Forum Politik und Gesellschaft Religionen-Weltanschauungen Was bedeutet die "Freiheit des Willens"

Religionen-Weltanschauungen Was bedeutet die "Freiheit des Willens"

Karl
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Administrator

Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 16.01.2014, 16:46:03
Wenn aber das sog. "Unterbewusstsein" meine Handlung beeinflusst, dann merke ich das nicht, weil es sich eben nicht im Bewusstsein bemerkbar macht. Wir haben die Überzeugung, frei in unseren Entscheidungen zu sein, aber wir sehen unsere Handlungen immer nur in den Grenzen unseres Bewusstseins heraus. Was sich außerhalb dieser Grenzen abspielt, eben das sog. "Unterbewusstsein", das entzieht sich nicht nur unserem Einfluß, sondern sogar unserer Beobachtung. Wir können uns selbst nicht beim Denken zusehen.
geschrieben von det
Das ist gut beobachtet. In unserem Gehirn laufen die meisten Prozesse unbewusst ab.

Interessant in diesem Zusammenhang ist das Experiment von Libet (1993). Von den Freiburgern Hans H. Kornhuber und Lüder Deecke wurde im Pflüger's Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere (1965) 284, pp 1-17 ein Artikel "Hirnpotentialänderungen bei Willkürbewegungen und passiven Bewegungen des Menschen: Bereitschaftspotential und reafferente Potentiale" publiziert, der als ein Meilenstein für die wissenschaftliche Registrierung von Denkprozessen gelten kann. Es wird "eine Methode zur chronologischen Datenspeicherung und Rückwärtsanalyse hirnelektrischer Begleitvorgänge wiederholter Willkürbewegungen beim Menschen ... beschrieben." Es war die Geburtsstunde der Messung sogenannter Bereitschaftspotentiale.

[i]Vor Willkürbewegungen der Hand und des Fußes entsteht ein langsam ansteigendes oberflächen-negatives Hirnpotential von 10-15 μV, das Bereitschaftspotential genannt wird. [/indent]
Deutlich vor einer spontanen Fingerbewegung »sieht« man schon eine elektrische Aktivität am Kopf (= im Hirn, Elektroencephalogram, EEG). Das sind etwa 0,5 Sekunden. Benjamin Libet ( 1993) bestimmte dazu den «Moment» der bewussten Entscheidung: und der war eindeutig NACH dem Beginn des Bereitschaftspotentials.

Seine Versuchspersonen sollten ein rundes Ziffernblatt beobachten, auf dem ein roter Punkt rotierte. Zu dem Zeitpunkt, wo sie den bewussten Entschluss fassten, die Hand zu heben, sollten sie sich die Position des runden Punktes auf dem Ziffernblatt merken. Der Zeitpunkt dieser bewussten Entscheidung wurde dann in Beziehung zu dem gleichzeitig gemessenen EEG gesetzt.

Es war eindeutig: Aus dem elektrischen Potential des EEGs war bereits deutlich vor dem Zeitpunkt der bewussten Entscheidung vorherzusagen, wann die Handbewegung erfolgen würde.

Das heißt, selbst unsere als "frei empfundenen Entscheidungen" werden unbewusst vorbereitet. In meinen produktivsten Zeiten wurde ich oft nachts wach und die Lösung eines mich umtreibenden Problems vom Vortag war gelöst. Ich stand dann auf und schrieb sie auf, um sie nicht mehr zu vergessen. Wir denken auch im Schlaf.

Aber zu Deinem Satz
Was sich außerhalb dieser Grenzen abspielt, eben das sog. "Unterbewusstsein", das entzieht sich nicht nur unserem Einfluß, sondern sogar unserer Beobachtung.
geschrieben von det
noch die Anmerkung, dass der fehlende Einfluss noch zu hinterfragen wäre. Ich denke, wir können sehr viel dessen, was unbewusst abläuft, schon allein dadurch beeinflussen, dass wir versuchen, es uns bewusst zu machen. Wie zudem wollen wir denn "ich" definieren? Bin ich nur das, was bewusst ist, oder auch das, was unbewusst ist?

