Der zerstreute Professor


Oft holte sich Dr. Marder Bücher und Fachzeitschriften aus der Bibliothek des Betriebes, die er dann aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch liegen ließ. Weil er ständig vergaß, sie wieder zurückzubringen, wurde der Stapel immer höher und das Chaos war bald perfekt. Seine Devise war „Nur Dumme halten Ordnung, das Genie überblickt das Chaos“.
Wenn die anderen zum Mittagessen in die Kantine gingen, saß er in seiner sogenannten Denkzelle und las in einem seiner Fachbücher. Da je­doch auch er menschliche Bedürfnisse hatte, ließ er sich hin und wieder etwas Essbares aus der Kantine mitbringen. Das konnte ein Stück Kuchen sein oder auch mal eine Bockwurst.

Die Putzfrau Frieda Flunder sorgte täglich dafür, dass die Institutsmit­arbeiter nicht im Schmutz umkamen. Daran, dass es im Zimmer von Dr. Marder schlecht roch, hatte sie sich genauso gewöhnt wie Lothar und sei­ne Kollegin. Ihr Chef schien es mit der Hygiene nicht so genau zu nehmen und verbreitete einen unangenehmen Geruch, wo immer er auftauchte. Al­lerdings fiel es Frau Flunder auf, dass es in der Denkzelle von Dr. Marder täglich mehr stank und zwar nach Fisch. Das hatte Lothar auch schon bemerkt, aber er hatte einfach so oft wie möglich die Verbindungstür zwi­schen den beiden Räumen geschlossen. Die gute Frieda wollte der Sache jedoch auf den Grund gehen, denn es schien gegen ihre Berufsehre zu ver­stoßen, dass es in einem Raum, in dem sie putzte so stank. Wenn Dr. Mar­der anwesend war, ließ er die Putzfrau nicht in sein Zimmer. Als er jedoch einen freien Tag hatte, war Frieda nicht mehr zu halten und suchte nach der Quelle des Übels. Die fand sie schließlich unter etlichen Büchern und Zeitschriften in Form eines in durchtränktes Zeitungspapier gewickelten Bratherings, den er offenbar als Lesezeichen benutzt hatte. Sie entsorgte diesen umgehend und alle waren gespannt, was Dr. Marder am nächsten Tag dazu sagen würde.
Er sagte gar nichts. Entweder hatte er den Verlust überhaupt nicht bemerkt oder er war zu stolz, diesen Fehler einzu­gestehen.

Aus dem Buch "Er war stets bemüht" von Wilfried Hildebrandt


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Kommentare (1)

Manfred36

Ich bin so zerstreut und mein Kopf der ist schwer.
Ich laufe wie'n Dusel durchs Leben daher. 
Was ich auch beginne, ich mach es verkehrt.
Ich bin zwar ein Muster, doch eins ohne Wert. 

Ich trage im Winter mein Sommerkostüm.
Ich nehme zum Kaffee statt Sahne Benzin
und geh mit dem Sonnenschirm wenn's draußen schneit.
Ich kann mir nicht helfen, ich bin so zerstreut. 

Ich hatte 'nen Traum just, ach war das ein Malheur.
Ich träumt, ich sei gestorben und lebte nicht mehr. 
Ich gab meine Todesanzeige jetzt auf;
besorgt einen Kranz mir,  "Ruhe sanft" stand darauf,

und grüble jetzt nach "Wer gibt mir das Geleit". 
Manchmal halt ich selbst mich für "nicht recht gescheit".
 


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