Religionen-Weltanschauungen Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
Hallo zusammen,
ich darf nächsten Dienstag einen Vortrag über die Willensfreiheit aus der Sicht eines Neurobiologen halten und in diesem Zusammenhang, möchte ich einige Anregungen sammeln.
Was versteht Ihr unter dem "freien Willen"? In wie weit sind unsere Entscheidungen "frei" bzw. wann fühlen wir uns "unfrei"?
Freie Entscheidungsmöglichkeiten und Verantwortung gehören zusammen, das eine ohne das andere geht nicht.
Da ich den Vortrag vor einem ökomenischen Arbeitskreis, der mich als Naturwissenschaftler eingeladen hat, halten werde, werde ich aber wohl neben der "Freiheit und Verantwortung vor dem Amtsgericht" (also im normalen gesellschaftlichen Leben) auch etwas über die "Freiheit und Verantwortung vor dem 'Jüngsten Gericht'" sprechen müssen (auch wenn ich das für eine sehr fiktive Situation halte).
Angenommen "Gott" sei mein Schöpfer, allwissend und allmächtig und alles vorherbestimmt, wie könnte ich dann frei und verantwortlich sein? Wäre nicht er es? Übersetzt in die Sprache der Naturwissenschaft: Wenn auch in meinem Gehirn alles kausal abläuft, wie kann ich dann für meine eigene Taten verantwortlich sein?
Braucht die Freiheit die Nicht-Vorraussagbarkeit der Zukunft und ist der Zufall (Nichtwissen) deshalb eine Vorbedingung für die Freiheit (z. B. nach Pascal Jordan) oder ist der Zufall deren Gegenspieler, wie Bünning und Hassenstein behauptet haben?
Neuere neurobiologische Daten sprechen dafür, dass simple motorische Entscheidungen schon gefallen sind, bevor sie uns bewusst werden? Dürfen aber solche einfachen Situationen auf unser "Problemwälzen" verallgemeinert werden und sind die Ergebnisse unserer endlosen Denkschleifen durch die physikalisch-chemische Kausalität der Gehirnprozesse festgelegt?
Ich habe schon immer über solche Fragen nachgedacht, aber bin noch immer neugierig, was andere dazu meinen und wie sich der Diskurs hierzu weiterentwickelt. Ganz konkret suche ich Material, Munition zum Vortrag in einer Woche.
Karl
ich darf nächsten Dienstag einen Vortrag über die Willensfreiheit aus der Sicht eines Neurobiologen halten und in diesem Zusammenhang, möchte ich einige Anregungen sammeln.
Was versteht Ihr unter dem "freien Willen"? In wie weit sind unsere Entscheidungen "frei" bzw. wann fühlen wir uns "unfrei"?
Freie Entscheidungsmöglichkeiten und Verantwortung gehören zusammen, das eine ohne das andere geht nicht.
Da ich den Vortrag vor einem ökomenischen Arbeitskreis, der mich als Naturwissenschaftler eingeladen hat, halten werde, werde ich aber wohl neben der "Freiheit und Verantwortung vor dem Amtsgericht" (also im normalen gesellschaftlichen Leben) auch etwas über die "Freiheit und Verantwortung vor dem 'Jüngsten Gericht'" sprechen müssen (auch wenn ich das für eine sehr fiktive Situation halte).
Angenommen "Gott" sei mein Schöpfer, allwissend und allmächtig und alles vorherbestimmt, wie könnte ich dann frei und verantwortlich sein? Wäre nicht er es? Übersetzt in die Sprache der Naturwissenschaft: Wenn auch in meinem Gehirn alles kausal abläuft, wie kann ich dann für meine eigene Taten verantwortlich sein?
Braucht die Freiheit die Nicht-Vorraussagbarkeit der Zukunft und ist der Zufall (Nichtwissen) deshalb eine Vorbedingung für die Freiheit (z. B. nach Pascal Jordan) oder ist der Zufall deren Gegenspieler, wie Bünning und Hassenstein behauptet haben?