Man darf auf diesem Gebiet nicht erwarten, alle Antworten zu erhalten, aber allein die Fragen zu stellen, ist toll!

Karl
panda
panda
Mitglied

Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von panda
als Antwort auf Karl vom 16.01.2014, 21:59:22
So wie Willensfreiheit , gibt es ja auch die Gedankenfreiheit...

Wenn wir nun , in Zusammenhang mit der Suche nach der Lösung eines Problems , von der " Suchmaschine " des Unterbewußten " Lösungs-Gedanken " gesendet bekommen , so erscheint dies verständlich und sinnvoll....

Aber , jeder kennt auch dieses Phänomen : Ohne jeden Grund , oder Zusammenhang mit einem Problem , das uns beschäftigt , müssen wir in einer Phase auf einmal sehr häufig , oder auch einfach längere Zeit , an Etwas denken.
Wenn dies nun so wäre , daß Irgendwas ( ein Erwähnung , ein Bild , eine Musik , o.ä.) diese Gedanken " provoziert " hätte , wäre auch das verständlich , sowas kommt je dauernd vor.
Aber , wenn es eben , wie gesagt , ohne erkennbaren Grund , uns einige Zeit gedanklich " beschäftigt " ( " ich mußte in dieser Zeit dauernd an das und das denken , ohne , daß ich wußte , warum mir das in den Sinn gekommen war " ) ---- könnte es sein , daß da noch etwas Anderes im Spiel ist ? Etwas , was möglicherweise dann auch den Willen beeinflußen könnte ?
Was , weiß ich natürlich nicht , aber hätte jemand eine Idee ?
Crimmscher
Crimmscher
Mitglied

Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von Crimmscher
als Antwort auf panda vom 17.01.2014, 13:35:19
Inspiration vielleicht?

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panda
panda
Mitglied

Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von panda
als Antwort auf Crimmscher vom 17.01.2014, 16:02:08
o..k. , ....aber welcher " Spirit " ist das ?
Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 16.01.2014, 21:59:22
Das heißt, selbst unsere als "frei empfundenen Entscheidungen" werden unbewusst vorbereitet. In meinen produktivsten Zeiten wurde ich oft nachts wach und die Lösung eines mich umtreibenden Problems vom Vortag war gelöst. Ich stand dann auf und schrieb sie auf, um sie nicht mehr zu vergessen. Wir denken auch im Schlaf.
geschrieben von karl
Das sind m. E. zwei verschiedene Themen. Die Erkenntnisse aus dem Experiment von Libet sind doch eigentlich banal, oder? Schließlich ist es doch logisch, daß jedem bewussten Prozess eine Menge Vorarbeit vorausgeht. Wenn wir bei dem Beispiel mit der Auswahl aus dem Kleiderschrank bleiben, dann denke ich meist nicht bewußt darüber nach, ob die Auswahl der Kleidungsstücke der jeweiligen Gegebenheit angemessen ist. Das ist ein automatisierter Prozess, der wie von selbst irgendwo abläuft und ohne wesentliche Beteiligung des Bewußtseins die willentliche Entscheidung im Voraus steuert. Dazu paßt wohl auch der folgende Absatz:

Für das unbewußte Bearbeiten habe ich eine interessante Erklärung gelesen, ich weiß nur im Moment die Quelle nicht mehr: Dem Unbewussten stehen wesentlich mehr Gedächtnisinhalte zur Verfügung als dem Bewusstsein, und es arbeitet schneller und effektiver. Gerade bei komplexen Entscheidungen sei deshalb das berühmte "Bauchgefühl" häufig zuverlässiger als die bewußte Analyse eines Problems. Das funktioniert natürlich nur, wenn das Problem in einem Umfeld ist, in dem man sich sehr gut auskennt, weil ja Gedächtnisinhalte für die Lösung herangezogen werden. Ich kenne das Phänomen aus meiner besten Zeit als Techniker. Ich habe für Ruhe um mich gesorgt, sah vor dem geistigen Auge den Weg eines Byte im Rechnersystem von einer Maschine zur anderen und konnte den Fehler ziemlich schnell und mit großer Treffsicherheit eingrenzen. Allerdings konnte ich selten detailliert erklären, wie ich darauf gekommen war. Es entstand sozusagen vor dem inneren Auge. Das paßt gut zu deinem Erlebnis der Problemlösung im Schlaf.

