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Plaudereien Wie wichtig sind Märchen für Kinder?

pippa
pippa
Mitglied

RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von pippa
als Antwort auf mane vom 19.12.2017, 23:14:58
Wenn mir in meiner Kindheit alles so wenig geschadet hätte wie das Lesen von Märchen, hätte ich gewiss einleichteres Leben gehabt.
Pippa
Liebe Pippa,

ich erinnere mich an "das Kind", das gerade mal 5 Jahre alt war, als es mit der Mutter aus der Heimat fliehen musste und dabei den Schüssen, die aus den Tieffliegern abgeschossen wurden, ausgesetzt war. Das verfolgte das Kind lange in seinen Träumen. Es hat dir gut getan, deine Erlebnisse niederzuschreiben und dich ein Stück weit davon zu befreien.
Mane







 
geschrieben von mane
Danke, liebe Mane, dass Du Dich daran erinnerst. Ich habe damals dieses eine Mal darüber geschrieben,  es dann nie mehr gelesen und will auch nie wieder davon schreiben. Doch Du hast völlig recht, danach ging es mir besser. So weit ich mich erinnere habe ich das Ende des Krieges aus meiner Sicht beschrieben. Ein paar Wochen später war die Kapitulation und wir sind zu Fuß nach Hause gelaufen. Vielleicht wurde ja damals der Grundstein für meine ewige Lauferei gelegt, denn noch heute habe ich keine Schwierigkeiten 30 km zurückzulegen.
Imselben Jahr muss die Hänsel und Gretel Aufführung stattgefunden haben, bei der ich keine Grausamkeit registrierte, nur die goldene Himmelsleiter, von der die 14 Engel herbastiegen und die ich immer noch vor meinen Augen habe. Herz
Liebe adventliche Grüße
Pippa


 
mane
mane
Mitglied

RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von mane
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.12.2017, 00:18:27

Liebe Tine,

ich freue mich, dich hier zu lesen.

Deine Worte teile ich. Ich habe einige Bücher von Sabine Bode gelesen, u.a. auch das Kriegskinder- und Kriegsenkelbuch. Menschen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebten, sind mittlerweile über 70 Jahre alt. Oft kommen, besonders wenn sie diese Zeit als Kinder erlebten, mit dem Rentenalter verdrängte, unverarbeitete Kriegserlebnisse wieder hoch. Sabine Bode macht deutlich, wie Kinder durch die Erlebnisse des Krieges und der Nachkriegszeit, durch das Erleben extremer Angst, Hoffnungslosigkeit und Hunger traumatisiert worden sind und welchen Einfluss das auf das spätere Leben hatte, besonders, weil das Thema lange gesellschaftlich tabuisiert war.

Einen Austausch über PN darüber, können wir gerne führen. Lieber wäre es mir jedoch, dies im offenen Forum zu tun, da dort eine breitere Meinungsvielfalt zu lesen wäre. Ich kann jedoch verstehen, dass, wenn dir das Thema zu nahe geht, dies nicht möglich ist. Dann treffen wir uns eben im privaten Bereich.

Zitat von Tine:
Ich forsche gerade in meinem Bücherreagel nach einem Buch, das die Archetypen erklärt, die sich in Märchen repräsentieren. Darüber später mehr. 
 

Ich bin gespannt, was du darüber schreiben wirst.

Was hältst du und andere, die hier lesen, von der Aussage von Jorge Bucay, einem argentinischen Psychiater und Geschichtenerzähler: "Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen - Erwachsenen, damit sie aufwachen"?

Gruß Mane
olga64
olga64
Mitglied

RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 20.12.2017, 13:06:48

Ich habe auch Bücher von Sabine Bode gelesen,die mir gut gefielen. Ich nehme aber an,dass sie mit diesem Themenkreis auch desghalb  erfolgreich ist, weil sie einen bestimmten LeserInnen-Kreis anspricht, der denkt, sie hätten bis heute als Nachkriegskinder unverarbeitete Traumata. Damit hat sie als gelernte Journalistin natürlich eine "Marktlücke" gefunden, die aber irgendwann nicht mehr für weitere Bücher ausreichen wird, weil der betroffene LeserInnen-Kreis aussterben wird