Neuere neurobiologische Daten sprechen dafür, dass simple motorische Entscheidungen schon gefallen sind, bevor sie uns bewusst werden? Dürfen aber solche einfachen Situationen auf unser "Problemwälzen" verallgemeinert werden und sind die Ergebnisse unserer endlosen Denkschleifen durch die physikalisch-chemische Kausalität der Gehirnprozesse festgelegt?
Ich habe schon immer über solche Fragen nachgedacht, aber bin noch immer neugierig, was andere dazu meinen und wie sich der Diskurs hierzu weiterentwickelt. Ganz konkret suche ich Material, Munition zum Vortrag in einer Woche.
Karl
Na dann viel Spaß!
Keiner von uns ist "frei" von Zwängen und Regeln. Ich habe von Ulrich Plenzdorf im Buch "Die Legende vom Glück ohne Ende" folgende Freiheitsdefinition gelesen:
Absolute Freiheit ist das völlige Fehlen des Gefühls von Verantwortung für sich selbst und Andere.
Keiner von uns ist "frei" von Zwängen und Regeln. Ich habe von Ulrich Plenzdorf im Buch "Die Legende vom Glück ohne Ende" folgende Freiheitsdefinition gelesen:
Absolute Freiheit ist das völlige Fehlen des Gefühls von Verantwortung für sich selbst und Andere.
Absolute freiheit des willens bedeutet meiner meinung nach anarchie oder muß folgerichtig in anarchie enden.
Freiheit des willens kann es, bezogen auf das menschliche zusammenleben in gemeinschaften oder staaten nur in einem durch regeln begrenztem korridor geben.
Wer die regeln macht und wie sie aussehen wird allerdings immer bestimmt von politischen oder religiösen vorgaben, die wiederum dazu führen, daß der willen nicht einverstandener dann auch nicht frei ist.
Wie waar doch der alte spruch:
freiheit ist die einsicht in die notwendigkeit.
Freiheit des willens kann es, bezogen auf das menschliche zusammenleben in gemeinschaften oder staaten nur in einem durch regeln begrenztem korridor geben.
Wer die regeln macht und wie sie aussehen wird allerdings immer bestimmt von politischen oder religiösen vorgaben, die wiederum dazu führen, daß der willen nicht einverstandener dann auch nicht frei ist.
Wie waar doch der alte spruch:
freiheit ist die einsicht in die notwendigkeit.
Meine persönliche Freiheit liegt für mich in der Möglichkeit begründet, meine "Gehirn-Festplatte" so zu programmieren, dass ich in kritischen Situationen spontan in meinem Sinne "richtig" reagieren und handeln kann, aus eigener Kraft und nach eigenem Ge-Wissen.
Eigen im Sinne von: Zu Eigen gemacht.
Mareike
Eigen im Sinne von: Zu Eigen gemacht.
Mareike
freiheit ist die einsicht in die notwendigkeit.[/quote]
Das stimmt und ich möchte um Rosa Luxemburg ergänzen: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.
Ich persönlich bin sehr froh darüber, zeitlebens in einem freien Land mit freiheitlichen Strukturen leben zu dürfen. Vernunftgebotene Einschränkungen machte ich - wie sicher jeder - während meiner Berufstätigkeit, in dem ich z.B. meine Meinung nicht unbedingt Kollegen und Vorgesetzten mit Brachialgewalt aufdrängte - der Preis um den Verlust eines guten Arbeitsplatzes wäre mir immer zu hoch gewesen.
Jetzt ist auch das weggefallen - meine Freiheit wurde also noch grösser und ich lebe dies gerne und mit Dankbarkeit, aber auch Rücksichtnahme auf mein Umfeld, damit nicht meine persönliche Freiheit die Unfreiheit dieser Menschen wird. Olga
Hallo Karl,
zuerst mal danke für den Link zu Deiner Vorlesung - die muss ich mir mal in Ruhe zu Gemüte führen...