Aber zu Deinem Satz
Was sich außerhalb dieser Grenzen abspielt, eben das sog. "Unterbewusstsein", das entzieht sich nicht nur unserem Einfluß, sondern sogar unserer Beobachtung.
geschrieben von karl
noch die Anmerkung, dass der fehlende Einfluss noch zu hinterfragen wäre. Ich denke, wir können sehr viel dessen, was unbewusst abläuft, schon allein dadurch beeinflussen, dass wir versuchen, es uns bewusst zu machen. Wie zudem wollen wir denn "ich" definieren? Bin ich nur das, was bewusst ist, oder auch das, was unbewusst ist?
geschrieben von det
Sind das nicht wieder zwei verschiedene Themen? Timothy D. Wilson schreibt, daß die Selbstbeobachtung zu keiner sinnvollen Erkenntnis über das Unbewusste führen kann. Wir würden viele Handlungen durch das Unbewusste gesteuert vornehmen, für die das Bewusstsein erst nachträglich eine Begründung schafft. Solche Handlungen könnten wir logisch erklären, aber es wäre durch die zeitliche Abfolge von Handlung und Begründung nur eine scheinbare Erklärung. Einzig die Beobachtung der Reaktion der Umwelt auf unsere Handlungen würde helfen, dem Unbewussten wenigstens teilweise auf die Spur zu kommen.

Die Frage nach dem, was das "Ich" sei, ist meines Wissens nach nicht einmal ansatzweise geklärt. Mir gefiel für lange Zeit die Erklärung am besten, die der Buddha lieferte: das "Ich" ist kein festes Etwas, sondern ein Prozess, der ständig auf eingehende Reize aus den Sinnesorganen reagiert. Durch den Lernprozess kommt es dabei natürlich zu einer laufenden Selbstmodifikation. Wichtig für das Verständnis dieses Modells ist die Voraussetzung, daß das Denken ebenfalls als externer Reiz betrachtet wird, sozusagen ein weiteres Sinnesorgan. Das erscheint auf den ersten Blick natürlich absurd. Jeder von uns geht davon aus, daß er Herr über seine Gedanken sei, sie also nichts "externes" sein könnten. Das läßt sich aber leicht widerlegen. Wenn wir den Inhalt unserer Gedanken voll und ganz bestimmen könnten, warum ist es uns dann nicht möglich, nicht zu denken? Warum geht es uns dann jemals schlecht? Warum tun wir Dinge, die wir einen Augenblick später bereuen? Man braucht sich nur einmal für 10 Minuten still und mit geschlossenen Augen hinzusetzen und sich vorzunehmen, ausschließlich auf die Atmung zu achten. Spätestens nach ein bis zwei Minuten erwischen wir uns dabei, wie wir in Gedanken schon bei allem Möglichen sind, aber nicht mehr bei der Atmung. Das ist bei den ersten Versuchen ein unangenehmes Erlebnis: die Gedanken tun keineswegs das was wir wollen, sondern driften innerhalb kürzester Zeit zu vielen Themen ab, die - tja, wer eigentlich? - vorgibt.

Ich habe letztens das Buch "Der Ego-Tunnel" von Thomas Metzger gelesen, das sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt, was denn das "Ich" sei. Ich schätze aber, daß ich es noch ein zweites Mal lesen muß, bevor ich seine Vorstellungen wiedergeben kann.

det
Crimmscher
Crimmscher
Mitglied

Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von Crimmscher
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.01.2014, 16:59:41
Um ehrlich zu sein!

