ebenso zum Repertoire wie das kollektive Gutenachtkuss-Schmatzen (in der „Vogelhochzeit“) oder das Kichern der Hasen (die den Jäger „längs dem Weiher“ narren). „Ännchen von Tharau“ gibt es schlicht im klassischen Silcher-Satz und „Innsbruck, ich muss dich lassen“ streng nach Heinrich Isaak.
Die Ensemblemitglieder Sebastian Krause und Ludwig Böhme haben eigene Arrangements beigesteuert und sich bei „Schwesterlein“, „Sandmännchen“ und „Guten Abend, gut’ Nacht“ eng an Johannes Brahms angelehnt, was beim Volkslied doch noch immer die beste Referenz ist. Am Ende gibt es einen interaktiven Teil mit den zehn beliebtesten Volksliedern zum Mitsingen. Das Magazin „chrismon“ hat diese Liste in einer Umfrage ermittelt, an der sich dreitausend Leute beteiligten. Vom ersten Tag an setzte sich „Der Mond ist aufgegangen“ an die Spitze, er konnte diesen Vorsprung auf über zweihundert Stimmen ausbauen. Daraus ist zu schließen: Deutsche Sangeslust munkelt gern im Dunkeln, und das ganze Gerassel mit dem „Platz an der Sonne“ 1914 war vermutlich ein fataler Irrtum. Danke, „Lied: gut!“ für die fröhliche Aufklärung.

Jan Brachmann
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.09.2008 Seite 36


Ohne jeden Kommentar; nur hineingestellt von ...

Die Bertha
vom Niederrhein

(in der Hoffnung, den einen oder die andere interessiert die kleine Rezension)

Hier findet sich eine Klangprobe!
luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Zum Volksklied - Noch eine Ergänzung
geschrieben von luchs35
als Antwort auf niederrhein vom 26.09.2008, 22:35:57
Ob sich in Deutschland und von Deutschen mal etwas findet, dass nicht Hohn und Spott auslöst? Damit ist nicht die sogenannte Deutschtümelei angesprochen, sondern vieles, das im Wesenskern des Volkes entspringt..

Nur noch ein kleines Beispiel: "Song of Joy" zu deutsch "Hymne an die Freude" , dieses grossartige Werk von Beethoven (9. Symphonie) nach den Text von Schiller.
Die meisten Leute, die den "Freudensong" mitjaulen wissen noch nicht einmal, woher er im Ursprung stammt. Einzelne Menschen, die sich gegen die Verhunzung der Hymne wehrten, wurden sogar als Nazis und Klassikfanatiker angepöbelt. Heute wird nur noch geschwiegen, wenn wieder ein Klassiker als "Ohrwurm" präsentiert wird!

Wenn man im Ausland lebt und erlebt, wie zwanglos ohne Verhunzung und Gespotte dort mit kulturellen Werten umgegangen wird, schaut fassungslos nach Deutschland, wo um Himmelswillen nichts von alten Traditionen übrig bleiben darf.
Alte Traditionen - sei es in der Musik oder der Dichtung - müssen selbstverständlich nicht Jedermanns Geschmack sein und vor allem junge Menschen gehen da ihre eigenen Wege. Aber wenigstens sollte man ihnen nicht das Wissen um den Ursprung vorenthalten. Im gesetzteren Alter werden sie es zu schätzen wissen.

Auweia- jetzt bekomme ich einiges auf den Deckel!!
--
luchsi35

Anzeige

Linta
Linta
Mitglied

Re: Zum Volksklied - Noch eine Ergänzung
geschrieben von Linta
als Antwort auf luchs35 vom 27.09.2008, 09:39:22

Auweia- jetzt bekomme ich einiges auf den Deckel!! Aber ich empfinde es einfach so, und ich weiss, dass ich da nicht allein bin.


Luchsi,

Du bekommst keins auf den Deckel, zumindest nicht von mir.

Innerhalb meiner Familie wurde und wird Tradition sehr
gewahrt, ebenso wird Brauchtum ganz gross geschrieben , aber auch allem Neuen zeigen wir uns neugierig und aufgeschlossen....

ninna

Anzeige