Beim Überfliegen scheint mir der Zugang jedenfalls recht sympathisch
Zu der Frage bzgl. Religion: Da ist die christliche Philosophie etwas in der Zwickmühle - einerseits muss sie die freie Entscheidung voraussetzen, sonst wäre ja Sünde unmöglich und 'Bestrafung' und 'Belohnung' sinnlos, andererseits ist Gott p. def. allwissend, kennt also auch die Zukunft. Diese Aporie wird m.W. dadurch umgangen, dass Gott eben auch weiß, wie sich der Mensch in Zukunft entscheiden wird, dieser in seiner Entscheidung aber trotzdem frei ist. Keine ganz saubere Lösung IMHO, aber mit Allmacht schafft man das schon...
Anders ist es im Islam - dort hat Allah m.W. Alles schon vorherbestimmt, und der Mensch hat keinen freien Willen. Inwiefern das mit Liebe und Gerechtigkeit zusammenpasst, da bin ich allerdings überfragt...
() qilin
zuerst mal danke für den Link zu Deiner Vorlesung - die muss ich mir mal in Ruhe zu Gemüte führen...
Beim Überfliegen scheint mir der Zugang jedenfalls recht sympathisch
Zu der Frage bzgl. Religion: Da ist die christliche Philosophie etwas in der Zwickmühle - einerseits muss sie die freie Entscheidung voraussetzen, sonst wäre ja Sünde unmöglich und 'Bestrafung' und 'Belohnung' sinnlos, andererseits ist Gott p. def. allwissend, kennt also auch die Zukunft. Diese Aporie wird m.W. dadurch umgangen, dass Gott eben auch weiß, wie sich der Mensch in Zukunft entscheiden wird, dieser in seiner Entscheidung aber trotzdem frei ist. Keine ganz saubere Lösung IMHO, aber mit Allmacht schafft man das schon...
Anders ist es im Islam - dort hat Allah m.W. Alles schon vorherbestimmt, und der Mensch hat keinen freien Willen. Inwiefern das mit Liebe und Gerechtigkeit zusammenpasst, da bin ich allerdings überfragt...
() qilin
Eine Freiheit des Willens gibt es nach meiner Meinung nicht. Das fängt schon da an, dass wir nicht frei wählen können, ob wir schlafen wollen oder nicht, wir können den Schlaf zwar bis zu einem gewissen Grad aufschieben, aber nicht völlig ausfallen lassen. Dasselbe gilt für alle anderen Notwendigkeiten, um unseren Körper am Leben zu erhalten.
Innerhalb einer Skala von, sagen wir zehn unterschiedlichen Entscheidungen bezüglich ein und derselben Begebenheit, können wir willentlich lediglich zwischen diesen zehn Möglichkeiten auswählen, haben aber auch stets die Folgen dieser Entscheidung zu tragen, die sich entweder positiv oder negativ auf unser Leben auswirken. Die Notwendigkeit, dass überhaupt entschieden werden muss, entspringt aber in den meisten Fällen nicht dem freien Willen.
Wir müssen uns Kleidung kaufen, wollen wir nicht nackt herum laufen. So wird die Notwendigkeit in unserem Kulturkreis vorgegeben und ist keine willentlich freie Entscheidung. Willentlich frei kann hier nur sein, wann und wie oft wir uns Kleidung kaufen und selbst das wird eingeschränkt, weil es vom Vorhandensein des dafür notwendigen Geldes abhängt.
Willentlich freie Entscheidungen kann es evtl. nur da geben, wo es um nicht lebensnotwendige und nicht konditionierte Dinge geht. Selbst dafür müssen aber die Voraussetzungen da sein oder erst geschaffen werden.
Natürlich kann ich mich willentlich frei dafür entscheiden, jetzt eine Weltreise machen zu wollen. Damit ist mein Vorhaben aber noch nicht von Erfolg gekrönt, denn jetzt muss ich die dafür notwendigen Vorbereitungen treffen, damit meine Entscheidung zur Wirklichkeit werden kann. Und an diesem Punkt ist es schon wieder vorbei mit der willentlichen Freiheit, weil ich mich an die Vorgaben halten muss, die so eine Reise erst möglich machen. Und alles was ich tun muss, mache ich aus der Notwendigkeit heraus und nicht, weil ich das so will.