Die Autorin ist 1947 geboren, als der Krieg also vorbei war. Ich bin 1944 geboren und weiss nur das, was man mir hinterher erzählte (bei der Autorin Bode dürfte es ja genau so gewesen sein).
. Als ich erwachsener wurde, habe ich dies nicht in mein Leben integriert, weil ich allmählich auch die geschichtlichen Zusammenhänge kapiert hatte und mich durch ein "Trauma-Leiden" wohl etwas geschämt hätte. ES gab ja weltweit Millionen Menschen,die unschuldiger als wir Deutschen von diesen Grausamkeiten betroffen waren. Wie haben die wohl überlebt?
Flucht war bei mir nicht gegeben; meine Mutter wurde sogar als sie mit mir schwanger war, ins ruhige Garmisch evakuiert, wo ich auch geboren wurde. In die Grossstadt München, die schwer zerstört und angegriffen wurde, kamen wir erst wieder 1946. Auch kann ich mich nicht an Hunger erinnern. Meine erste Erinnerung setzt ein als ca 1948 mein Nazivater aus dem Knast nach Hause kam. Das war hart, weil ich es nicht verstanden habe und es mir auch keiner erklärte, was dieser fremde Mann nun bei uns wollte.
Aber alles in allem zog ich später für mich das Fazit, dass ich widerstandsfähiger wurde als vermutlich heutige, junge und oft sehr verwöhnte Menschen. Das fand ich eigentlich bis heute auch als grosses Geschenk, weil es mir oft geholfen hat auch durch stürmische Zeiten mit Kraft zu marschieren.
Traumatischer war und ist für mich lebenslang, dass die Eltern in unserer GEneration so standhaft geschwiegen (oder gelogen?) haben ,wenn es um deren Rolle zu dieser menschenverachtenden Zeit geht. DAs hat vieles kaputtgemacht zwischen den Generationen. Olga


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mane
mane
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RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 20.12.2017, 16:28:56

Hallo Olga,

meiner Meinung nach, waren wir als Kinder  auch den Traumata unserer Eltern, die den Krieg miterlebten, ausgeliefert. Das hinterließ bei uns  Spuren, auch wenn wir zu der Zeit, als sie geschahen, noch gar nicht auf der Welt waren.

Ich schrieb jedoch über Kriegskinder, die nicht die Gelegenheit bekamen, ihre Erlebnisse aufzuarbeiten, weil niemand Zeit hatte für ihre Probleme und das Thema lange Zeit gesellschaftlich tabuisiert war. Sie mussten ihre Erfahrungen verdrängen oder für normal erklären. Sie hatten gelernt und vermittelten dies auch an ihre Kinder weiter:  „Sich nicht so anzustellen“ - dieser Spruch war allgegenwärtig. Aber viele ihrer Erlebnisse  waren außergewöhnlich und traumatisch. Und viele Folgen ihrer Traumata vererbten sie an ihre Kinder weiter.

Meinen Sie wirklich, dass Menschen, die als Kinder diesen Krieg erlebten oder auch jene, die in der Nachkriegszeit geboren wurden, nicht über das Leid, das sie erfahren haben, sprechen dürfen - weil wir Deutsche sind, deren Eltern/Großeltern anderen Menschen noch größeres Leid zugefügt haben oder es zuließen? 
Mane
 
schorsch
schorsch
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RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf mane vom 22.12.2017, 19:06:32

Ich denke, du sprichst da wahre Worte gelassen aus!

mane
mane
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RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von mane
als Antwort auf schorsch vom 23.12.2017, 12:12:07

Ich freue mich über deine Worte, lieber schorsch!

Jorge Bucay ist ein argentinische Psychiater und Geschichtenerzähler. Von ihm stammt das Buch Komm ich erzähl dir eine Geschichte . Auf dem Buchrücken steht der Satz:  "Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen - Erwachsenen, damit sie aufwachen"

Es handelt sich um kurze Geschichten, über die es sich lohnt nachzudenken. Zum Beispiel die folgende, die mir ausnehmend gut gefällt:
 



Der Elefant wurde als kleiner Junge festgekettet und immer wenn er versuchte, sich zu befreien, musste er irgendwann erschöpft aufgeben und es bildete sich bei ihm der Glaubenssatz, dass er einfach zu schwach ist, sich zu befreien. Dieser Glaube wirkte auch noch, als er bereits ein ausgewachsener und starker Elefant war, der lediglich von einem Holzpfahl gefangen gehalten wurde. Er hat nie wieder versucht, seine Kraft zu testen.
Mane
 

 