Mir erscheint das Thema in diesen Raum als Hochstapelei.

Wer von uns weiß heute schon, wohin morgen die Reise seines "Ich" geht?

Wenn Hirnforscher, Wahrnehmungsforscher und Philosophen darüber nicht einig sind, muss ich mir hier nicht den Kopf zerbrechen.

Ich weiss was ich will, versuche meinen Willen durchzusetzen, das aleine macht mich frei

Crimmscher

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Karl
Karl
Administrator

Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 17.01.2014, 16:59:41
Ich habe letztens das Buch "Der Ego-Tunnel" von Thomas Metzger gelesen, das sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt, was denn das "Ich" sei.
geschrieben von Det
Du liest interessante Bücher! Kennst Du 'The Mind's I' von Douglas R. Hofstadter und Daniell C. Dennett? Ein wunderbares Buch mit Tiefgang und gleichzeitig sehr unterhaltsam zu lesen.

Derzeit lese ich Christof Koch 'Bekenntnisse eines Hirnforschers'. Das scheint mir auch sehr lehrreich. Wenn ich es ausgelesen habe, berichte ich gern hier in der Kategorie 'Religionen-Weltanschauungen' darüber. Ein Interview mit dem Autor Koch hatte ich unlängst hier verlinkt.

Karl
Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 17.01.2014, 21:45:41
Hallo Karl,

die Bücher machen einen interessanten Eindruck, doch leider ist die Liste der noch zu lesenden Bücher bei mir zur Zeit lang. Ganz vorn steht Selbst ist der Mensch: Körper, Geist und die Entstehung des menschlichen Bewusstseins von Antonio Damasio und dann folgt Die Ich-Illusion: Wie Bewusstsein und freier Wille entstehen von Michael Gazzaniga. Vor ein paar Tagen hat sich noch Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit von Thomas de Padova zwischen die ersten beiden und den Rest der Liste gemogelt. Ich habe vermutlich Lesestoff bis in den Spätsommer. Aber deine Empfehlungen kommen mit auf die Liste der noch anzuschaffenden Bücher.

det
Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
In der neuen Ausgabe des "Philosophie Magazin" Nr. 2/2014 findet sich ein Kurzinterview mit Thomas Metzinger (diesmal passe ich auch auf, daß die Autokorrektur nicht wieder seinen Namen verunstaltet) Hoch spannend fand ich darin eine Aussage über das "Mind Wandering", also das schon erwähnte Phänomen, daß es uns oft nicht gelingt, unsere Aufmerksamkeit auf einen Punkt zu fokussieren:[quote=Thomas Metzinger]Eines der philosophisch gesehen wichtigsten neueren Forschungsthemen in der Psychologie ist eben dieses sogenannte Mind Wandering. Ich habe in einer neueren wissenschaftlichen Veröffentlichung gezeigt, daß wir während zwei Dritteln unseres bewussten Lebens keine autonomen bewussten Subjekte sind. Das "bewusste Denken" ist im Normalfall eher eine unabsichtliche Form des inneren Verhaltens, kein echtes geistiges Handeln.[/quote]
Link zur Veröffentlichung

det
helga122
helga122
Mitglied

Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von helga122
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.01.2014, 14:59:38
Ich bin der Meinung, alles was auf die Menschen einströmt ist Geist, von der Wiege bis zur Bahre.Denn wir sind von einem Kosmos umgeben(vielleicht müßte ich noch Quantenphysik lernen), der Geist ist. Man denke auch an die Wissenschaften der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. - Was wir nun als Mensch als Freiheit des Willens bezeichnen wollen, ist einfach die freie Entscheidung zu welcher Kategorie Mensch man gehören will. Bin ich Atheist, Gläubiger oder ein Lauer, der nur so dahinlebt. Dies ist doch schon eine große innerliche Freiheit des Willens. Man will hoffentlich.

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