Das sind so meine laienhaften Gedanken zum Thema. Sie werden wenig hilfreich sein. Wer weiß, wer mir eingeimpft hat, sie hier niederschreiben zu wollen.
LG,
woelfin
Innerhalb einer Skala von, sagen wir zehn unterschiedlichen Entscheidungen bezüglich ein und derselben Begebenheit, können wir willentlich lediglich zwischen diesen zehn Möglichkeiten auswählen, haben aber auch stets die Folgen dieser Entscheidung zu tragen, die sich entweder positiv oder negativ auf unser Leben auswirken. Die Notwendigkeit, dass überhaupt entschieden werden muss, entspringt aber in den meisten Fällen nicht dem freien Willen.
Wir müssen uns Kleidung kaufen, wollen wir nicht nackt herum laufen. So wird die Notwendigkeit in unserem Kulturkreis vorgegeben und ist keine willentlich freie Entscheidung. Willentlich frei kann hier nur sein, wann und wie oft wir uns Kleidung kaufen und selbst das wird eingeschränkt, weil es vom Vorhandensein des dafür notwendigen Geldes abhängt.
Willentlich freie Entscheidungen kann es evtl. nur da geben, wo es um nicht lebensnotwendige und nicht konditionierte Dinge geht. Selbst dafür müssen aber die Voraussetzungen da sein oder erst geschaffen werden.
Natürlich kann ich mich willentlich frei dafür entscheiden, jetzt eine Weltreise machen zu wollen. Damit ist mein Vorhaben aber noch nicht von Erfolg gekrönt, denn jetzt muss ich die dafür notwendigen Vorbereitungen treffen, damit meine Entscheidung zur Wirklichkeit werden kann. Und an diesem Punkt ist es schon wieder vorbei mit der willentlichen Freiheit, weil ich mich an die Vorgaben halten muss, die so eine Reise erst möglich machen. Und alles was ich tun muss, mache ich aus der Notwendigkeit heraus und nicht, weil ich das so will.
Das sind so meine laienhaften Gedanken zum Thema. Sie werden wenig hilfreich sein. Wer weiß, wer mir eingeimpft hat, sie hier niederschreiben zu wollen.
LG,
woelfin
Re: Was bedeutet die "Freiheit des Willens"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Karl,
schau mal hier:
1)Abschied von der Willensfreiheit?
2)Sam Harris über das Leben ohne freien Willen
3)„Ein unmoralisches Angebot“
4)»Aber ... das ist doch krank«
5) Horizonte der Evolutionsbiologie
6)Ethik für nackte Affen
7)Legierung aus Ratio und Empathie
8) Religiöse Ethik - ein Wintermärchen?
Sehr gute informative Artikel! Viel Spaß
Grums
schau mal hier:
1)Abschied von der Willensfreiheit?
2)Sam Harris über das Leben ohne freien Willen
3)„Ein unmoralisches Angebot“
4)»Aber ... das ist doch krank«
5) Horizonte der Evolutionsbiologie
6)Ethik für nackte Affen
7)Legierung aus Ratio und Empathie
8) Religiöse Ethik - ein Wintermärchen?
Sehr gute informative Artikel! Viel Spaß
Grums
Für mich ist der Begriff Freiheit auch schon erfüllt, wenn ich die Möglichkeit habe, zwischen mehreren Möglichkeiten auswählen zu dürfen und zu können.
Am Ende unseres Lebens gelingt dies nicht mehr - der Tod ist alternativlos. Olga
Am Ende unseres Lebens gelingt dies nicht mehr - der Tod ist alternativlos. Olga
Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff WILLE.
Wille als Handlungsplanung, Zielsetzung, bewusstes Einsetzen eigener Begabungen (Talente).
Mareike
Wille als Handlungsplanung, Zielsetzung, bewusstes Einsetzen eigener Begabungen (Talente).
Mareike