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Mitglied_69e81d4
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RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf mane vom 23.12.2017, 22:20:01

Liebe Mane, ich meld mich trotz aller Bedenken, die ich dir schon in einer PN schrieb, hier wieder zu Wort. und stelle einen Satz aus meiner Mail an dich hier rein
:

In irgendeinem Beitrag von Karl, ich weiss leider nicht mehr, wo der zu lesen war, gibt es ja einen Bezug zu einer Studie, die besagt, dass Traumata auch an Nachkommen genetisch weitergegeben werden. Ich bin überzeugt, dass das für die Nachkriegskinder der Fall ist. Und darüber zu sprechen, dazu noch mehr Studien zu machen, ist vielleicht besonders wichtig, weil ja in den heutigen Kriegsländern auch fortwährend furchtbare Traumata entstehen, deren Folgen auch die nächsten Generationen zu tragen haben werden. 

Îch denke nicht, dass wir Nachkiregskinder uns freuen können, dass wir unbeschadet nach 1945 geboren sind. Und schon gar nicht können wir uns stolz brüsten, dass wir das als Erwachsene dann selbstmächtig weggebracht haben. Im Gegenteil, ich finde es wichtig, dass wir die Elemente, die uns geprägt haben, erkennen und auch - als zwar eine traurige 'Mitgift'  -versuchen, zu verarbeiten. - Daraus entwickelt sich vielleicht  Empathie. Für uns und für Mitmenschen. Liebe Grüsse.............

Die Tine

schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.12.2017, 22:52:27

Ich zitiere sonst nicht gerne die Bibel. Aber ab und zu steht etwas drin, das auch ich als vernünftig und plausibel betrachte. Zum Beispiel: "Die Fehler der Väter werden sich rächen bis ins 3. und 4. Glied...", oder so ähnlich.

http://kath-zdw.ch/maria/texte/ahnenschuld.htm Die Fehler der Väter....

pschroed
pschroed
Mitglied

RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von pschroed
als Antwort auf mane vom 23.12.2017, 22:20:01

Liebe Mane.
Du hast ein wunderbares Beipiel von dem angeketteten Elefanten gebracht, es zeigt wirklich wie stark daß man sein muß um negative Erfahrungen oder Traumatas zu verarbeiten oder wenigsten zu verdrängen indem man sie durch positives ersetzt, es ist "nur" der sehr starke Glaube an sich selbst, sowie eine Immunität gegenüber dem Selbstmitleid. Selbstmitleid ist eine gewaltige negative Kraft welche einen Menschen immer wieder den Boden unter den Füssen wegreissen kann. 
Phil.


 

olga64
olga64
Mitglied

RE: Wie wichtig sind Märchen für Kinder?
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 22.12.2017, 19:06:32
 

Meinen Sie wirklich, dass Menschen, die als Kinder diesen Krieg erlebten oder auch jene, die in der Nachkriegszeit geboren wurden, nicht über das Leid, das sie erfahren haben, sprechen dürfen - weil wir Deutsche sind, deren Eltern/Großeltern anderen Menschen noch größeres Leid zugefügt haben oder es zuließen? 
Mane
 
geschrieben von mane
Natürlich kann jeder über alles sprechen, was ihn bewegt. Nur, was es bringen kann, wenn Leute nach fast 80 Jahren heute noch über einen Krieg sprechen, den sie selbst oft nicht miterlebt haben, bzw. zu klein waren, damit er noch in ihrem Gedächtnis auftaucht. Und sie werden ja sukzessive keine Gesprächspartner mehr finden, mit denen sie sich darüber unterhalten können (ihren Nachfahren haben sie es sicher in der lange nZeit oft und oft geschildert und die können es vermutlich gar nicht mehr hören, oder?)
Umgekehrt ist es auch diese Generation, die bei den Vorwürfen an uns Deutsche wegen der unsäglichen Gräueltaten der Nazis immer mehr fordern: "irgendwann soll Schluss sein mit diesen Vorwürfen". Wie passt das also zusammen?
Wenn es wirklich so sein sollte, dass Menschen ihre Traumata mit sich rumschleppen, basierend auf Schilderungen von Leuten, die das alles miterlebten, mag ich mir gar nicht vorstellen, was mit den Kindern aus Syrien und anderswo in Zukunft psychisch geschehen wird, die in ihrem jungen Leben bisher fast nichts anderes erlebten als Krieg, Bomben und Grausamkeiten. Olga

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